West-Nil-Virus schlägt wieder zu
Sachsen-Anhalts Behörden warnen vor dem West-Nil-Virus. Dem Erreger, der von Stechmücken übertragen wird, fallen vor allem Vögel zum Opfer. Die Seuche befällt aber auch Pferde und kann selbst Menschen gefährlich werden.
Von Detlef Finger
In Sachsen-Anhalt sind im Juli die ersten beiden Fälle von Infektionen mit dem West-Nil-Virus (WNV) in diesem Jahr amtlich festgestellt worden. Betroffen davon sind nach Angaben des Landesamtes für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt (LAV) Vögel: eine Alpendohle in Halle (Saale) sowie ein Uhu in Bernburg. Zwei weitere Nachweise des Erregers, der von normalen Stechmücken übertragen wird, hatte es in diesem Monat in Berlin und Thüringen gegeben – bei einer Blaumeise beziehungsweise bei einer Schneeeule im Erfurter Zoopark.
Damit konzentrieren sich die bisherigen Fälle von Infektionen mit dem West-Nil-Virus wie schon in den beiden Vorjahren in der östlichen Mitte Deutschlands. Von 88 in der gesamten Bundesrepublik im Jahr 2019 festgestellten Infektionen entfielen 29 auf Sachsen-Anhalt. Zwölf davon betrafen Vögel, allerdings infizierten sich landesweit auch 17 Pferde mit dem gefährlichen Virus.
West-Nil-Virus seit 2018 in Deutschland
Das West-Nil-Virus ist ein Tierseuchen- und zugleich Zoonoseerreger. Zoonosen sind Infektionskrankheiten, die wechselseitig zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können. Das Virus kam 2018 neu nach Deutschland. Dort erreichte es im Spätsommer jenes Jahres zuerst Sachsen-Anhalt und danach weitere Bundesländer. Vor allem in Mitteldeutschland breitete sich das Virus aus. Während 2018 in Sachsen-Anhalt nur einige erkrankte Vögel und zwei infizierte Pferde zu verzeichnen waren, vervielfachte sich die Zahl der infizierten Tiere im Land im vergangenen Jahr. Erstmalig wurden im vorigen Jahr auch zwei autochthone WNV-Fälle bei Menschen festgestellt. Diese Infektionen waren nach Behördenangaben in der Region und nicht auf Fernreisen erworben worden.
Die Infektion mit dem West-Nil-Virus bei Vögeln und Pferden stellt eine anzeigepflichtige Seuche dar. In Sachsen-Anhalt ist gesetzlich geregelt, dass Untersuchungen auf anzeigepflichtige Tierseuchen am Landesamt für Verbraucherschutz erfolgen müssen. Proben, auch Vögel, können bei den Veterinärämtern der Landkreise und kreisfreien Städte sowie an weiteren Stützpunkten des nach einem Tourenplan fahrenden LAV-Kuriers abgegeben werden.
Antikörpertest für Pferde
Seit 1. Dezember 2019 können Pferdebesitzer in Sachsen-Anhalt ihre Tiere auf Antikörper gegen das West-Nil-Virus beim Landesamt für Verbraucherschutz im Fachbereich Veterinärmedizin in Stendal untersuchen lassen. Die Tierhalter tragen nur die Kosten der tierärztlichen Probenentnahme. Die entstehenden Untersuchungskosten trägt die Tierseuchenkasse Sachsen-Anhalt im Rahmen ihrer Beihilfesatzung als besondere Untersuchung. Die Abrechnung dieser Kosten erfolgt direkt zwischen Labor und Tierseuchenkasse. Damit bedarf es keines gesonderten Antrages auf Beihilfe. Auf diese Verfahrensweise haben sich Tierseuchenkasse und Landesamt geeinigt und hierzu eine entsprechende Kooperation geschlossen.
West-Nil-Virus: Bluttest für Pferde
Ein spezielles Angebot der Tierseuchenkasse Sachsen-Anhalt richtet sich an Pferdehalter. Sie können Blut ihrer Tiere auf Antikörper gegen das West-Nil-Virus testen lassen – die Kosten sind überschaubar. mehr
Das West-Nil-Virus stammt ursprünglich aus Afrika, ist aber mittlerweile auf fast allen Kontinenten, oft in tropischen Regionen, verbreitet. Der Eintrag in bisher freie Region erfolgt höchstwahrscheinlich über infizierte Zugvögel, an denen heimische Mücken Blut saugen. Das Virus hat ein breites Wirtsspektrum. Es ist bei sehr vielen Vogel- und Säugetierarten nachgewiesen worden. An der WNV-Infektion erkranken hauptsächlich Raben-, Greif- und Eulenvögel schwer, oftmals mit tödlichem Ausgang. Diese Vögel sind für das Virus die Hauptwirte, in denen es sich zu sehr hohen Konzentrationen vermehren kann.
Behörden empfehlen Impfung von Pferden
Pferde und Menschen, die ebenfalls über stechende Insekten angesteckt werden können, sind für das Virus sogenannte Fehl- bzw. Endwirte. Sie vermehren das Virus nur zu geringen Konzentrationen und es zirkuliert nur über einen kurzen Zeitraum überhaupt in ihrem Blut. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus beim Stich eines Menschen oder Pferdes von einer Mücke aufgenommen und weitergegeben werden kann, liegt damit nahezu bei null.
Bei Pferden erkranken ca. 10 % der infizierten Tiere mit Symptomen einer Gehirn- oder Gehirn-Rückenmarksentzündung. Klinisch zu sehen sind zum Beispiel Taumeln, Gleichgewichtsstörungen, Gliedmaßenschwächen und weitere Lähmungserscheinungen. Von den neurologisch betroffenen Tieren stirbt etwa ein Drittel an der Infektion oder den anhaltenden neurologischen Symptomen. Für Pferde stehen aber WNV-Impfstoffe zur Verfügung, die prophylaktisch eingesetzt werden können.
Sachsen-Anhalt aktuell
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Das Thüringer Sozialministerium empfiehlt aktuell allen Pferdehaltern, ihre Tiere prophylaktisch gegen eine West-Nil-Virus-Infektion zu impfen. In nachweislich infizierten Gebieten (momentan rund um Erfurt und Bad Langensalza) könnten zudem eine Insektenschutzbehandlung der Pferde, die nächtliche Unterbringung in Ställen sowie das Beseitigen von Mückenbrutstätten sinnvoll sein. Auch die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin am Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, empfiehlt Pferdebesitzern in betroffenen Gebieten, ihre Tiere impfen zu lassen.
Grippeähnliche Symptome beim Menschen
Die überwiegende Zahl der Infektionen beim Menschen verläuft dagegen unauffällig oder mild. Etwa 20 % der Infizierten entwickeln eine fieberhafte Erkrankung, die drei bis sechs Tage andauert. Vorherrschend sind dabei plötzlich einsetzendes Fieber und Symptome eines grippalen Infektes. Nur etwa jede 150. infizierte Person erkrankt schwer. Ein wesentlicher Risikofaktor ist das Alter der Erkrankten. Eine Schutzimpfung für Menschen gibt es nicht. Wie bei anderen durch Mücken oder Zecken übertragbaren Infektionen zählt zu den Schutzmaßnahmen zum Beispiel das Vermeiden von Stichen durch entsprechende Kleidung und Repellents sowie die Reduzierung möglicher Brutstätten. Infektionen mit dem West-Nil-Virus sind meldepflichtig.