Agrarpreis Vogtland: Biobetrieb mit Dreifach Glück
Mit vier Hektar im Nebenerwerb fingen Gerlinde und Michael Bretschneider vor mehr als 25 Jahren an. Heute prägt ihr Biobetrieb die Direktvermarktung im Vogtland. Für ihre bisherige Lebensleistung erhielten sie nun den Agrarpreis der Region. Auf der Feier gab es aber auch nachdenkliche Worte.
Seit 19 Jahren schon ehrt man im Vogtland besonders aufgeweckte Landwirte. Aus der Taufe gehoben wurde die in diesem Jahr erstmals „Agrarpreis Vogtland“ genannte Auszeichnung damals als „Innovationspreis“. „Damit hatten manche Betriebe in letzter Zeit so ihre Schwierigkeiten“, berichtet Dr. Thomas Luther, Leiter der Informations- und Servicestelle (ISS) Plauen. Die Behörde des sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie organisiert den Wettbewerb seit seiner Gründung.
Schwerer Preis und vogtländische Zurückhaltung
Die Bedenken sind jedoch rein gar nicht mit eventueller Technikscheu, sondern ganz allein mit vogtländischer Zurückhaltung zu erklären. „Eingewendet wurde immer wieder, dass man zwar Wissenschaft und Technik in den Betrieben anwende, aber selbst ja keine technischen Innovationen hervorbringe“, sagt Behördenchef Luther. Nur deshalb wurde die Bezeichnung nicht mehr als passend empfunden.
„Mit dem neuen Namen sind wir aber sehr zufrieden.“ Zu Recht, denn nun gibt es auch ein einprägsames Logo und einen Ehrenpreis aus heimischem Material: Künftige Preisträger können sich eine imposante, sieben Kilogramm schwere Schieferplatte an das Hoftor schrauben.
Auch wenn „Agrarpreis Vogtland“ eindeutig schöner klingt – gerade die diesjährigen Gewinner hätten einen Innovationspreis mit Fug und Recht ebenso verdient gehabt. Denn das Ehepaar Bretschneider aus Rothenkirchen prägt die Direktvermarktung in der Region seit mehr als 25 Jahren mit immer neuen Ideen und Anstößen.
Kurze Wege zu den Verbrauchern
Begonnen hatte für Gerlinde und Michael Bretschneider alles kurz nach der Wende mit vier Hektar im Nebenerwerb. Der im Jahr 2004 auf Bio umgestellte Betrieb umfasst heute 150 Hektar, fast alles Grünland. Bretschneiders halten 70 Limousin-Mutterkühe. Zwei Rinder werden pro Woche im eigenen Schlachtbetrieb verarbeitet. Michael Bretschneider entstammt einer Fleischerfamilie und hat einen Meisterbrief für dieses Handwerk.
„Kurze Wege zum Verbraucher“, so lässt sich nicht nur das Betriebskonzept, sondern auch Bretschneiders Engagement für andere umreißen. Denn er ist auch Vorsitzender des Vereins „Vogtländischer Bauernmarkt“. Der organisiert seit 25 Jahren den Europäischen Bauernmarkt, der trotz Corona-Sorgen in diesem Jahr am 7. März in Plauen stattfindet. Nicht nur einmal, sondern 50 mal pro Jahr ist Wochenmarkt in der Marktscheune Rothenkirchen mit 20 Anbietern. Allen diesen Märkten haben die Bretschneiders ihren Stempel aufgedrückt, würdigt die Jury die Ausgezeichneten.
„Schreiben Sie unbedingt auf, dass wir bei allem auch dreimal richtig großes Glück gehabt haben“, diktiert Michael Bretschneider der Bauernzeitung in den Notizblock. „Einmal, weil wir beide zur Wendezeit genau im richtigen Alter waren. Zum Zweiten, weil wir für unsere Ideen um uns herum immer die richtigen, tatkräftigen Wegbegleiter gefunden haben. Und dann natürlich damit, dass Gerlinde und ich damals genau die richtige Entscheidung für unsere Zukunft getroffen haben. Dieses Glück hatte nun mal nicht jeder.“
Ehren- und Sonderpreise vergeben
Für den Agrarpreis nominiert waren zwölf Betriebe und Personen. Den Ehrenpreis des Landratsamtes Vogtlandkreis erhielt die Hofgut Eichigt GmbH für ihr Konzept der kuhgebundenen Kälberaufzucht. Der Biobetrieb hatte 2019 einen neuen Kälberstall gebaut und seitdem mit wissenschaftlicher Begleitung an dieser alternativen Haltungs- und Aufzuchtform gearbeitet.
Den Sonderpreis des Sächsischen Städte- und Gemeindetages konnte der 19-jährige Chris Volkmann aus Schönberg in Empfang nehmen. Der Junglandwirt ist unter anderem als erfolgreicher Jungzüchter bekannt. Schon mit der Wahl seiner Ausbildungsbetriebe legte er Wert auf Vielseitigkeit – konventionell und bio, Familienbetrieb und Genossenschaft. Schon nach wenigen Berufsjahren kann er auf eine Reihe von Weiterbildungen verweisen. Seine nächsten Ziele sind die Abschlüsse als staatlich geprüfter Wirtschafter und als Landwirtschaftsmeister.
Sorge um den Fortbestand der Familienbetriebe
Den Ehrenpreis der Stadt Plauen erhielt Julia Floß aus Pausa, unter anderem für ihre erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit, für die sie auch auf die Kinderbetreuungseinrichtungen der Region zugeht. Die einstige sächsische Milchkönigin mischte in die Freude über die Auszeichnung jedoch auch sehr ernste Worte. „Zukunft ist nur möglich, wenn die, die liefern, auch vergütet werden“, sagt sie in ihrer Dankesrede. Ob dies tatsächlich ausreichend geschehe, bezweifle sie. „Wir Familienbetriebe müssen immer weiter wachsen, um die vielen neuen Anforderungen erfüllen zu können, die auf uns einstürmen. Schließlich müssen wir mit dem Betrieb unsere Familien ernähren können.“ Als Beispiel nannte die Milchbäuerin die Digitalisierung, die neue Investitionen erfordere. Angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen mache sie sich deshalb Sorgen um die Zukunft der Familienbetriebe im Land und in der Region.
Alle weiteren Nominierten im Überblick
Unter die letzten Zwölf kamen folgende Betriebe und Unternehmer:
- Agrargenossenschaft „Am Kuhberg“, Elsterberg-Losa
- Agrargenossenschaft Theuma-Neuensalz, Theuma
- Aproha Agrarproduktions- und Handels GmbH, Tirpersdorf-Juchhöh
- Gerd Hauenschild Landtechnik, Rosenbach-Oberpirk
- G. Klopfer Handelsmühle, Lengenfeld
- Kröstauer Agrar Produktions- und Handels GmbH, Weischlitz-Kröstau
- Milchwirtschaft Dehles eG, Weischlitz-Dehles
- Daniel Seumel, Neumark-Oberneumark.
Die Kriterien für den Agrarpreis sind ebenso auf der Webseite des ISS Plauen zu finden wie die Anforderungen an künftige Bewerber. Den Hauptpreis in Höhe von 2.500 Euro stiftet seit Beginn des Wettbewerbs die VR Bank Bayreuth-Hof eG. Der 20. Agrarpreis Vogtland wird im nächsten Jahr übergeben.