Land unter heißt es rund um die Rögnitz – so wie hier nahe Jessenitz. © Henning Sühr

Totalausfall droht: Rögnitz-Hochwasser gefährdet Ernte und Existenzen

4.000 ha Ackerland unter Wasser: Der Zustand einiger Flächen im Südwesten von Mecklenburg-Vorpommern ist nach Hochwasser der Rögnitz katastrophal. Der Grund: Die Pflege des angrenzenden Flusses Rögnitz fehlt. Landwirte kämpfen für ihr Recht.

Von Stefanie Lanin, Nicole Gottschall

Einzelne Maisstangen, die seit Herbst nicht geerntet werden konnten, nicht beerntbare Grünlandflächen, im nassen Boden verfaulte Kartoffeln und Wintergerste, die nur vom Feldrand aus wie in Fransen geerntet wurde, weil der Mähdrescher selbst mit Kettenantrieb mal nach 70, mal schon nach 50 Metern einsank – das Bild, das sich derzeit auf den Äckern rund um die Rögnitz bietet, ist katastrophal.

Landwirte im Krisenmodus: „Wir reden hier über Totalausfall der Ernte“

Rund 4.000 ha stehen unter Wasser oder sind so stark durchfeuchtet, dass sie nicht bewirtschaftet werden können. „Wir reden hier über einen Totalausfall der Ernte“, beschreibt Tim Schmüser, Vorsitzender des Bauernverbandes Ludwigslust.

Gemeinsam mit betroffenen Landwirten fand daher Mitte Juli vor Ort ein Krisen-Gespräch statt. Mit Vertretern der Wasser- und Bodenverbände von mecklenburgischer und niedersächsischer Seite, des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt sowie der Fachdienstleiterin Umwelt aus dem Landkreis Ludwigslust-Parchim diskutierten sie die Problematik.

Mahd auf Grünlandflächen unmöglich

Zu lange wird die Rögnitz in Mecklenburg und Niedersachsen nicht mehr sorgfältig unterhalten und gepflegt. Dadurch habe sich Sediment in riesigen Größenordnungen angesammelt und die Breite von anfänglich sieben Meter auf etwa drei Meter zu einem Trichter verengt, beschreibt Schmüser.

Starkniederschläge brächten den Fluss zum Überlaufen. Bis weit ins Land werde das Wasser gedrückt, sodass zwei Kilometer entfernte Äcker unter Wasser stehen und selbst 30 km entfernte Flächen noch betroffen sind. „Es gibt Grünlandflächen, auf denen keine Mahd erfolgen kann, Stellen, an denen nicht mal der erste Schnitt eingefahren ist“, ergänzt Dr. Manfred Leberecht, Vizepräsident des Landesbauernverbandes.

Landwirte fordern grundlegenden Ausbau der Rögnitz

Was Abhilfe schaffen würde, sei klar: „Die Rögnitz muss wieder in Schuss gebracht werden – mit einem grundlegenden Ausbau, Sedimententnahme, Entkrautung und konsequenter Pflege“, so Leberecht. Grundsätzlich waren sich darin alle Teilnehmer des Krisengespräches einig.

Dem entgegen stehen allerdings die Pläne der drei beteiligten Biosphärenreservate, die der Einladung zum Gespräch nicht gefolgt waren. „Es ist ein Konflikt zwischen Natur- und Umweltschutz sowie Wasserwirtschaft. Und letztlich geht es um das Leben und Wirtschaften im ländlichen Raum“, bringt es der Vizepräsident auf den Punkt.

Existenzängste im ländlichen Raum: „Wir sind diejenigen, die hier leben“

Landwirt Henning Sühr, der selbst mit rund 350 ha betroffen ist, kritisiert den Umgang mit diesem Konflikt. „Ich bin sehr erschrocken darüber, wie mit den Leuten hier vor Ort umgegangen wird“, so Sühr. „Früher gab es Kompromisslösungen, heute geht der Naturschutz einfach ganz klar vor. Ich habe das Gefühl, dass hier einige wenige Menschen Entscheidungen durchdrücken, die ganz viele betreffen. Aber wir sind doch diejenigen, die hier leben.“

Rögnitz Hochwasser: Mais und Lupinen im Wasser, Pacht trotzdem fällig

Bei ihm steht Mais auf den betroffenen Flächen. „Aber auch der ist schon wieder im Wasser“, erläutert der Landwirt die Situation. Am schlimmsten seien durch das Hochwasser der Rögnitz seine Lupinen betroffen. Nicht nur die Ernte fällt aus, auch die Anforderungen für die Agrarförderung können nicht erfüllt werden. Die Pacht hingegen wird dennoch fällig. „Im Prinzip ist das kalte Enteignung“, sagt Sühr, der im nächsten Schritt die Verpächter informieren wird und sich auch den Klageweg offenhält.

Sofortmaßnahme beschlossen: Amphibienfahrzeug soll Rögnitz entkrauten

Bereits 2017 hatten Landwirte und Bauernverband vehement Lösungen eingefordert, 2018 erfolgte daraufhin die bisher letzte Sedimententnahme.

In einem weiteren Gespräch zur Zukunft der Rögnitz, das Mitte Juli im Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt MV gemeinsam mit Vertretern der Biosphäre, dem BUND und dem Neuhauser Deich- und Unterhaltungsverband stattfand, wurde nun eine Sofortmaßnahme besprochen. Mit einem Amphibienfahrzeug soll der Fluss komplett gekrautet werden, berichtet Schmüser. Doch ohne nachhaltige Senkung der Pegelstände durch Sedimententnahme und Erhöhung der Fließgeschwindigkeit werde der Effekt dieser Aktion schnell verpuffen, warnt er.

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