Ukrainehilfe

Landwirte helfen in Not geratenen Ukrainern

Neben 200 Feuerlöschern haben Rüdiger Wessel und Felix Kremerskothen (v.l.) schon Stromaggregate und Schere-Spreizer verladen. Viele Feuerwehren und Firmen spenden. Lotte Kremerskothen ist immer an der Seite ihres Vaters. (c) Gerd Rinas
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Felix und Stephanie Kremerskothen sowie Rüdiger und Kerstin Wessel organisieren in Dumsevitz auf Rügen einen Hilfskonvoi mit 28 Fahrzeugen.

Von Gerd Rinas

Seit Mittwoch voriger Woche kehrt auf dem Landwirtschaftsbetrieb von Felix und Stephanie Kremerskothen in Dumsevitz bei Garz auf Rügen keine Ruhe ein. Im Minutentakt rollen PKW´s und Transporter im Rahmen der Ukrainehilfe auf den Hof. Gerade packt Undine Auraß vom Pflegedienst Undine in Sassnitz zusammen mit ihrem Lebensgefährten Axel Lorenz Medikamente, Verbandsmaterial, Infusionen, Hygieneartikel und Lebensmittelkonserven von ihrem Transporter in einen PKW-Anhänger um. „Die Nachricht vom Krieg in der Ukraine hat unsere älteren Patienten in Angst versetzt. Omis erinnern sich an Flucht und Vertreibung vor 77 Jahren und weinen“, berichtet Undine Auraß. „Wir wollen den Menschen in der Ukrainern helfen. Das ist das Mindeste, was wir tun können“, sagt Schwester Undine.

Hilfe, die von Herzen kommt: Undine Auras, Steffi Kremerskothen und Axel Lorenz (v.l.) verladen Hygieneartikel, Verbandmaterial und Konserven.
Hilfe, die von Herzen kommt: Undine Auras, Steffi Kremerskothen und Axel Lorenz (v.l.) verladen Hygieneartikel, Verbandmaterial und Konserven. (c) Gerd Rinas

WhatsApp mit einem Wort: „Passiert“

Diesen Entschluss hat Landwirt Felix Kremerskothen am Dienstag voriger Woche mit seinem Geschäftspartner Simon Vierhaus gefasst. Die beiden stammen aus Castrop-Rauxel nahe Dortmund. 2007 haben sie gemeinsam mit ihren Vätern in der Ukraine einen Landwirtschaftsbetrieb etwa 500 km westlich von Kiew eingerichtet. Dort bewirtschaften sie mittlerweile etwa 3.500 ha LF.

Am Donnerstagmorgen erhielt Kremerskothen von seinem Betriebsleiter vor Ort eine WhatsApp mit nur einem Wort: „Passiert“. Russland hatte die Ukraine angegriffen. Nur wenige Kilometer von ihrem Betrieb entfernt beschossen russische Flugzeuge einen Militärflugplatz mit Raketen.

zweimal in Richtung Grenze

„Meine Mitarbeiter haben die Computer aus dem Büro geholt. Den ganzen Tag habe ich versucht, sie zu überzeugen, ihre Familien außer Landes zu bringen“, berichtet Felix Kremerskothen. Am Abend fuhren sie dann endlich los in Richtung Polen. Als sie von dem 30 km langen Stau an der Grenze erfuhren und davon, dass die Männer das Land wegen der Generalmobilmachung nicht verlassen durften, kehrten alle um. Am nächsten Morgen klemmte Kremerskothen sich wieder ans Telefon und redete so lange auf seine Leute ein, bis sie ihre Familien wieder in die Autos setzten und vier Frauen und zwölf Kinder in Sicherheit brachten. „Wir holen sie nach Dumsevitz, in unser Ferienhaus. Wir haben alle Buchungen storniert“, so der Landwirt.

Panzersperren statt Getreidelager

Wie es auf dem Betrieb in der Ukraine weitergeht, ist völlig unklar. „Mitte März ist es Zeit für die Frühjahrsbestellung. Wir haben mit dem Düngerstreuen begonnen. 1.000 t Dünger und 60.000 Liter Diesel sind gebunkert, dazu ein Teil der benötigten Pflanzenschutzmittel“, zählt Kremerskothen auf. Aber von Nachbarn hörte er, dass Mitarbeiter, die Wehrdienst geleistet haben, jetzt zur Armee eingezogen werden. „Unsere Leute sind bisher nicht betroffen. In der vorigen Woche haben wir noch an Getreide-Lagerhallen gebaut. Seit Freitag holen wir die Steine von der Baustelle und errichten damit Panzersperren an Zufahrtstraßen. Baumaschinen und Radlader graben Schützengräben und Gefechtsstellungen“, berichtet der Landwirt.

Seit Mittwoch voriger Woche stockt die Getreidevermarktung. „Die Schwarzmeerhäfen sind vermint, um russischen Kriegsschiffen den Zugang zu erschweren. Jetzt kommen aber auch keine Getreidekontraktschiffe mehr rein und raus. Ohne die Einnahmen aus dem Getreideverkauf wird in vielen Betrieben das Geld für Löhne und Betriebskosten schnell knapp. Anders als in Deutschland kannst du die Mehrwertsteuer nur verrechnen, wenn du innerhalb eines Monats kaufst und verkaufst“, erläutert Kremerskothen.

Ernteausfall: katastophale Folgen

Er und seine Mitarbeiter hoffen, dass Russlands Präsident Putin noch zur Besinnung kommt und sich die Kriegshandlungen nach einem Waffenstillstand auch auf dem flachen Land in Grenzen halten. „Wenn die Ernte vollständig ausfallen sollte, hätte das nicht nur für die Bevölkerung in der Ukraine katastrophale Folgen. Auch armen Menschen in Ägypten, Nordafrika und anderen Ländern, in die bisher Getreide aus der Ukraine exportiert wurde, droht dann eine Hungersnot“, befürchtet Felix Kremerskothen.

Ukrainehilfe: Rede auf Friedensdemo

Unterdessen ist in Dumsevitz auf Rügen eine große Hilfsaktion angelaufen. Kremerskothen betreibt hier auf 550 ha Ackerbau und hält 250 Sauen sowie auf 1.800 Mastplätzen Schweine im geschlossenen System. Nachdem er vorige Woche über seine Hilfsabsichten Berufskollegen und die Öffentlichkeit auf einer Friedensdemo in Bergen informierte, steht sein Telefon nicht mehr still. Auf dem Hof stapeln sich die Hilfsgüter. Landwirt Rüdiger Wessel aus Putbus und dessen Frau Kerstin, die in Bergen einen Landhandel betreibt, unterstützen Felix und Stephanie Kremerskothen dabei, die Ukrainehilfe zu koordinieren.

„Wir helfen den Ukrainern in der Not“, sagen Sebastian und Charlott Rosch aus Garz. Vater und Tochter brachten Winterbekleidung und Decken zum Sammelpunkt nach Dumsevitz.
„Wir helfen den Ukrainern in der Not“, sagen Sebastian und Charlott Rosch aus Garz. Vater und Tochter brachten Winterbekleidung und Decken zum Sammelpunkt nach Dumsevitz. (c) Gerd Rinas

Ukrainehilfe: Konvoi mit 28 Fahrzeugen

Ursprünglich wollte man mit Rüdiger Wessels LKW Hilfsgüter über die 1.043 km lange Fahrtstrecke an die ukrainische Grenze bringen. Mittlerweile braucht es aber einen Konvoi, um alles abzutransportieren. „Wir werden am Mittwoch mit drei LKW und 25 PKW mit Anhängern losfahren, am Donnerstag die Sendung der Ukrainehilfe an unsere Mitarbeiter übergeben und am Freitag zurückfahren“, sagt Felix Kremerskothen – und hofft, dass alles gut gehen wird.


Dramatischer Himmel, Sturm, Getreidefeld,
Symbolbild (c) IMAGO / Westend61

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