Stoffstrombilanz ade? Thüringen kämpft für weniger Bürokratie im Düngerecht
Thüringen kritisiert die Vorschläge zum Bürokratie-Abbau durch den Bund. Mehrere Maßnahmen, die aus Sicht des Landes sinnvoll wären, wurden in die Kategorie „nicht weiterzuverfolgen“ eingestuft. Thüringen fordert eine Auseinandersetzung mit diesen Vorschlägen.
Auf die 194 Vorschläge zum Bürokratie-Abbau der Länder hat der Bund reagiert. Manches Wichtige will er gar nicht anpacken. Wie geht es weiter? Fragen nach Thüringen, das derzeit den AMK-Vorsitz innehat. Auf die Fragen von Ralf Stephan antwortet Torsten Weil, (Linke), Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat offenkundig schnell auf die Vorschläge der Länder reagiert. Was spricht dafür, dass die Problematik tatsächlich beim Bund „angekommen“ und ein Prozess in Gang gesetzt worden ist?
Nicht nur in Bund und Ländern haben die Bauernproteste einen Prozess angestoßen, das bestehende Regeldickicht in der Landwirtschaft gründlich durchzuforsten. Auch auf EU-Ebene sind in ungekannter Geschwindigkeit Maßnahmen zum Bürokratieabbau beschlossen worden. Dass die Proteste eine so breite Resonanz auf EU-, Bundes- und Länderebene hervorgerufen haben, zeigt nicht nur, wie groß das Problem ist, sondern auch, dass es tatsächlich ernst genommen wird.
Warnung vor Bürokratieabbau-Bürokratie
Wann werden die Landwirte und Landwirtinnen erste Entlastungen spüren? Welche Bereiche betrifft das?
Jeder Bürokratieabbauprozess zieht zunächst einmal einen neuen bürokratischen Prozess nach sich, quasi die Bürokratieabbau-Bürokratie. In diesem Prozess befinden wir uns gerade. Ich gehe jedoch davon aus, dass wir Ende dieses Jahres bereits erste Maßnahmen umsetzen können. Der Bund ist aktuell mit uns Ländern dabei, erstens die EU-Basisrechtsänderungen bei den Konditionalitäten und zweitens die bereits seit Längerem diskutierten Verbesserungen bei Ökoregeln und einigen Bestimmungen für den nationalen GAP-Strategieplan-Antrag 2025 umzusetzen. Dazu finden Gespräche auf Staatssekretärsebene statt, und wir arbeiten an den Beschlussfassungen der AMK, also der Agrarministerkonferenz.
In den als Kategorie 4 eingestuften Maßnahmen spielt das Ministerium den Ball an die Länder zurück. Warum machen die Länder Vorschläge an den Bund, die sie selbst schon längst hätten umsetzen können?
Wie so oft im Leben bedarf es manchmal eines konkreten Anlasses, um ein Thema erneut aufzugreifen und nach Lösungen zu suchen. Beim Thema Bürokratieabbau ist dies nicht anders. Die aktuelle, breite, öffentliche Aufmerksamkeit hat auch manchem Ländervorhaben sozusagen wieder neues Leben eingehaucht. In Thüringen haben wir zum Beispiel mit den Verbänden mehrere Arbeitsgruppen eingerichtet, die weitere Vorschläge zum Bürokratieabbau erarbeiten. Im Juni planen wir ein Abschlussgespräch. Von diesem Prozess erhoffe ich mir viele wichtige Impulse aus der Praxis, die wir als Land angehen wollen.
Bürokratie: Welche Rolle spielt das Flächenregister?
Was erhoffen Sie sich vom Flächenregister?
Beim Thema Flächenregister haben wir schon reagiert. Das Flächenregister stellt ein neues, digitales Instrument dar, das die Landwirte bei der Antragstellung unterstützt. Die Kritik an diesem Instrument hat jedoch deutlich gemacht, dass dessen Einführung für viele in der derzeitigen Situation eine enorme Herausforderung darstellt. Diese Kritik haben wir zum Anlass genommen, unsere Strategie zu überdenken. Daher kommt das Flächenregister zunächst auf freiwilliger Basis. So können es die Anwenderinnen und Anwender in Ruhe testen und sich mit dem System vertraut machen. Im Übrigen besteht zu manchen Einordnungen des BMEL in die Kategorie „Länderhoheit“ aus Sicht der Länder auch noch Abstimmungsbedarf.
Bürokratie-Abbau: EU bei der GAP Entscheidungen getroffen
Kategorie 2 enthält Maßnahmen, die mit der Brüsseler Kommission abgestimmt oder auf EU-Ebene geklärt werden müssen. Bedeutet das, dass sich Länder und Landwirte mit einem Aufschub auf den St.-Nimmerleins-Tag abfinden müssen?
Ich denke nicht. Ich hatte ja schon darauf verwiesen, dass die EU dem Thema Bürokratieabbau im Bereich der GAP gegenwärtig große Aufmerksamkeit schenkt und notwendige Entscheidungen auch sehr zügig getroffen werden. Vor diesem Hintergrund bin auch ich optimistisch, dass weitere notwendige Abstimmungen mit den Mitgliedstaaten zügig und orientiert an der gemeinsamen Zielstellung erfolgen. Aber ich muss auch betonen: Neben allen Änderungen muss in einem solch austarierten System immer gut Gewolltes auch gut gemacht werden, und es dürfen vor allem keine neuen Probleme entstehen.
Über einen der wichtigsten Vorschläge – den Verzicht auf die Stoffstrombilanz – will das BMEL gar nicht reden. Wird sich Thüringen mit diesem „Basta!“ zufriedengeben?
Der Bund hat unseren Vorschlag zur Abschaffung der Stoffstrombilanz im Düngerecht in der „Kategorie 5 – Vorschläge, die nicht verfolgt werden“ eingestuft. Die bestehenden Vorschriften seien nötig, um die ressourcenschonende Düngung zu kontrollieren, so die Meinung des Bundes. Thüringen und andere Länder halten dies jedoch für überflüssig, da die EU-Vorgaben die gewünschte ressourcenschonende Düngung ausreichend regeln. Die große Mehrzahl der Thüringer Betriebe hält die gute fachliche Praxis mit den vorgegebenen Obergrenzen des Nährstoffeinsatzes ein. Daher reicht das EU-Düngemonitoring für Kontrollzwecke völlig aus. Hier wird Thüringen gemeinsam mit anderen Ländern weiter am Ball bleiben und auf den Bund einwirken, denn die Abschaffung der Stromstoffbilanz wäre eine sehr wirksame bürokratische Entlastung der Landwirtschaft.
Thüringen hat weitere Vorschläge zum Bürokratie-Abbau unterbreitet
Welche weiteren Maßnahmen der Kategorie 5 möchten Sie ebenfalls nicht abschreiben?
Thüringen hat einige weitere Vorschläge zum Bürokratie-Abbau unterbreitet, die jedoch zum Teil aus nicht nachvollziehbaren Gründen in Kategorie 5 eingestuft wurden. Das betrifft zum Beispiel Sperrzeiten für Düngung, verlängerte Fristen zur Aufzeichnung von Düngemaßnahmen sowie den Bewirtschaftungsbeginn bei ÖR1a-Brachen. Hier sind die verschiedenen Termin-Vorgaben schwer überschaubar. Bei diesen und von den anderen Ländern eingebrachten Vorschlägen, die aus Sicht des BMEL nicht weiterverfolgt werden sollen, geht es im Kern darum, wie die deutsche Landwirtschaft künftig die Anforderungen an Klima-, Umwelt-, Natur- und Tierschutz erfüllen soll und gleichzeitig dennoch wirtschaftlich erfolgreich bleiben kann. Ich erwarte in dieser Hinsicht noch eine intensive und kritische Auseinandersetzung der Länder mit dem Bund.
Wie geht es weiter? Auf welchen Wegen bestimmen die Länder jetzt ihre Positionen?
Bund und Länder führen gegenwärtig zu den eingereichten Vorschlägen intensive Gespräche auf Staatssekretärsebene. Hier sollen vor allem die politische Abstimmung und eine Koordinierung des Gesamtprozesses erfolgen. Der nächste Gesprächstermin ist für Mitte Mai geplant. Einzelne Themen werden in zuständigen fachlichen Arbeitsgruppen zwischen Bund und Ländern besprochen. Ein weiterer wichtiger Zwischenschritt wird die für den 22. Mai geplante Sonder-AMK sein, bei der das Thema Bürokratieabbau auch auf Ministerebene behandelt werden soll. Ergebnisse dieser Abstimmungen sind also in den kommenden Wochen zu erwarten.
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