Ährenernte beim Winterweizen: Strippen für den Feldhamster
Landwirt Eicke Zschoche setzt teils auf die Ährenernte beim Winterweizen – zum Wohl des stark gefährdeten Nagers. Das Umweltressort unterstützt hamsterfördernde Maßnahmen nun finanziell.
Mit nahezu doppelter Fahrgeschwindigkeit als allgemein üblich zog Eicke Zschoche am 28. August 2023 mit dem Mähdrescher einige Bahnen im Winterweizen. Der an der Front des Case IH 7088 angebaute Stripper streifte lediglich die Ähren ab, die dann im Inneren der Rotormaschine ausgedroschen wurden. Den Schlag hatte der Landwirt aus Repau bei Köthen bereits 14 Tage zuvor weitestgehend abgeerntet. Zu Demonstrationszwecken war aber ein Streifen stehengeblieben.
Denn für jenen Montag hatte sich Landesumweltminister Armin Willingmann angekündigt. Der SPD-Politiker wollte sich vor Ort über Maßnahmen zum Hamsterschutz informieren. Zu dem Termin in der Feldflur bei Prosigk im Landkreis Anhalt-Bitterfeld waren auch Vertreter/-innen beteiligter Naturschutzverbände und berufsständischer Organisationen gekommen.
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Ährenenrte und HAmsterschutz: Aus eigenem Antrieb
Um das Wohl des Feldhamsters kümmert sich Zschoche, der seinen Betrieb 1991 als Quereinsteiger wieder einrichtete, bereits seit 20 Jahren – aus eigenem Antrieb und der Erkenntnis heraus, „dass in der Natur alles miteinander zusammenhängt“. Gleichwohl wissend, dass sich Ökonomie und Naturschutz nur sehr schwer zusammenbringen lassen. „Gewinnmaximierung oder Hamsterschutz – es geht nur eins“, sagt der Unternehmer. Für ihn gelte, wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen, sich eigene Ziele zu setzen, eigene Wege zu gehen.
Zschoche, der 365 ha Land, zumeist Acker, bewirtschaftet, kann inzwischen auf 15 Jahre Erfahrungen mit dem Einsatz des Strippers, der wie ein rotierender Kamm arbeitet, zurückgreifen. Den Erntevorsatz aus dem Hause Agco setzt er in der Regel im Winterweizen ein, teils auch bei der Ernte von Grassamen und Körnererbsen. Die Wintergerste komme hierfür nicht infrage, weil deren Stroh für das Rote Höhenvieh im Betrieb gebraucht wird, sagt er.
Beim Weizen konzentriert sich die Ährenernte vor allem auf Flächen mit Hamstervorkommen. Die stehenbleibenden Halme bieten dem Nager Schutz, etwa vor Greifvögeln. Sie schützen den Boden aber auch vor zu starker Austrocknung, nennt der Landwirt einen weiteren Aspekt. Allerdings habe dieses Ernteverfahren auch Nachteile, räumt er ein. Eine Herbstkultur komme als Nachfrucht kaum infrage. Das bedeute, eine weniger lukrative Sommerung anzubauen. Dazwischen bedeckt eine Winterzwischenfrucht den Acker. Diese werde in Direktsaat in den Boden eingebracht. Hinsichtlich der auf die Ährenernte folgende Technologie zur Flächenbearbeitung brauche es weitergehende Lösungen, erklärt er.
Schutz des Feldhamsters: Ausgleich für Aufwand
Den Mehraufwand für den Hamsterschutz bekommt Zschoche jetzt teilweise ausgeglichen. Das Umweltministerium unterstützt in diesem Jahr mit knapp 400.000 € Landesmitteln zwei Projekte, die in vier Regionen des Landes umgesetzt werden. Dies sind das Köthener Ackerland, wo Zschoche wirtschaftet, das südliche und das nördliche Harzvorland sowie die Magdeburger Börde. Für 2024 soll die Gesamtsumme laut Haushaltsplanentwurf auf 600.000 € steigen, kündigte Armin Willingmann vor Ort an.
Sein Umweltressort wolle den Schutz des Feldhamsters verstärken, dabei auch neue Wege gehen. Ging es bislang vor allem darum, mögliche Eingriffe in den Lebensraum der vom Aussterben bedrohten Nagetiere zu vermeiden, sollen die hiesigen Populationen künftig gezielt gestärkt werden. Im Fokus stehe hierbei eine auf die Bedürfnisse des Feldhamsters ausgerichtete Bewirtschaftung der Landwirtschaftsflächen.
Die Ährenernte beim Getreide etwa biete dem Feldhamster während seiner oberirdischen Hauptaktivitätszeit von Mai bis September ausreichend Nahrung und Deckung. Im Rahmen der zur 2023er-Getreideernte gestarteten Projekte würden daneben auch Ernteverzicht auf Teilflächen oder ein späterer Stoppelumbruch unterstützt.
Gemeinsam mit den Landwirten
Willingmann sagte: „Der Schutz des Feldhamsters gelingt nur gemeinsam mit den Landwirten.“ Es gelte, möglichst viele Bauern in den Schwerpunktregionen dafür zu sensibilisieren, dass der einstmals verfolgte Getreideschädling heute vor dem Aussterben steht und daher auch in Sachsen-Anhalt Hilfe zum Überleben braucht. Mit den jetzt angeschobenen Projekten soll der kritische Erhaltungszustand des Feldhamsters stabilisiert und langfristig verbessert werden. Dafür seien in den nächsten Jahren weitere, abgestimmte Fördermaßnahmen erforderlich.
Die beiden Projekte zum Schutz des Feldhamsters setzen jeweils federführend die Deutsche Wildtier Stiftung („Ackern für den Feldhamster“) bzw. die Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt („Maßnahmen zur Bestandsförderung des Feldhamsters in ausgewählten Schwerpunktgebieten Sachsen-Anhalts“) um. Dabei erfolgen auch Erhebungen zu Feldhamstervorkommen in den Regionen.
Christian Apprecht von der Stiftung Kulturlandschaft informierte über die hierzu gemeinsam mit dem Landesverband des Bundes für Naturschutz Deutschland (BUND) und dem Landschaftspflegeverband Grüne Umwelt geschmiedete Allianz zum Feldhamsterschutz. Trotz der erst Anfang Juli ergangenen Förderzusage hätten kurzfristig sechs Landwirtschaftsbetriebe für das hamsterfördernde Wirtschaften gewonnen und gebunden werden können. Ausschlaggebend für die Kooperation der Praxis seien eine einfache, unbürokratische Umsetzung der Maßnahmen sowie eine unkomplizierte Abwicklung des Mehraufwandausgleiches.
Feldhamster Auf der Roten Liste
In den vier Regionen im Land würden auf rund 84 ha niedrigschwellige Maßnahmen (u. a. Anlage von Strukturstreifen, Ährenernte ohne Ernteverzicht) und auf fast 53 ha Intensivmaßnahmen (z.B. Ährenernte mit teilweisem Ernteverzicht, kompletter Ernteverzicht, Anlage von Feldhamsterkernflächen mit Mutterzellen) umgesetzt.
Der Feldhamster steht seit 2004 auf den Roten Listen des Landes, seit 2020 ist er auch weltweit so eingestuft. Da Sachsen-Anhalt mit seinen tiefgründigen Ackerböden noch ein vergleichsweise großes Verbreitungsgebiet bietet, hat das Land besondere Verantwortung für die Zukunft des Feldhamsters.
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