Ministerin auf Erntereise

Erntebesuch: Manuela Schwesig spricht mit Landwirten

Beim Rundgang durch einen der Milchviehställe im Agrarbetrieb Groß Grenz: Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (Mi.) mit Landesbauernpräsident Detlef Kurreck und Geschäftsführerin Dr. Kathrin Naumann. (c) Gerd Rinas
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Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin, Manuela Schwesig, traf beim Besuch von Betrieben in der Region Rostock Landwirte, die eine gute Ernte einfuhren und viel unternehmerische Kreativität zeigen, aber denen politische Entscheidungen das Leben schwer machen.

Von Gerd Rinas

Der Agrarbetrieb Groß Grenz hat in diesem Jahr eine gute Ernte eingefahren. Einziger Wermutstropfen: „Beim Proteingehalt werden wir die Parameter für Brotgetreide wohl nicht erfüllen“, sagte Geschäftsführerin Dr. Kathrin Naumann am Donnerstag während einer Gesprächsrunde in Benitz. Der Agrarbetrieb im Landkreis Rostock mit 35 Mitarbeitern, 1.400 ha LF, 1.000 Rindern, 330 Zuchtsauen und regenerativer Energieproduktion war die erste Station der Erntebereisung von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. „Ich will mich aus erster Hand informieren und mir ein eigenes Bild machen, wo den Betrieben der Schuh drückt“, sagte sie zu Beginn der Stippvisite in vier Landwirtschaftsbetrieben im Landkreis Rostock.

Insektenschutz mit dem Holzhammer?

In Benitz wurde schnell deutlich, dass die fehlenden Proteinprozente beim Weizen nicht das größte Problem der Landwirte sind. „Das Insektenschutzprogramm der Bundesregierung und die vorgesehenen Einschränkungen beim Pflanzenschutz in FFH- und Naturschutzgebieten machen uns große Sorgen“, ließ Kathrin Naumann durchblicken. Dabei habe man im Betrieb Schutzflächen für Insekten und Niederwild eingerichtet. „Blühstreifen legen wir ohne Förderung an, um den bürokratischen Aufwand und das Anlastungsrisiko zu vermeiden“, sagte Naumann.

Immer wieder stoßen die Landwirte auf Zielkonflikte zwischen Landwirtschaft und Umweltschutz. So haben die Benitzer geprüft, die konventionelle Sauenhaltung in Dorfrandlage auf Öko umzustellen. Das scheitert aber daran, dass mit den vorgeschriebenen Ausläufen die Ammoniakemissionen steigen würden. „Wir sind froh, dass die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung endlich beschlossen ist. Aber warum die Sauenplätze im Wartebereich von 2,4 auf 5 m2 erweitert werden müssen, weiß kein Mensch. Zum Vergleich: In der EU-Öko-Verordnung sind 4,4 m2 vorgeschrieben“, so Naumann. 


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Landwirte erhalten 180 € Unterstützung pro Sau

Erhebliche Zweifel haben die Schweinehalter daran, dass die von Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner angekündigten 300 Mio. € Fördermittel bei der Umrüstung der Schweineställe ein wirklicher Anreiz sind. „Umgerechnet auf 1,7 Millionen Sauenplätze in Deutschland ist das eine Unterstützung von 180 Euro pro Sau. Ein Platz im Besamungsbereich kostet aber zwischen 4.000 und 5.000 Euro“, rechnete Geschäftsführerin Naumann vor.

„Wir haben die Sorge, dass viele Schweinehalter wegen der hohen Investitionskosten bei der Umstellung nicht mitmachen und die Produktion einstellen werden“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Bauernpräsident Detlef Kurreck. Der deutsche Alleingang bei der Verschärfung der Haltungsanforderungen in der Schweineproduktion sei genauso kontraproduktiv wie das Ziel der kompletten Schmerzausschaltung bei der Ferkelkastration, die es so nirgendwo auf der Welt gebe. Ähnliche Tendenzen seien beim Insektenschutz zu beobachten. „Man kann  mit Gesetzen nichts erzwingen, die Menschen müssen mitgenommen werden. Gängelung führt nur dazu, dass die Produktion aufgegeben wird oder abwandert“, warnte Kurreck.

Manuela Schwesig: Die Guten und die Bösen gibt es nicht

„Wenn die Standards für Tierwohl und Umweltschutz weiterentwickelt werden sollen, muss es dafür eine öffentliche Förderung geben“, ließ Manuela Schwesig keinen Zweifel. Grundsätzlich gehe es aber nicht nur ums Geld. „Die Frage ist doch, wie können Öko- und konventionelle Landwirtschaft zusammenkommen?“ Es sei eben nicht so, dass die einen die Guten und die anderen die Bösen sind. Die Landesregierung wolle eine nachhaltige, umweltfreundliche Landwirtschaft unterstützen, die möglichst regional produziert und auf das Tierwohl bedacht ist. „Ich erlebe Landwirte vor Ort, die sich mehr Gedanken machen als in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird“, sagte Schwesig.

Lukas und Anna Propp übernahmen 2014 in Selow den Hof, den Annas Großvater 1956 verlassen hatte. „hufe8“, so der Name des Hofes, war die zweite Station der Erntebereisung. Mittlerweile bewirtschaften der Landwirtschaftsmeister und die ehemalige Lehrerin mit 12 Mitarbeitern fast 10.000 Legehennen in Mobilställen und 165 ha LF im biologischen Landbau. „Verbraucher an den Hof binden, nicht anonym zu produzieren, das ist wichtig“, sagt Lukas Propp. Wer sich austauschbar mache, sitze am kürzeren Hebel. „Auch im Biobereich geht es immer um Margen“, so die Erfahrung des 33-Jährigen.

Öko-Eier vom Hof Hufe8

Im Hofladen werden die Eier vor dem Verkauf sortiert und verpackt, erfährt Ministerpräsidentin Schwesig (l.) von Anna Propp. (c) Gerd Rinas
 

Propps haben es geschafft, ihre Öko-Eier unter dem Label „Hufe8“ am Markt zu etablieren. Bestellungen kommen von Supermärkten  und Bio-Läden in der Region und bis nach Berlin. Über die Edeka-Nord-Zentrale werden weitere Märkte beliefert. „Nach harten Verhandlungen nicht als Edeka-Eigenmarke, sondern mit Hufe8-Logo“, sagt der Landwirt nicht ohne Stolz. „Die Nachfrage steigt, auch wenn sechs Eier nicht unter 3,99 Euro zu haben sind. „Bis das Ei beim Kunden ankommt, hatten wir es vier Mal in der Hand. Das verursacht Kosten“, so Lukas Propp. Seine Bitte an Ministerpräsidentin Manuela Schwesig: „Bringen Sie Ökonomie und Ökologie zusammen. Landwirtschaft ist mehr als Ertrag und Leistung. In vielfältiger Struktur produziert sie wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Mehrwert für die Region. Sie haben vieles in der Hand, nicht zuletzt die Landvergabe“, so Propp an Schwesig gewandt. „Landwirtschaftlicher Boden muss in der Hand derjenigen bleiben, die in der Region verwurzelt sind. Wenn Konzerne zum Zug kommen, ist das eine schlechte Entwicklung“, sagte Schwesig, wohl wissend dass dies in der Realität keine Seltenheit mehr ist.

Volker und Carmen Bredenkamp bauten in den 1990er-Jahren in Bastorf, etwa fünf Kilometer von Kühlungsborn, einen Gemischtbetrieb mit 200 ha LF und 1.400 Mastschweinen auf. Ihr Hof, von dem man einen traumhaften Blick auf die Ostsee hat, war die dritte Station an diesem Tag. Auch Bredenkamps haben eine gute Ernte eingefahren. Dafür mussten sie nach der Unterbrechung der Lieferketten in der Coronakrise mit Preiseinbrüchen auf dem Schweinemarkt klarkommen. Volker Bredenkamp lobte die Agrarumweltmaßnahme „Vielfältige Kulturen“. „Mit diesem Programm haben wir Leguminosen zusätzlich in die Fruchtfolge aufgenommen.“ Für seinen Nachbarn drischt Bredenkamp Getreide im Lohn. Er beobachtet, wie Reinhard Wittwer seinen Bio-Betrieb führt und findet es „spannend“. Seine jüngere Tochter Dorothea führt nach ihrem Studium an der Rostocker Agrarfakultät mit ihrem Ehemann einen Landwirtschaftsbetrieb bei Gadebusch. „Nebenbei“ kümmert sie sich auch um die Feldarbeiten auf dem elterlichen Hof.

Voller Einsatz: Manuela Schwesig dreht eine Runde auf dem Lexion-Mähdrescher und mäht mit Volker Bredenkamp Hafer. (c) Gerd Rinas
 

Landwirtschaft als Lern- und Erlebnisort

Am 1. Juli haben Bredenkamps den Hof an ihre ältere Tochter Johanna Wollschläger übergeben. Seit ein Urlauber ihm einmal 20 Euro für eine Stunde Mähdrescherfahren zahlen wollte, ließ den Landwirt der Gedanke an eine Diversifizierung auf dem Hof nicht mehr los. „Viele Menschen haben sich von der Landwirtschaft entfernt, andererseits nimmt das Interesse daran wieder zu“, sagt Volker Bredenkamp. Mit Tochter Johanna hat er ein Projekt entwickelt, das vor allem Urlauber, aber auch Leute aus der Region anlocken soll. Auf dem Hof soll ein „Lern- und Erlebnisort Landwirtschaft“ entstehen, mit Hofladen und -café, Bienenweide und Streuobstwiese. „Wir wollen Besuchern zeigen, wie Rinder und Schweine im Stall gehalten werden und mit welchen Landmaschinen heute gewirtschaftet wird. Es soll Diskussionsforen, Feldrundfahrten und Mitmach-Angebote auf dem Hof geben. „Landwirtschaft ist nicht schwarz und nicht weiß. Sie ist bunt und das ist gut so“, sagt der Landwirt zum Abschied.