Stimmen die Werte in Sachsen?

Nitratmessstellen: Hydrologe stuft 73 % als „ungeeignet“ ein

Das Gutachten bewertete einen Großteil der untersuchten Messstellen als "ungeeignet". Das zuständige Landesamt kritisert hingegen die angewandte Methodik. (c) Karsten Bär
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Ein vom Sächsischen Landesbauernverband (SLB) beauftragtes Gutachten sieht erhebliche Mängel an den sächsischen Nitratmessstellen. Das Landesumweltamt widerspricht. Dennoch soll das Messnetz verbessert werden, kündigte Umwelt- und Agrarminister Wolfram Günther (Grüne) an.

Das Gutachten des Berliner Hydrologen Stephan Hannappel spricht einem Großteil der untersuchten Nitratmessstellen im Freistaat die Eignung ab. Untersucht worden waren 173 Messpunkte, die dem Freistaat gehören. Davon stufte Hannappel 73 % als „ungeeignet“ ein. Demnach wiesen 115 Messstellen „gravierende bauliche Mängel“ auf. Die Funktionsfähigkeit sei bei 80 Stellen nicht nachprüfbar und fehle bei 16 gänzlich. Lediglich sieben Messstellen sind aus Sicht des Gutachters geeignet, plausible und repräsentative Messdaten zu liefern. Die Untersuchung erfolgte anhand der Ausbaudaten, die der Gutachter vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) erhielt.

Gutachten nährt Zweifel an Nitratmessstellen

Die Ergebnisse untermauerten das Misstrauen der sächsischen Landwirte, sagte SLB-Präsident Torsten Krawczyk. Er forderte den Freistaat auf, die bestehenden Mängel abzustellen. Zugleich erneuerte er die Forderung nach einem Ausgleich für Betriebe, deren Flächen auf Grundlage falscher Messwerte als rote Gebiete eingestuft wurden. Dieser Ausgleich soll 100 €/ha im Jahr betragen. Der Freistaat lehnt dies ab.

Das LfULG widersprach dem Ergebnis des Gutachtens. Es spiegele nicht den tatsächlichen Zustand der Messstellen wider und sei aufgrund der gewählten Methodik aus fachlicher Sicht nicht haltbar. Der in das Gutachten einbezogene Datenbestand umfasse nicht alle zu den Nitratmessstellen verfügbaren Informationen. Diese seien dem Gutachter angeboten, von ihm aber nicht angenommen worden, sagte Dr. Peter Börke, Leiter des LfULG-Referats Siedlungswasserwirtschaft, Grundwasser. Auch gehe das Gutachten zu Unrecht vom Fehlen bestimmter Selbstverständlichkeiten aus, etwa einer Kappe auf dem Brunnen, wenn diese nicht ausdrücklich in der Ausbau-Dokumentation benannt sind.

Freistaat will das messnetz weiter ausbauen

Bei der Vorstellung des Gutachtens heute bei einem gemeinsamen Pressetermin des SLB und des Umwelt- und Landwirtschaftsministeriums waren trotz bestehender Differenzen beide Seiten bemüht, ihre Kooperationsbereitschaft zu demonstrieren. Präsident Krawczyk sagte, anders als in anderen Bundesländern habe die Prüfung des Messnetzes in Abstimmung mit der sächsischen Staatsregierung stattgefunden. Er sprach vom „sächsischen Weg“, den beide Seiten gehen. Staatsminister Günther erklärte, das Ministerium habe davon abgesehen, das SLB-Gutachten zu den Nitratmessstellen durch ein weiteres Gutachten überprüfen zu lassen. Es gehe darum, ein qualifiziertes Messnetz aufzubauen, dem die Landwirte vertrauten. Der Freistaat will in den Ausbau des Netzes investieren. Parallel unterstütze das Landesamt die Landwirte durch Beratung und Wissenstransfer dabei, sich den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Für eine Entschädigung, wie sie der SLB fordert, sieht der Minister indes keine Chance. Hierfür fehle schlicht eine Rechtsgrundlage.

Die Einbußen können einzelbetrieblich indes beträchtlich sein, wie Gerhard Förster von der Agrargenossenschaft „Unteres Elbtal“ Kreinitz deutlich machte. Sein 2000-ha-Betrieb liegt zu 100 % im roten Gebiet. Gleichwohl ist es teilweise Trinkwasserschutzgebiet, aus dem seit Jahrzehnten stabil bestes Trinkwasser gewonnen werde. Durch die Einstufung als rotes Gebiet drohen erhebliche Einschränkungen. Die Düngebedarfsermittlung orientiere sich an den Erträgen der vergangenen Jahre, die durch Dürre gekennzeichnet waren. Wenn auf dieser Basis noch ein 20-prozentiger Abschlag abgezogen werde, könne man künftig erheblich weniger ernten und müsse hohe Einkommensverluste hinnehmen, sagte Förster.