Dramatische Waldschäden in Sachsen-Anhalt

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Sachsen-Anhalts Agrarministerium legt die Zahlen zu Folgen von Dürre, Stürmen und Käferfraß für die Forstwirtschaft vor. Das Ergebnis: Die Waldschäden in Sachsen-Anhalt als einem der am stärksten betroffenen Bundesländer hätten ein „historisches Ausmaß“ angenommen. Ihre Beseitigung bedürfe erheblicher gesellschaftlicher und privater Anstrengungen.

Von Detlef Finger

Stürme, Trockenheit und Käferplagen setzen Sachsen-Anhalts Wäldern seit 2018 massiv zu. 24.550 ha, also 5 Prozent der Gesamtwaldfläche, sind deswegen kahl. Die Blößen, davon 19.000 ha im Harz, betreffen je zur Hälfte Nichtstaatswald bzw. Landesforsten. Knapp zwölf Millionen Erntefestmeter (Efm) Schadholz fielen an, darunter 10,7 Mio. Efm Nadel- und 1,3 Mio. Efm Laubholz.

Den Waldbesitzern entstand in den vergangenen drei Jahren ein Gesamtschaden von geschätzten 566 Mio. Euro. Gut 541 Mio. Euro entfallen auf Verluste infolge des vorzeitigen Holzeinschlags, geminderte Roherlöse aufgrund des Holzpreisverfalls sowie erhöhte Ernte- und Transportkosten. Beim Wiederaufforsten schlagen wegen der schadensbedingten Teuerung fast 25 Mio. Euro Zusatzkosten zu Buche. Der Gesamtaufwand für das Aufforsten aller Kahlflächen beträgt rund 147 Mio. Euro (ca. 6.000 €/ha).

Doppelte Fläche kahl?

Diese Zahlen nennt das Umweltministerium in der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Hannes Loth. Der forstpolitische Sprecher der AfD-Fraktion geht davon aus, dass sich der Umfang der Kahlflächen – wie vom Waldbesitzerverband eingeschätzt – verdoppelt, weil „kleineren Schäden“ nicht erfasst sind.

Nicht aufgeführt habe das Ministerium den ökologischen Schaden, der dem wirtschaftlichen noch zuzurechnen wäre. In einer Pressemitteilung mutmaßt Loth, dass diese Bewertung durch Ministerin Claudia Dalbert „ bewusst nicht erfolgt“. Schließlich komme der Verlust der unerwünschten „Fichten- und Kiefernmonokulturen“ den Zielen grüner Forstpolitik „offenbar ganz gelegen“.

„Folge der Klimakrise“

Die Forstministerin hatte dazu Anfang Februar eine Regierungserklärung im Landtag abgegeben. Thema: „Für die Wälder der Zukunft: Was wir jetzt tun müssen“. Die Grünen-Politikerin sprach von einer „Extremsituation“ als Folge der Klimakrise, in der sich die Forstwirtschaft seit 2017 befinde. Forstleute, Waldbesitzende und Forstunternehmen seien seither im Ausnahmezustand und arbeiteten an ihrer Belastungsgrenze.

Die Waldschäden in Sachsen-Anhalt als einem der am stärksten betroffenen Bundesländer hätten ein „historisches Ausmaß“ angenommen. Deren Beseitigung bedürfe erheblicher gesellschaftlicher und privater Anstrengungen.

WBV: Forderungen an die Landesregierung

■ Bekenntnis zur nachhaltigen Forstwirtschaft und der Sicherung der Ökosystemleistungen des Waldes,
■ Zusammenarbeit mit Waldbauern und anerkannten Forstwissenschaftlern,
■ Unterstützung der künftigen Honorierung der Klimaschutzleistungen des Waldes aus der CO2-Bepreisung (CO2-Steuer),
■ Ernst zu nehmende Entbürokratisierung und Verbesserung der forstlichen Förderung,
■ Bildung eines ressortübergreifenden Krisenstabes zur Wiederbewaldung des Landes.

Forstliche Förderung

Nach Ansicht Dalberts hat der Mensch auch durch „Fehler bei der Baumartenwahl“ zur gegenwärtigen Situation beigetragen. Mit Monokulturen seien frühere Generationen „ein Stück weit bewusst ins Risiko gegangen“, um möglichst hohe finanzielle Erträge zu generieren. Mit der Klimakrise hätten sich die Karten noch einmal neu gemischt. Es gelte nun, aus früheren Fehlern zu lernen.

Der Wald der Zukunft benötige heute breit angelegte Hilfe. Die forstliche Förderung in Sachsen-Anhalt umfasse sechs Programme. Unterstützung beim Bewältigen der Waldschäden durch die Extremwetterereignisse und für den anstehenden Waldumbau böten insbesondere die 2019 neu gestarteten Richtlinien „Waldschutz“ und „Forst“. Bis Jahresende 2020 seien hierüber 15 Mio. Euro Bundes- und Landesmittel ausgezahlt worden – so viel wie noch nie. Auch in den Jahren 2021, 2022 und 2023 sollen für diese beiden zentralen Förderrichtlinien jährlich rund 17 Mio. Euro bereitgestellt werden.

Waldumbau nötig

Finanzielle Hilfen allein lösten die Probleme aber nicht. Jetzt und in Zukunft müsse mit den richtigen Baumarten gearbeitet und der Wald für mehr Klimastabilität strategisch auf- und umgebaut werden. Das gelte auch für die großflächigen Wiederaufforstungen. Zukunftsfähig sei allein der eingeschlagene Weg des Waldumbaus hin zu mehrschichtig aufgebauten Mischwäldern. Durch die „Mehrbaumartenstrategie“ würden die Risiken für Waldbesitzende überhaupt erst wieder kalkulierbar.
Der Wald der Zukunft werde zu einem Teil auch Wildnisgebiet sein. 8,4 Prozent der Landesforsten seien bereits sich selbst überlassen. Diese „Reallabore des Naturschutzes“, so Dalbert, sollen noch in der laufenden Legislaturperiode auf 10 Prozent Flächenanteil anwachsen. Damit leiste das Land einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz.

Der Wald, der zu 90 Prozent aktiv bewirtschaftet wird, brauche zudem Ideen und Innovationen. Bei der stofflichen Holznutzung sei noch mehr möglich. Es brauche vorausschauendes Handeln, um die Wälder zukunftsfest zu machen. Dalbert: „Dabei sitzen Holzwirtschaft und Ökologie in einem Boot.“


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Hilfen vorenthalten

Der Waldbesitzerverband (WBV) hält der Landesregierung demgegenüber vor, den Waldbesitzern im Zeitraum 2016 bis 2019 – und damit in den Zeiten der schwersten Katastrophe – „in der Summe 24 Mio. Euro Forsthilfen vorenthalten bzw. umgeschichtet“ zu haben.

Der WBV stellte ferner fest, dass private Waldbesitzer, darunter viele Kommunen, ihre Wälder bereits seit mehr als 30 Jahren auf mehr Laubholz und Ökologie umstellen: „Der Waldumbau findet schon seit Langem statt. Dies gilt ganz besonders in Sachsen-Anhalt.“

Der Verband forderte die Landesregierung und die zuständige Fachministerin auf, diesen nachhaltigen Weg des Klimaschutzes und der Waldbewirtschaftung zu unterstützen, statt „auf die weitflächige Ausweisung von sich selbst überlassenen Waldgebieten wie im Nationalpark Harz zu setzen“. Der WBV formulierte dazu fünf konkrete Forderungen (Kasten).

Waldschäden: Nur Hand in Hand

Der CDU-Abgeordnete Bernhard Daldrup, Vorsitzender des Forstausschusses des Landtages, kommentierte Dalberts Rede so: „Unser Wald stirbt nicht erst seit gestern.“ Seit Anfang 2018 weise seine Fraktion den grünen Koalitionspartner „gebetsmühlenartig“ darauf hin, was die Konsequenz aus nicht erfolgter Beräumung des Totholzes und reduzierter Stellenzahl im Forst sei. Angesichts der mittlerweile massiven Waldschäden sei diese „Blockadehaltung“, rückblickend betrachtet, „mehr als fragwürdig“, sagte Daldrup.

Die Waldkatastrophe sei nur Hand in Hand zu bewältigen. Dass die Fraktion der Grünen und die zuständige Ministerin „endlich Einsicht und Verantwortungsbewusstsein zeigen“, sei erfreulich. „Inwiefern dies den Weg für eine Waldpolitik mit Zukunft bereitet, wird sich aber noch zeigen.“