Blick über die Grenzen

Schwarzes Alpenschwein: „Wir haben sie nicht zur Gaudi“

Das Schlammbad wird zur Wärmeregulation genutzt und um sich gegen Stechinsekten zu schützen. (c) Dr. Michael Götz
Agrarpraxis
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Das Schwarze Alpenschwein ergänzt eine naturnahe Landwirtschaft. Alte Rassen sind nicht nur erhaltenswertes Kulturgut, sondern eignen sich dank ihrer besonderen Eigenschaften für unkonventionelle Bewirtschaftungsweisen – zum Beispiel für die Permakultur.

Von Dr. Michael Götz, Agrarjournalist, Schweiz

Raritäten muss man suchen. Der Hof „Morgarot“ der Familie Marcel und Manuela Schmid liegt abgelegen über dem St. Galler Rheintal und ist selbst mit Karte nicht leicht zu finden. Doch die Suche lohnt sich, nicht nur wegen der drei Schwarzen Alpenschweine, sondern auch wegen der Landwirte und ihrer unkonventionellen Art, einen Bergbetrieb zu bewirtschaften.
Das junge Paar hat aus dem Hof von Marcels Eltern ein Kleinod geschaffen, einen vielfältigen, naturnah wirtschaftenden Betrieb mit Gemüsebau, Wildkräutern, Obst- und Wildobstbäumen, mit Amphibienweiher, Natursteinmauern und einem Schulungszentrum.

Marcel und Manuela Schmid haben Freude an ihren  Schwarzen Alpenschweinen.
Marcel und Manuela Schmid haben Freude an ihren Schwarzen Alpenschweinen. (c) Dr. Michael Götz

Permakultur nennt sich die landwirtschaftliche Produktion. Sie baut auf Ökologie, Diversität, Stabilität und Widerstandsfähigkeit von Pflanzen und Tieren.

Die Alpenschweine bilden einen Teil dieser sich gegenseitig fördernden Hofgemeinschaft, zu der auch Schafe, Ziegen, Pferde, Esel, Yaks, Gänse und Hühner gehören. „Unser Hof ist so gestaltet, dass er jene Pflanzen und Tiere beheimatet, die sich optimal entfalten können. Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren ermöglicht gesundes Wachstum“, erklären Manuela und Marcel Schmid.

Genussvoll Unkraut vertilgen

Black und Beauty heißen die beiden Muttersauen, die seit die seit gut einem Jahr auf dem Hof leben und ihrem Namen Ehre machen. Seit einiger Zeit ist Ferdinand bei ihnen. Die Bauern haben den Zuchteber von einem anderen Hof ausgeliehen. Und er war nicht untätig und hat für Nachwuchs gesorgt.

„Es ist eine rechte Freud mit ihnen“, sagt Manuela in ihrem oberösterreichischen Dialekt. Sie hat den dreien gerade ein paar große Zucchetti auf die Weide geworfen, die sie genussvoll schmatzend verspeisen. Danach suchen die zwei Damen den Schatten in einem Kälberiglu auf. „Am liebsten kuscheln sie“, kommentiert Eber Ferdinand (stärker behaart) mit Black und Beauty. Zucchetti gehören zu den Lieblingsspeisen der Schweine.

Die Bäuerin. „Wir haben sie aber nicht zur Gaudi“, wird sie ernster. Die Sauen haben Aufgaben im Ökosystem. Vor allem regulieren sie das Unkraut. Sie fressen zum Beispiel gerne die Wurzeln des Hahnenfußes, vertilgen Engerlinge sowie Schneckeneier und zerstören Mausgänge. Durch das Wühlen mit dem Rüssel lockern sie den Boden auf, sodass wieder neue Pflanzenarten wachsen können. Doch kann man als Bergbauer Freude daran haben, wenn die Grasnarbe zerstört wird und die Erde umgepflügt wird? Marcel zeigt mit der Hand auf die Flächen, die er mit der Wiesenegge eingeebnet und mit Heublumen bestreut hat. Es sind keine Löcher mehr sichtbar. Mittels Weidewechsel bringt er Aufwühlen und Zuwachsen ins Gleichgewicht.

Schwarzes Alpenschwein: Robust, berggängig und zutraulich

Im Sommer sind die Sauen ganztags auf der Weide. Sie ernähren sich von Gräsern, Wurzeln, Gemüseabfällen und Bodenlebewesen. „Sie sind richtig arbeitsextensiv“, freut sich Marcel, denn auf dem Hof gibt es schon genug zu tun. Als Unterschlupf dient ein Kälberiglu. Im Winter sind sie in einem Stall mit ständigem Auslauf und werden mit Weizen- und Roggenkleie, Apfeltrester und Graswürfeln gefüttert. „Mit Abfällen der Lebensmittelindustrie, aber nicht mit ganzem Getreide“, betont Marcel, denn die Schweine sollen nicht zum Nahrungskonkurrenten des Menschen werden. Dass ihr Futter reich an Rohfaser ist, lässt sich an den Kotballen ablesen, die teilweise fast Pferdeäpfeln gleichen.

Die Nachzucht von Black und Beauty werden etwa eineinhalb Jahre alt, bis sie ausgemästet sind. Die Mast dauert dreimal so lange wie bei den auf Leistung gezüchteten Schweinerassen. Dafür sind die Schwarzen Alpenschweine nicht nur anspruchslos an ihre Nahrung, sondern auch robust und berggängig. Sie haben lange, kräftige Beine, und die dunkle Färbung schützt sie vor Sonnenbrand. „Sie sind feiner und zutraulicher als das Wollschwein“, beschreibt sie Manuela.

Die Sauen graben sich Löcher an  feuchten Stellen, um darin zu suhlen.
Die Sauen graben sich Löcher an feuchten Stellen, um darin zu suhlen. (c) Dr. Michael Götz

Gene alter Rassen bewahren

Manuela und Marcel sind über „Pro Patrimonio Montano“, abgekürzt „PatriMont“, zu den Alpenschweinen gekommen. Dies ist ein Netzwerk zum Erhalt der genetischen Vielfalt der Bergwelt.

Im Jahre 2013 machte Dr. Alessio Zanon, Veterinär der Universität Parma, fünf echte Veltliner Schweine, auch Bündner Schweine genannt, in der Gegend von Como ausfindig. „Wir sind alle Täler abgefahren, um weitere Tiere zu finden“, erzählt Hans-Peter Grünenfelder, engagierter Vorsitzender von Patrimont. Da sie keine weiteren Exemplare der Rasse finden konnten und Inzucht vermeiden wollten, entschlossen sie sich, die Veltliner und zwei weitere althergebrachte regionale Schweinerassen, die noch in Reliktform erhaltenen Samolaco und Ultner Schecken, als Basis für das Schwarze Alpenschwein zusammenzufassen.

So gelang es ihnen, die Gene der alten Bergrassen und zugleich altes Kulturgut zu bewahren. Mit der Rassenkonsolidierung war allerdings die Rückkehr in die Schweiz noch nicht geschafft. Dazu mussten die Tiere zuerst während zweier Monate in Quarantäne in den Tierpark Goldau. Nach verschiedenen Bluttests und bangem Warten öffnete sich schließlich der Weg für vier Zuchtgruppen. Inzwischen sind es schon 17 Zuchtgruppen, verteilt in den Schweizer Bergregionen.

Fleischspezialitäten direktvermarkten

Den Züchtern der Schwarzen Alpenschweine ist klar, dass sie eine Nische innehaben. Nicht Menge und Leistung führen hier zum Erfolg, sondern die Vermarktung des Fleisches aus naturnaher Haltung und als Delikatesse. Die Alpenschweine bilden keine dicke Fettschicht, wie beim Mangalitza-Schwein, sondern das Fett durchzieht die Muskeln. Es entsteht ein feinfaseriges, gut marmoriertes Fleisch. Manuela und Marcel freuen sich auf die Bereicherung ihres vielfältigen Produktekorbes in der Direktvermarktung.

„Wir leben zu 100 Prozent vom Hof“, sagt Manuela Schmid. Ihre Produkte vermarkten sie direkt an Privatleute, zwei kleinere Händler und an ein Restaurant. Das „Hof Morgarot Kistli“ enthält saisonales Gemüse, Obst, Beeren, Walnüsse und Wildkräuterspezialitäten. Das Fleisch verkaufen Schmids separat nach Anfrage per E-Mail an ihre Kundschaft.

Obwohl der Hof biologisch wirtschaftet, ist er nicht mehr Mitglied bei Bio Suisse. „Wir sind mehr als Bio“, begründet die Landwirtin. „Unsere Kunden spüren, dass wir im Einklang mit der Natur wirtschaften“, fügt sie hinzu.

Schwarzes Alpenschwein: ein FAZIT

  • „Pro Patrimonio Montano“ hat letzte Exemplare von alten Schweinerassen der Alpenregionen aufgespürt und daraus das Schwarze Alpenschwein“ gezüchtet.
  • Das Schwarze Alpenschwein wächst langsamer als die Leistungsrassen, aber es ist besonders robust, berggängig und umgänglich.
  • Die ökologischen Leistungen stehen im Vordergrund.
  • Fleisch vom Schwarzen Alpenschwein ist ein Nischenprodukt. Es findet Anklang bei Konsumenten, denen eine besonders naturnahe Landwirtschaft am Herzen liegt.

BETRIEBSSPIEGEL:

Landwirtschaftliche Nutzfläche: 23 Hektar
Tierbestand: 38 Mutterschafe (Jakobsschafe und Mischlinge) mit Bock und Lämmer
■ elf Toggenburger- und Appenzeller Ziegen mit Bock und Gitzi
■ vier Pferde, vier Yaks, zwei Esel, vier Landgänse, 150 Zweinutzungshühner und Pommernenten
Freilandkulturen: Gemüse, Beeren, Wildkräuter, Wildbäume, Obstbäume,
Arbeitskräfte: Betriebsleiter Ehepaar, Teilzeitmitarbeiter


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