Agrarstrukturgesetz auf dem Weg
Die Koalitionsfraktionen in Sachsen-Anhalt haben jetzt einen Gesetzentwurf zum Agrarstrukturgesetz in Landtag eingebracht. Darin wurden die Regularien zum Grundstücksverkehr überarbeitet, und der Erwerb von Unternehmensanteilen wird zustimmungspflichtig.
Wider Erwarten haben die regierungstragenden Fraktionen von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen kurz vor Ende der laufenden Wahlperiode den Entwurf eines Agrarstrukturgesetzes (ASG) für Sachsen-Anhalt vorgelegt. Dieser wurde am Donnerstag (nach Redaktionsschluss der Ausgabe 47) im Landtag in erster Lesung behandelt. Das Agrarstrukturgesetz soll der Abwehr von Gefahren und erheblichen Nachteilen für die Agrarstruktur (Land- und Forstwirtschaft) dienen und die Funktionsfähigkeit ländlicher Räume, insbesondere den Erhalt der Wertschöpfung dort, sichern, so die Fraktionen.
Zahlreiche Ziele in der Bodenpolitik
Das Regelwerk gliedert sich in acht Teile: allgemeine Vorschriften, Grundstücksverkehr, Siedlungsrecht, Landpachtverkehr, Erwerb von Unternehmensbeteiligungen, Verfahren, Zwangsmittel und Ordnungswidrigkeiten sowie Übergangs- und Schlussvorschriften. Umgesetzt werden sollen mit dem Agrarstrukturgesetz folgende bodenmarktpolitischen Ziele:
■Erhalt bestehender und Neugründung bäuerlich geprägter Landwirtschaftsbetriebe im Haupt- und Nebenerwerb,
■Förderung einer breiten Streuung des Eigentums an Grund und Boden unter Einschluss auch ortsansässiger Nichtlandwirte,
■Vermeidung marktbeherrschender Positionen auf regionalen Bodenmärkten,
■Unterbindung von Boden- und Preisspekulationen,
■Vorrang für ortsansässige Landwirte bei Bodenkauf und -pacht,
■Begrenzung des Anstieges von agraren Kauf- und Pachtpreisen,
■Vorrang für eine landwirtschaftliche Nutzung der Agrarflächen,
■Verbesserung der Informationslage und der Markttransparenz.
Damit soll die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt gesichert werden, heißt es. Der Boden als knappes und nicht vermehrbares Wirtschaftsgut rechtfertige Maßnahmen zum Schutz vor regional zu beobachtender Konzentration, die zu einer Einschränkung des Wettbewerbes führen kann. Die dazu in diesem Gesetz festgelegten Grenzwerte orientierten sich an den Verhältnissen in Sachsen-Anhalt. Möglichst vielen landwirtschaftlichen Betrieben solle die Weiterentwicklung ermöglicht werden, um ihnen auch in Zukunft eine faire Chance beim Zugang zu Bodenkauf und -pacht zu gewährleisten.
In ihrer Begründung zum Gesetz verweisen die einbringenden Fraktionen auf den seit der Jahrtausendwende zu verzeichnenden erheblichen Anstieg der Boden- und Pachtpreise im Land. Diese Entwicklung gehe auch auf zunehmendes Interesse am Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen zum Zwecke der wertstabilen Vermögensanlage zurück. Sei Letzteres primäres Ziel des Bodenkaufs, entstünden daraus Gefahren für die Agrarstruktur. In diesen Fällen werde das Eigentum vor Ort wirtschaftenden landwirtschaftlichen Betrieben entzogen. Der Bodenerwerb zum Zweck der Kapitalanlage erfolge vor allem durch Käufe von Anteilen an Landwirtschaft betreibenden Gesellschaften (sogenannte Share Deals). Diese unterlägen bislang nicht den Regelungen des bis dato geltenden Grundstückverkehrsgesetzes.
Das führe zu einer schleichenden Delegitimierung des geltenden Rechts, da mittelbar über den Anteilskauf zum Teil erhebliches Bodenvermögen veräußert werde. Das führe zur Bildung von Holdingstrukturen mit beträchtlichen Flächenumfängen, deren Bewirtschaftung in immer geringerem Maß durch die vor Ort lebende ländliche Bevölkerung erfolge. Dadurch entferne sich die Landwirtschaft auch zunehmend von den dörflichen Strukturen vor Ort.
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Anteilskäufe künftig einbeziehen
Regionale Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Steueraufkommen gingen verloren. Deshalb würden im vorliegenden Gesetzentwurf Regelungen zur Einbeziehung des Anteilskaufes vorgenommen, um gravierende Fehlentwicklungen in der Agrarstruktur zu vermeiden. Ohne Einbezug dieser Fälle sei das Umgehen der gesetzlichen Regelungen des Grundstückverkehrsgesetzes möglich, was zugleich eine Ungleichbehandlung wirtschaftlich vergleichbarer Rechtsgeschäfte darstelle.
Um Einschränkungen auf den Erwerb von Gesellschaftsanteilen so gering wie möglich zu halten, sei als Sanktion jedoch keine Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, sondern eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit vorgesehen. Die Geldbuße könne bis 1 Mio. € (und mehr) betragen und soll den wirtschaftlichen Vorteil eines ungenehmigten Erwerbs übersteigen.
Alle Pachtverträge sind anzuzeigen
Zum Landpachtverkehr: Verpächter haben den Abschluss bzw. die Änderung eines jeden Landpachtvertrages (auch < 1 ha) binnen eines Monats bei der Grundstücksverkehrsbehörde anzuzeigen. Diese kann den Vertrag beanstanden, wenn zum Beispiel die Pacht nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ertrag steht, der bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nachhaltig zu erzielen ist. Der Genehmigungs- und Anzeigepflicht komme ein hoher general präventiver Effekt zu. Viele Betriebe im Land seien auf die Pacht von Flächen angewiesen. Die je Hektar erzielten Gewinne reichten in der Regel nicht aus, um den Kapitaldienst für die Finanzierung eines Bodenkaufs aus der landwirtschaftlichen Produktion zu erwirtschaften, zu dessen Preisbildung wesentlich auch außerlandwirtschaftliche Interessen der Kapitalanlage beigetragen haben.
Bei Zuwiderhandlungen gegen die gesetzlichen Vorschriften könne die Behörde ein Zwangsgeld bis 5.000 €, im Wiederholungsfall bis 10.000 €, verhängen. Im Fall von Ordnungswidrigkeiten seien Bußgelder bis 100.000 € möglich (bei Anteilskäufen bis 1,0 Mio. €).
Landesamt wird für Share Deals zuständig
Im Falle des Versagens eines Grundstückserwerbs habe das Siedlungsunternehmen des Landes, die Landgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH, das Vorkaufsrecht. Sie habe diese Grundstücke innerhalb von zehn Jahren nach Erwerb vorrangig zur Verbesserung der Agrarstruktur zu verwenden, insbesondere zur Unterstützung leistungsfähiger Landwirte, die dringend Grundstücke zur Aufstockung ihres Betriebes benötigten. Der revolvierende Bodenfonds bei der Landgesellschaft soll einen Umfang von mindestens 20.000 ha haben. Grundstücksverkehrsbehörden bleiben die Landkreise und kreisfreien Städte, für den Erwerb von Unternehmensanteilen soll das Landesverwaltungsamt zuständig werden. Die gerichtliche Überprüfung von deren Entscheidungen soll für alle Verfahren den Landwirtschaftsgerichten obliegen.
Beschluss des Gesetzes noch im Frühjahr?
Wie geht es weiter? Nach erster Lesung im Landtag werden sich die Fachausschüsse mit dem Gesetz befassen und schließlich eine Beschlussempfehlung für das Parlament erarbeiten. Eine Anhörung der Verbände ist dem Vernehmen nach für Anfang 2021 geplant. Das Agrarstrukturgesetz könnte dann nach zweiter Lesung im Frühjahr von den Abgeordneten beschlossen werden. Das Plenum kommt im April letztmalig zusammen, bevor am 6. Juni 2021 der Landtag neu gewählt wird.
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