Ökolandbau: Molkerei ohne Biomilch

Jetzt im Sommer werden die Kühe der Landgut Weimar Bio GmbH gegen 18 Uhr auf die Nachtweide getrieben. Am frühen Morgen kommen sie in den Stall zurück und erhalten eine Ration frisches Grünfutter. © Frank Hartmann
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Die diesjährige Ökoflurfahrt in Thüringen führte Landwirtschaftsminister Hoff zu den Mühen während der Umstellung auf Ökolandbau. Branchenvertreter befürchten, der Ökolandbau könnte zum Verlierer der GAP werden.

Es ist paradox: Zum einen klagt die Ökobranche im Freistaat seit Jahren, dass zu viele Rohstoffe Thüringen verlassen, weil die Verarbeitung im Land fehlt. Zum anderen gibt es mit der Herzgut Landmolkerei eG in Rudolstadt seit 2018 einen Abnehmer und Verarbeiter von Biomilch, dem der Rohstoff fehlt. Das Dilemma der Genossenschaftsmolkerei, die anstrebt, mittelfristig 75 % ihrer jährlichen Verarbeitungskapazität von 50 Mio. kg in Bioprodukte zu veredeln, ist, dass es kaum Biomilchbetriebe im Land gibt. Die Landwirtschaftszählung 2020 hat gerade einmal 21 Biomilchkuhhalter mit 1.226 Milchkühen erfasst. 15 dieser Betriebe sind spezialisierte Milcherzeuger.

Für Herzgut bedeutet dies, dass die Molkerei derzeit nur zwei Biomilchlieferanten hat: ein Betrieb aus Sachsen und einer aus Sachsen- Anhalt. Verarbeiten kann die Molkerei somit täglich lediglich 30.000 Liter Biomilch, berichtete Geschäftsführerin Rita Weimann anlässlich der Flurfahrt des Thüringer Ökoherz mit Agrarminister Benjamin-Immanuel Hoff.

Mit Vertretern des Dachverbandes und von Anbauverbänden diskutierte Hoff vorige Woche die zähe Entwicklung des Ökolandbaus in Thüringen. 441 landwirtschaftliche Betriebe bewirtschafteten 2020 eine Fläche von 54.367 ha, die Hälfte davon Grünland, ökologisch. Seit fünf Jahren wächst diese Produktionsrichtung zwar stetig, bleibt aber mit einem Anteil von 7,1 % weit hinter den meisten Bundesländern zurück. Die Tierproduktion spielt, mit Ausnahme der Mutterkuhhaltung (177 Betriebe; 8.363 Mutterkühe), so gut wie keine Rolle.

Thüringens Agrarminister Benjamin-Immanuel Hoff schneidet einen Biokäse in Herzform an
Einen Biokäse in Herzform gab es bei der Herzgut-Molkerei zur Pausenversorgung der Flurfahrtteilnehmer (v. l.): Anschnitt durch Minister Hoff, Geschäftsführerin Weimann und Mitarbeiter Stefan Ritter. © Ökoherz

Marktüblicher Biopreis

Die Herzgutmolkerei arbeitet nach Bioland-Kriterien und kann somit auch Milch aus Gäa-Betrieben verarbeiten, da die Verbände ihre Standards gegenseitig anerkennen. Wie Rita Weimann berichtete, orientiert sich die Molkerei beim Auszahlungspreis am monatlich ermittelten Bioland- Preismittel. Im Mai lag der Wert bei 48,4 ct/kg netto (4,0 % Fett; 3,4 % Eiweiß; inkl. Zu- und Abschläge), Tendenz leicht steigend.

Neben der Produktion für die Eigenmarke der Kette „Denns Bio-Markt“ produziert Herzgut unter eigenem Namen etwa Biokäse und Biofrischmilch. Der Vertrieb dieser Bioprodukte erfolgt über Bioläden, aber auch über den Naturkost- Großhandel in Erfurt. Daneben fand man italienische Abnehmer für das Biomagermilch- Konzentrat. Weimann vergaß nicht zu erwähnen, dass man den konventionellen Lieferanten Zuschläge von rund 5 ct/kg Milch für die Herzgut-Premiummilch (extra Rapsfütterung), Milch unter dem Tierschutzlabel „Für Mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes oder Weidemilch zahle.

Betriebssleiterin Hannah Scharfstädt erläutert Minister Hoff die Abläufe, die die Bioumstellung von Kühen und Mitarbeitern abverlangt.
Betriebsleiterin Hannah Scharfstädt, die seit Mai 2021 in Holzdorf arbeitet, erläutert Minister Hoff die Abläufe, die die Bioumstellung von Kühen und Mitarbeitern abverlangt. © Frank Hartmann

In Aussicht hat die Molkerei kleinere Thüringer Biomilchlieferanten für das Jahr 2022, sobald diese ihre Umstellung absolviert haben. Bereits ab diesem November wird Biomilch aus Weimar nach Rudolstadt geliefert. Die Landgut Weimar eG mit Sitz in Holzdorf gründete im März 2020 eine Bio GmbH aus, die am Standort Schoppendorf gut 130 melkende Kühe betreut und 230 ha, davon 130 ha Grünland, bewirtschaftet. Für Vorstandschefin Sylvia Gengelbach war die Abnahme der Milch durch die Herzgut-Molkerei ein entscheidendes Kriterium, die Umstellung nach Gäa-Richtlinien zu wagen. Die Molkerei kommt dem Betrieb entgegen und zahlt in der Umstellungszeit für die Weidemilch einen zusätzlichen Bonus von 2 ct/kg.

Beim Besuch der Flurfahrtteilnehmer machte Gengelbach klar, dass die Umstellung eine enorme Investition darstellt. Zwar musste man nicht den Stall umbauen, aber beispielsweise Geld in Futterbautechnik oder die Weidehaltung stecken. Die Zeit der Umstellung koste richtig, als Tierhalter erhalte man aber über die Ökoflächenprämie im Kulap hinaus keine Umstellungshilfen. Damit traf die Vorstandsvorsitzende einen wunden Punkt, der den Minister aufhorchen ließ. Gengelbach machte überdies deutlich, dass die 48 ct Biomilchpreis nicht ausreichen. Mit Milchtankstelle oder Kooperationen mit dem örtlichen Lebensmittelhandwerk strebe man mit einer Mischkalkulation über 50 ct/kg an. Dem konnte Andreas Baumann, Chef des Ökozentrums Werratal und Vorsitzender des Ökofachausschusses des TBV, nur beipflichten. Die zögerliche Umstellungsbereitschaft der Betriebe, gerade jener mit Tierhaltung, verband der erfahrene Biolandwirt mit der stetig angespannten Liquiditätslage vieler konventioneller Betriebe. Denn die Betriebe wüssten, dass die Umstellung teuer und nicht ohne Risiko ist.

Ökolandbau: Verlierer der GAP?

Das Ökoherz und mit ihm 14 Unternehmen und Verbände der Biobranche nahmen die Flurfahrt zum Anlass, Minister Hoff ein Forderungspapier zu übergeben. Sie erwarten etwa, dass der Ökolandbau zur Chefsache gemacht wird. Des Weiteren müssten Anreize, auf eine ökologische Wirtschaftsweise umzustellen, deutlich ausgebaut werden. In der Diskussion mit Hoff äußerten die Branchenvertreter ihre große Sorge, dass der Ökolandbau zum Verlierer der GAP-Reform werden könnte. Den Biobetrieben drohe, bei der Förderung über die Ökoregeln in der Ersten Säule leer auszugehen. Zugleich blockierten die Ökoregeln einkommenswirksame Angebote in der Zweiten Säule. fh


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