Sendepause statt Dialog?
Verbände kritisieren Kommunikationsverhalten des Ministeriums. Hier geht es hauptsächlich um die mangelnde Einbindung des Berufsstandes in die gemeinsame Agrarpolitik.
In einem offenen Brief an Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) haben drei landwirtschaftliche Verbände die aus ihrer Sicht mangelnde Einbindung des Berufsstandes in die Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) kritisiert. Vertreter von Land schafft Verbindung Sachsen (LsV Sachsen), Sächsischem Landesbauernverband (SLB) und dem Verband Familienbetriebe Land und Forst Sachsen und Thüringen übergaben vorige Woche Donnerstag ihren Brief vor dem Landwirtschaftsministerium in Dresden und führten anschließend ein Gespräch mit Günther.
Offener Brief Wolfram Günther: Knappe Zugangsfrist
In ihrem Brief sprechen die Verbände von einer „Nicht-Gemeinsamen Agrarpolitik“ des Freistaates. Vergangenes Jahr habe über Monate „Sendepause“ zwischen Ministerium und Verbänden geherrscht. Zu einer Onlineveranstaltung Mitte Dezember, in der es um die Umsetzung der GAP ging, habe man erst wenige Tage vorher die sehr komplexen Unterlagen bekommen.
Die vorgestellten Maßnahmen waren „weder mit Verbänden der Umwelt- und Landschaftspflege noch mit allen Landwirtschaftsverbänden zuvor besprochen oder abgestimmt worden.“ In anderen Bundesländern sei das Jahr 2021 „gemeinsam mit Bürgern und Landwirten aktiv für eine wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Gestaltung der künftigen GAP“ genutzt worden. Demgegenüber sprechen die Verbände in ihrem Brief von „einer verfehlten Kommunikationsstrategie“ des sächsischen Ministeriums, die zu „hochbürokratischen und teilweise unpraktikablen sächsischen Förderbedingungen“ geführt habe.
„Die Diskussion darüber hätten wir gern mit dem Ministerium geführt“
Zu diesen zählt LsV-Mitglied Marco Birnstengel beispielsweise die Vorschrift, bei der Maßnahme „Sukzession an Gewässerrändern“ einen Meter Abstand zwischen natürlichem Gewässerrand und Maßnahmenfläche einzuhalten. Auch schränke die Vorgabe von Kulissen für die meisten Agrarumweltmaßnahmen ihre Anwendung in der Praxis erheblich ein und wirke willkürlich. Und dies seien nur wenige Beispiele. „Die Diskussion darüber hätten wir gern mit dem Ministerium geführt“, sagt Birnstengel, der nach der Übergabe des offenen Briefes am Gespräch mit Minister Günther teilnahm.
Gemeinsam mit dem Sächsischen Schaf- und Ziegenzuchtverband (SSZV) hat der SLB seine Kritik in einer Stellungnahme an das Ministerium noch einmal untermauert. Die Bereitschaft zum Dialog werde vom Ministerium nicht angenommen. Die Einwände der Verbände hätten keine Berücksichtigung in den im Dezember vorgelegten Entwürfen der Umwelt-, Klima- und anderen Bewirtschaftungsverpflichtungen in der Förderperiode 2021–2027 gefunden. „Wir sehen in den derzeit vorliegenden Maßnahmen erhebliche Probleme zwischen den Zielen der einzelnen Maßnahmen und deren praktischer Umsetzung in den landwirtschaftlichen Unternehmen“, heißt es in der Stellungnahme.
Kritikpunkte beider Verbände sind unter anderem, dass trotz der hohen fachlichen Anforderungen an die Maßnahmen keine berufliche Qualifikation der Antragssteller sowie belastbare Betriebskonzepte vorausgesetzt werden. Auch fehle die Anreizkomponente bei einzelnen Maßnahmen, die teilweise nicht einmal den entgangenen Markterlös ausglichen. SLB und SSZV erneuerten in der Stellungnahme auch ihre Forderung nach der Abkehr von starren Terminvorgaben und nach dem Verzicht auf Technikvorgaben für die Grünlandbearbeitung.
Vorwurf zurückgewiesen
Währenddessen zeigte sich das Ministerium verwundert über den im offenen Brief gemachten Vorwurf. Denn alle drei unterzeichnenden Verbände seien Wirtschafts- und Sozialpartner, mit denen das Ministerium zur neuen EU-Agrarförderperiode seit 2018 im regelmäßigen Austausch stehe. „Daneben gibt und gab es weiteren regelmäßigen Austausch mit den berufsständischen Vertretern“, so Ministeriumssprecher Robert Schimke. „Wir werden die Transformation der Landwirtschaft weiterhin mit der Branche und in enger Abstimmung mit ihr voranbringen.“
Auf Anfrage erklärte das Ministerium, dass im Mai eine Veranstaltung zu flächenbezogenen Interventionen, an der der SLB teilnahm, und im Juni eine weitere zum GAP-Strategieplan, mit Teilnahme des SLB und der Familienbetriebe Land und Forst, stattfand. Stellungnahmen, die zu den Entwürfen für flächenbezogene Agrarumweltmaßnahmen abgefragt wurden, seien nur vom SLB eingegangen. Die Anregungen seien berücksichtigt worden, wo die Rahmensetzung der EU dies ermöglichte und mit den fachlichen Zielen des Ministeriums übereinstimmte, so das Ministerium gegenüber der Bauernzeitung.
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Evaluierung zur Halbzeit
Zu Wort meldete sich nach Übergabe des offenen Briefes an Wolfram Günther auch der Landesverband der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die als der Partei von Minister Günther nahe stehend gilt und ebenfalls als Wirtschafts- und Sozialpartner angehört wird. Landesgeschäftsführer Clemens Risse sagte, dass die Übersendung der Programmentwürfe im Dezember in der Tat sehr kurzfristig gewesen sei. „Wir als AbL haben aber nicht den Eindruck, dass es seitens des Ministeriums gegenüber den Verbänden eine ‚Sendepause‘ gab“, so Risse. Wichtig sei, dass den Landwirten schnell verbindliche Maßnahmen präsentiert werden, die zukunftsfähig sind und Planungssicherheit bieten. Beim Vorwurf zu bürokratischer Regelungen ist der AbL-Vertreter geteilter Meinung. Für den einzelnen Betrieb könne er de Klage darüber nachvollziehen, anderseits müssten die Programme auch hieb- und stichfest sein.
An den von LsV, SLB und Familienbetrieben Land und Forst im offenen Brief kritisierten Programm entwürfen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen sind vorerst keine Änderungen möglich, da sie zur Genehmigung bei der EU eingereicht wurden. Die Forderung der drei Verbände, bis Monatsende an einer Neugestaltung beteiligt zu werden, sind somit obsolet. Wie Marco Birnstengel erklärte, habe Minister Günther indes auf die Möglichkeit verwiesen, an der Evaluierung der Maßnahmen zur Halbzeitbewertung 2025 mitzuwirken.