Agrargenossenschaften: Allen Widerständen getrotzt
Auf ihr 30-jähriges Bestehen blicken viele Agrargenossenschaften im Land zurück, die im gleichaltrigen Fachprüfungsverband von Produktivgenossenschaften in Mitteldeutschland organisiert sind.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands hätten viele mit einer flächendeckenden Wiedereinrichtung bäuerlicher Betriebe gerechnet, nur wenige hingegen mit Nachfolgemodellen für die vormaligen LPG. Gegenwind sei vor allem aus der westdeutschen Verbändelandschaft gekommen.
Trotz aller Widerstände hätten die Betriebe an das Genossenschaftsmodell geglaubt. „Heute sind die Agrargenossenschaften fester Bestandteil der Agrarstruktur in den ostdeutschen Bundesländern“, sagte die langjährige Vorstandsvorsitzende des Fachprüfungsverbandes von Produktivgenossenschaften in Mitteldeutschland (FPV), Dr. Cornelia Wustmann, Anfang September auf der Mitgliederversammlung des Verbandes in Garitz. Allerdings gab sie zu bedenken, habe erst 1997 im Vorstandsbericht eine gelungene Umstrukturierung konstatiert werden können.
30 Jahre FPV: Stabile Mitgliederzahl
Wustmann, die seit 1991 im Verband tätig war und seit 2005 an dessen Spitze stand, war bereits zum 30. Juni dieses Jahres in den verdienten Ruhestand eingetreten. In ihrer Festrede zur Tagung, die nach den Verbandsregularien (Geschäftsbericht des neuen Vorstandsvorsitzenden, Matthias Stünz; Bericht des Beirates von Verbandspräsident Norbert Münch) ganz im Zeichen ihrer offiziellen Verabschiedung sowie des 30-jährigen Verbandsjubiläums stand, blickte die ehemalige Vorsitzende auf die Entwicklung des Verbandes und seiner Mitglieder seit den Anfängen 1991 zurück.
Der Fachprüfverband wurde am 20. Februar 1991 in Bernburg von Vertretern von 34 LPG gegründet. Hervorgegangen ist der FPV aus dem damaligen Landwirtschaftlichen Unternehmensverband Sachsen-Anhalts (LUV), der Mitte 1991 aufgelöst wurde.
Heute zählt der Fachprüfverband konstant über 220 Mitglieder, darunter gut 150 Agrargenossenschaften, die überwiegend (86 %) in Sachsen-Anhalt wirtschaften. Weitere zwölf Prozent sind Brandenburger Betriebe. Die stabile Mitgliederzahl verdeutliche das Vertrauen der Mitglieder in den FPV und die Kompetenz seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Ein stabiler Verband braucht stabile Mitgliedsbetriebe als Basis“, sagte Wustmann. Zuletzt habe sich die Lage durch die Witterung und gesetzliche Erschwernisse auch für die Agrargenossenschaften eingetrübt, was auch für den FPV nicht folgenlos geblieben sei.
Hinzu komme ein wachsender Druck von außen, etwa im Zuge der gesellschaftlichen Diskussion über die Landwirtschaft und den Klimawandel. Darüber hinaus stünden Genossenschaften aufgrund ihrer Betriebsgröße besonders im Fokus, nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit der sogenannten Massentierhaltung.
FPV: Dank an Verbündete
„Die Agrargenossenschaften kämpfen weiterhin um die Anerkennung ihrer Rechtsform bei politischen Entscheidungen“, machte Wustmann deutlich. Der FPV als Dienstleister und zugleich Interessenvertreter dieser Unternehmen brauche Verbündete auf agrarpolitischer Ebene und er habe sie auch, sagte Wustmann, die dies mit einem Dank an die berufsständischen Partnerverbände auf Landes- und Bundesebene für die langjährige gute Zusammenarbeit verband. Am Ende ihrer mit viel Beifall bedachten Festrede gratulierte Cornelia Wustmann dem Verband zum Jubiläum und auch dessen Mitgliedern, die in diesem Jahr oft ebenfalls ihr 30-jähriges Bestehen begehen.
Im Anschluss wurde die langjährige Vorstandsvorsitzende vom Verband feierlich aus ihrem Amt verabschiedet. „Sie kann messerscharf analysieren und zwischen den Zeilen lesen“, anerkannte Beiratsvorsitzender Norbert Münch, der zugleich Wustmanns ruhige Art beim Lösen von Problemen lobte. Sie habe den Vorsitz in für den FPV schwierigen Zeiten übernommen und sich in einer Männerdomäne durchsetzen müssen.
Engagierte Arbeit
Wustmann sei eine der ersten beiden weiblichen Fachausschussvorsitzenden im Deutschen Raiffeisenverband gewesen, erinnerte Guido Seedler, beim DRV in Berlinals Referent u. a. für Agrargenossenschaften zuständig. Auch er zollte Wustmann Lob und Anerkennung für ihre Arbeit und ihr Engagement. Sie habe dazu beigetragen, die Geschichte und Struktur der Agrargenossenschaften „in die Köpfe der Agrarpolitiker zu bringen“. Gemeinsam hätten die beiden Verbände diese Rechtsform landwirtschaftlicher Unternehmen, die – anders als ländliche Genossenschaften – Mehrfamilienbetriebe seien, in Brüssel erst bekanntgemacht. Wustmann habe es darüber hinaus auch vermocht, mit ihrem Wissen anderen die Geschichte der Landwirtschaft der DDR samt den damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen näherzubringen.
Wustmanns langjähriger Stellvertreter, Matthias Stünz, der seit dem 1. Juli 2021 in ihrer Nachfolge die Geschicke des Prüfverbandes als Vorstandschef lenkt, sagte, Wustmann habe das Bild des FPV seit 2005 geprägt. Sie habe sich unter den Verbänden stark engagiert und als „Verfechterin der Genossenschaften“ einen Namen gemacht. Als Betriebswirtschaftlerin habe sie maßgeblich den Kennzahlenkatalog und den Betriebsvergleich des FPV mit aufgebaut. Sie sei ein „Vorbild an Tatkraft, Fairness und Veantwortungsbewusstsein“. Ihre Zusammenarbeit im Vorstand sei von gegenseitiger Wertschätzung geprägt gewesen.
Für die gute Zusammenarbeit mit den anderen Berufs- und Fachverbänden im Land bedankte sich stellvertretend der Präsident des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt, Olaf Feuerborn. Er sagte, mit der Übernahme des Agrarressorts durch die Grünen im Jahr 2016 hätten sich die Verbände erst so richtig zusammengefunden. Dieser „Schock“ habe sie zusammengeschweißt, erinnerte Feuerborn u. a. an die prägende Leitbilddiskussion zur hiesigen Landwirtschaft. In diesem Zusammenhang stellte er Wustmanns „nüchterne politischen Analysen“ heraus.
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Neuer Vorstand
Die Geehrte selbst richtete einen herzlichen Dank an alle. Vor allem an die Mitgliedsbetriebe und Mitarbeitenden, Geschäftspartner und Verbände sowie besonders an ihren langjährigen Stellvertreter, Matthias Stünz. Dem neuen Vorstand, dem neben Stünz als neue Stellvertreterin Karina Nitz angehört, wünschte sie viel Erfolg. Norbert Münch stellte den Anwesenden die beiden Vorstände danach noch einmal vor. Im Namen des Verbandsbeirates sprach er ihnen dessen „vollstes Vertrauen“ aus.