Astrid und Henning Helms kamen 1995 aus Schleswig-Holstein nach Mecklenburg. (c) Jürgen Drewes

Familie Helms findet das Glück in Mecklenburg

Von Schleswig-Holstein nach Mecklenburg-Vorpommern: Ein Landwirt erzählt seine Geschichte über Neuanfang und Erfolg in Ostdeutschland nach der Wende. Erfahren Sie, wie er eine LPG wieder zum Leben erweckte und Teil einer neuen Dorf-Gemeinschaft wurde.

Von Jürgen Drewes

Seit vor 34 Jahren die deutsche Wiedervereinigung stattfand, hat in Ostdeutschland ein ungeheurer Transformationsprozess stattgefunden, der auch die Landwirtschaft ganz besonders betraf. Anlässlich des Tages der Deutschen Einheit erzählen wir eine deutsch-deutsche Familiengeschichte von einem Landwirt aus Schleswig-Holstein, der heute glücklich mit seiner Familie in Mecklenburg-Vorpommern lebt:

Anzeige im Bauernblatt

Die Annonce kam genau zum richtigen Zeitpunkt. An einem ruhigen Winterabend fand Henning Helms daheim im beschaulichen Rümpel beim Lesen im „Schleswig-Holsteinischen Bauernblatt“ den Hinweis auf einen Bauernhof in Sachsen-Anhalt, der zum Verkauf stand. Der damals 29-Jährige war auf der Suche, wollte sich verändern, vergrößern. Der elterliche Hof mit gerade mal 13 Hektar Eigentum und nur etwas mehr drum herum, dazu die mitbewirtschaftete Dorfkneipe, alles einfach viel zu eng, zu klein. Das Angebot in Sachsen-Anhalt erschien verlockend.

Angebot im Landkreis Rostock

Doch der Makler hatte eine bessere Idee: Schleswig-holsteinische Landwirte gehören nach Mecklenburg. Und er lieferte ein entsprechendes Angebot gleich mit: Gehmkendorf in der Mecklenburgischen Schweiz, Landkreis Rostock. Zwar ziemlich heruntergewirtschaftet, aber mit viel Entwicklungspotenzial. Das sollte sich die Familie mal anschauen.

ÜbernAhme der ehemaligen LPG

Gesagt, getan. Mit Vater, Schwiegervater ging es ins „gelobte Land“. Ein Vorgänger, ein Nichtlandwirt, der die Ex-LPG unmittelbar nach der Wende übernommen hatte, war sichtbar gescheitert. Gebäude und Stallungen in Mecklenburg waren marode. Tiere, Technik, alles weg. Da hatte zuvor der Insolvenzverwalter die Hand drauf. Es konnte nur besser werden. Und das Männerteam war sich einig: Wir schaffen das. Noch auf der Heimfahrt wurde Ehefrau Astrid telefonisch auf den bevorstehenden Umzug eingestimmt. Um bei Ankunft daheim ebenfalls zuzustimmen.

Helms_Betrieb_1995
Im Jahr 1995 übernahm Familie Helms den Betrieb in Mecklenburg (o.). 2011 und 2017 wurden neue Ställe gebaut. (c) Archiv Helms

Auch wenn es nicht ganz so leichtfiel, wie sie heute sagt. Haus, Familie, Verwandte, Freunde, alles zurücklassen, nicht einfach. Aber der Enthusiasmus ihres Mannes sei einfach ansteckend gewesen. Und so wurden die Koffer gepackt. Inklusive Kindersachen. Das zweite war gerade unterwegs. Am 6. April 1995 war es so weit. Vorhandene Landtechnik ging mit auf die Reise.

Dorfkonsum wird zum Wohnhaus

Der Landwirtschaftsbetrieb Helms GbR wurde gegründet. Aller Anfang ist bekanntlich schwer. Gewohnt wurde anfangs im nahe gelegenen Wohnheim. Fest stand bereits: Der geschlossene Dorfkonsum wird zum Wohnhaus umgebaut. Später zogen dort die Eltern von Astrid Helms ein. Nachdem ein neu gebautes Haus, inklusive Büro, in unmittelbarer Nachbarschaft bezugsfertig war. Gebaut wird bis heute. 1997 war der zehn Jahre zuvor noch von der LPG gebaute Rinderstall komplett saniert.

Es folgten 2011 und 2017 zwei Stallneubauten, ein dritter ist beantragt. „Das Projekt zieht sich hin, die Genehmigungsverfahren dauern, alles wird schwieriger, die Bürokratie …“, beschreibt Henning Helms die aktuelle Situation. Aber er sei von Haus aus Optimist. „Alles wird gut“, blickt der inzwischen 59-Jährige voraus. Statt rund 50 Hektar, wie einst in Rümpel, werden heute 850 Hektar bewirtschaftet. Grünland, Getreide Raps, Mais, das klassische Programm. Futter für die Rinder.

Gebaut wird bis heute in Mecklenburg. 1997 war der zehn Jahre zuvor noch von der LPG gebaute Rinderstall komplett saniert. Es folgten 2011 und 2017 zwei Stallneubauten, ein dritter ist beantragt. (c) Archiv Helms
Gebaut wird bis heute. 1997 war der zehn Jahre zuvor noch von der LPG gebaute Rinderstall komplett saniert. Es folgten 2011 und 2017 zwei Stallneubauten, ein dritter ist beantragt. (c) Archiv Helms

Die machen sich gerade bemerkbar. 460 Milchkühe insgesamt sind es aktuell, mit Nachwuchs insgesamt 800 Tiere. An der Milchproduktion will der Familienbetrieb unbedingt festhalten. Auch wenn die Zeiten zwischendurch immer mal wieder schwierig waren. „20 Cent für den Liter Milch, das war der absolute Tiefpunkt. Das hat bei Weitem die Produktionskosten nicht gedeckt. Aber einfach aufgeben wollten wir auch nicht. Und das war richtig“, erinnert sich Astrid Helms mit Hinweis darauf, dass sich die Situation aktuell am Milchmarkt verbessert habe.

Ehepaar Helms hat drei Kinder

Und ihre Tochter Marleen, gerade auf Lehrgang, wolle doch die Tierproduktion eines Tages unbedingt weiterführen. Und Lehrlinge ausbilden und am Ende auch prüfen. „Und unser Sohn den Pflanzenbaubereich, beide sind 29 bzw. 31“, schaut Ehemann Henning voraus. Um sogleich zu erklären, dass das mit der Übernahme noch Zeit habe. Aber planen sollte man schon mal, wie es eines Tages weitergeht. Wenn denn der eigene Ruhestand in Sichtweite kommt. Insgesamt hat das Ehepaar drei Kinder. „Alle sind hier groß geworden, alle sind hier in die Kita, in die Schule gegangen, haben hier ihre Freundinnen und Freude, sind rundum glücklich, kennen unsere ehemalige Heimat nur von Besuchen“, erklären die Eltern unisono.

Auch sie haben sich von Anfang an integriert, haben schnell Kontakt zu Nachbarn, zur Dorfgemeinschaft gefunden. Die Familie ist anerkannt, wie Einwohner bestätigen. Wenn es noch eines Beweises dafür bedarf: Henning Helms ist seit 2016 gewählter Bürgermeister d­er Gemeinde Jördenstorf. Gehmkendorf ist einer von fünf Ortsteilen. Gerade wurde ein Schulneubau auf den Weg gebracht. Kita und Dorfgemeinschaftshaus sollen folgen. Das bedeutet viele Absprachen, Sitzungen, Gespräche. Zeit, die Henning Helms, wie er selbst sagt, gern „opfert“.

Ehrenamtlicher Bürgermeister

Sich für die Gemeinschaft zu engagieren, ihr etwas zurückzugeben von dem, was man selbst erfahren habe, sei für ihn eine Selbstverständlichkeit. Auch viele andere Menschen würden sich engagieren. In Vereinen, im Sport-, im Kulturbereich. Nur so sei ein Zusammenhalt möglich. „Traurig nur, dass das nicht alle machen. Das finde ich schade“, gibt sich der ehrenamtliche Bürgermeister nachdenklich.

Um sich sogleich wieder um den eigenen Betrieb zu kümmern. Die Maisernte steht unmittelbar vor dem Abschluss. Insgesamt wird es am Ende wohl einmal mehr ein gutes Jahr sein, geht der Blick schon mal voraus. Und es haben sich Gäste angesagt. Seit Jahren gibt es vielfältige Kontakte ins Ausland. Erfahrungsaustausch, ein wichtiger Faktor für eine nachhaltige Weiterentwicklung des Familienbetriebes. Ein Känguru, aus einer Metallplatte geschnitten, in der Hofeinfahrt erinnert an einen Besuch aus Australien.

„Wir sind rundum glücklich“

Auf dem elterlichen Hof in Rümpel groß geworden, fachlich gut ausgebildet und ständig dazugelernt, nach der Wende der Umzug, der Neustart im mecklenburgischen Gehmkendorf. Und nun auch hier auf wesentlich größerer Fläche und mit deutlich mehr Tieren als daheim erfolgreich. „Es hätte nicht besser laufen können. Wir haben alles richtig gemacht, sind rundum glücklich“, zeigen sich Astrid und Henning Helms rundum zufrieden.

Und eines Tages, im Rentenalter, dann doch wieder zurück in die alte Heimat? Die Antwort kommt promtp: „Niemals! Wir haben jetzt hier unsere Wurzeln geschlagen. Hier bleiben wir. Das ist unsere neue Heimat. Die alte ist Geschichte. Mecklenburg-Vorpommern ist super schön. Adè, Schleswig-Holstein.“

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