JVA Torgau: Ökologische Landwirtschaft als Therapie
In der Justizvollzugsanstalt Torgau erfahren Inhaftierte beim Betreiben ökologischer Landwirtschaft, wie sinnstiftend Arbeit sein kann. Das Pilot-Projekt knüpft an bereits vor Jahren begonnene Bemühungen an.
Von Karsten Bär
Größtenteils liegen die Flächen zwischen den Gefängnismauern der Justizvollzugsanstalt (JVA) Torgau und den sie umgebenen Festungswällen des alten Forts Zinna im Norden der Stadt. Rund 15 Hektar sind es, die als Grünland genutzt werden oder auf denen Gemüse, Kräuter und Futterpflanzen wachsen.
Die Erzeugnisse aus eigenem Anbau dienten dazu, die eher einfachen Mahlzeiten aus der Anstaltsküche anzureichern, gibt Nicole Borchert, die Leiterin der JVA zu verstehen. Das wichtigste Produkt aber ist ideeller Natur: Arbeit in der Landwirtschaft soll Inhaftierten die Chance geben, ihr Leben auf andere Beine zu stellen.
Seit knapp anderthalb Jahren läuft das Projekt „Errichtung eines Eigenbetriebes der ökologischen Landwirtschaft“ in der JVA Torgau. Darin wird Inhaftierten das Angebot gemacht, sich mit einer sinnvollen Tätigkeit zu beschäftigen und Verantwortung zu übernehmen. Dies soll ihre Resozialisierung fördern und ihnen den Übergang in die Gesellschaft nach Ende ihrer Haftzeit erleichtern, im besten Fall sogar berufliche Perspektiven aufzeigen. Unlängst erst machten sich Sachsens Justizministerin Katja Meier und Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (beide Grüne) vor Ort ein Bild.
Das Projekt, gefördert aus dem Sofortprogramm Start 2020 „Neues ermöglichen“ des Freistaates Sachsen, trägt Pilotcharakter. Dennoch knüpft es an bereits mehrere Jahre erfolgreichen ökologischen Anbau an, die schon in den 90er-Jahren in Torgau praktiziert wurden. Unterstützung gab das damalige Amt für Landwirtschaft in Mockrehna, ebenso die „Sächsische Interessengemeinschaft Ökologischer Landbau“ (SIGÖL).
Auch das galt bereits als Pilot-Projekt, wie man Zeitungsartikeln aus dieser Zeit entnehmen kann. Die Produkte wurden damals unter anderem auf dem Wochenmarkt in Torgau verkauft. Das abrupte Ende kam 2007. In der JVA gemästete Enten zeigten erhöhte Dioxinwerte. Die landwirtschaftliche Nutzung wurde eingestellt.
JVA Torgau: Tierbestand mit seltenen Rassen
Nach intensiver Vorbereitung gemeinsam mit der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Soziale Landwirtschaft und der Hochschule Mittweida startete das neue Projekt Anfang 2023. Neun Betreuer, die über landwirtschaftliche Kompetenz verfügen, sind darin tätig und leiten aktuell ebenso viele Inhaftierte an.
Je 8 weibliche Krainer Steinschafe und Braune Deutsche Edelziegen zählen zum Tierbestand, ebenso Kaninchen der Rasse Sachsengold und Hühner der Rasse Sachsenhuhn sowie zwei Völker der Dunklen Biene.
„Alles seltene Rassen, deren Fortbestand als bedroht gilt“, sagt Nicole Borchert. Die Haltung hilft somit auch, den Erhalt dieser Nutztierrassen zu sichern. Hühner und Bienen tragen zur Selbstversorgung bei, während die Schafe und Ziegen als „Rasenmäher“ dienen. Vor allem aber haben die Tiere eine andere, ganz besondere Funktion: „Die Arbeit mit ihnen ist sinnstiftend und hat einen unglaublichen therapeutischen Nutzen“, so die Anstaltsleiterin.
Ökologischer Landbau: Futter, Gemüse und Streuobstwiesen
Über die Tierhaltung hinaus, die auch mit dem Anbau und der Gewinnung von Futter wie Mais, Heu oder Futterrüben verbunden ist, werden im Projekt Gemüse und Kräuter im Freiland oder unter Folientunnel angebaut. Weiter gibt es eine Streuobstwiese, von der Kern- und Steinobst sowie Beerenfrüchte gewonnen werden. Der Anbau folgt den Grundsätzen des ökologischen Landbaus. Zertifiziert sei man jedoch noch nicht, so Nicole Borchert.
Die Arbeit im entstehenden Eigenbetrieb ökologischer Landbau ist für die Gefangenen, von denen es rund 240 in der JVA gibt, freiwillig. Allerdings ist sie nur für Personen mit „geringem Flucht- und Missbrauchsrisiko“ möglich. In der Regel sind dies Inhaftierte, die keine langen Strafen mehr absitzen müssen.
Zudem sollte für sie die Arbeit geeignet sein, die persönliche Entwicklung zu begünstigen und ihnen eine mögliche berufliche Perspektive aufzuzeigen, auch indem sie sich Fachkenntnisse aneignen. Bei immerhin einem Inhaftierten besteht bereits die Chance, dass er nach der Entlassung in einem landwirtschaftlichen Betrieb in der Region Torgau Arbeit findet.
Hebel für einen neuen Lebensentwurf
Ausgeweitet werden soll die Möglichkeit der Arbeit auf bis zu 15 Gefangene. Sowohl die bewirtschaftete Fläche als auch den Tierbestand will die JVA gern ausweiten. „Vielleicht kommen wir irgendwann dahin, auch wieder Produkte zu vermarkten“, sagt Nicole Borchert. „Aber das ist nicht unser vordergründiges Ziel.“ Vor allem eines soll das Projekt sein, betont die JVA-Leiterin: ein therapeutischer Hebel für einen anderen Lebensentwurf.
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