Susanna Karawanskij im Interview: Neuer Agrarstrukturgesetz Entwurf
Die Landesregierung leitete dem Landtag in Thüringen den neuen Entwurf für ein Agrarstrukturgesetz zu. Wir fragten Agrarministerin Susanna Karawanskij, warum er sich kaum von der ersten Version unterscheidet.
Das Interview führte Frank Hartmann
Frank Hartmann: Frau Ministerin, den ersten Entwurf für ein Agrarstrukturgesetz – Agrar- und Forstflächenstrukturgesetz (AFSG) – haben Sie Mitte März vorgelegt. Vorige Woche einigte sich das Kabinett auf einen Gesetzentwurf, der in den Landtag eingebracht wird. Welche Probleme hatten Ihre Koalitionspartner mit dem Gesetz, dass es so viel Zeit dafür brauchte?
Susanna Karawanskij: Die Erarbeitung eines Agrarstrukturgesetzes ist ein zentrales Vorhaben der rot-rot-grünen Landesregierung. Mit dem Gesetz betreten alle Länder, die ein solches Gesetz planen, durchaus juristisches Neuland, sodass es richtig war, sich für die inhaltliche Debatte und die rechtliche Bewertung des Gesetzes die notwendige Zeit zu nehmen. Richtig ist aber auch, dass auch ich nicht glücklich war, dass die Rechtsförmlichkeitsprüfung im Justizministerium doch sehr viel Zeit in Anspruch genommen hat.
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Thüringer Agrarstruktur schützen
Für den ersten Entwurf gab ein Verbändebündnis ein Gutachten in Auftrag, das verfassungsrechtliche Bedenken formuliert: Warum hat Sie das nicht beeindruckt?
Mit der Föderalismusreform im Jahr 2006 wurde die Zuständigkeit für den landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr vom Bund auf die Länder übertragen. Seitdem beißen sich die Länder die Zähne aus, wenn es darum geht, das geltende landwirtschaftliche Grundstücks-, Landpacht- und Siedlungsrecht zu modernisieren. Die Anforderungen an so ein Gesetz haben sich seitdem verändert und das mussten wir ebenso berücksichtigen.
Die verfassungsrechtlichen Einwände nehmen wir sehr ernst. Wir haben diese abgewogen und sind der Ansicht, dass wir angesichts eines offensichtlichen Problems handeln müssen, um die Agrarstruktur in Thüringen wirksam zu schützen. Letztlich teilen alle Akteure unsere Analyse, dass die Entwicklung am landwirtschaftlichen Bodenmarkt regionale Agrarbetriebe finanziell an Grenzen bringt und gegenüber kapitalstarken Investoren benachteiligt.
Wir stehen vor einem Generationswechsel in der Landwirtschaft, und bisher hat nur jeder dritte Betrieb eine Nachfolge in Aussicht. Wenn wir angesichts dieser drängenden Situation untätig blieben, würde uns das zurecht ebenso vorgeworfen. Im Übrigen lassen die an dem Gutachten beteiligten Verbände die Antwort offen, wie sie mit den bodenmarktpolitischen Fragen inhaltlich umgehen wollen.
Kleine Unterschiede im neuen Entwurf
Trotz der Kritik am ersten Entwurf finden sich keine wesentlichen Änderungen: Die Anzeige- und Genehmigungspflicht soll befristet wieder bei 0,25 ha liegen. Worin unterscheidet sich der neue Entwurf noch?
Die bis zum Ende des Jahres 2028 befristete Beibehaltung der Mindestgröße bei der Genehmigungspflicht der Veräußerung landwirtschaftlicher Grundstücke und beim Vorkaufsrecht auf 0,25 ha ist keine Bagatelle. Einerseits kritisierten die landwirtschaftlichen Verbände, dass der Gesetzentwurf zu sehr in das Eigentumsrecht eingreift. Andererseits äußerten die meisten Akteure, dass an der in Deutschland einmalig niedrigen Genehmigungsfreigrenze von 0,25 ha festgehalten wird. Hier haben wir einen tragbaren Kompromiss formuliert.
Die Regelung der Anteilskäufe wird intensiv diskutiert. Hier gilt es jedoch zu differenzieren, denn „die“ Anteilskäufe gibt es nicht. Die Handlungsmöglichkeiten eines Bundeslandes auf diesem Gebiet sind auf den landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr beschränkt. Im Gesetzentwurf haben wir diesen begrenzten Spielraum bestmöglich berücksichtigt. Wir sind hierbei auf die weitere Diskussion mit dem Bund und die Gesetzgebungsvorhaben in Brandenburg und Sachsen gespannt. Durch die Anhörungen haben wir wichtige Erkenntnisse für die agrarpolitische Diskussion gewonnen. Die Standpunkte stehen sich teilweise konträr gegenüber, wie etwa an den Stellungnahmen des TBV und der AbL erkennbar ist. Und bei Gesprächen wurde deutlich, dass auch die Verbändepositionen intern nicht immer unumstritten sind.
Kaufvorrang für Landwirte
Warum wurden wesentliche Kritikpunkte, etwa genehmigungsfreie Verkäufe der Kommunen oder Konkretisierungen, wann ein Share Deal versagt wird, außer Acht gelassen?
Wir haben uns die Kritik genau angeschaut und geprüft, was man davon umsetzen kann. Die gewünschten Änderungen müssen sich schlüssig in den Gesetzestext einfügen und daher konnte nicht jeder Hinweis im Entwurf abgebildet werden. Die Kommunen haben es durch ihre Planungen in der Hand, landwirtschaftliche Grundstücke auch ohne Genehmigung zu veräußern oder zu erwerben.
Daran ändert sich grundsätzlich nichts. Bei der Regulierung von Anteilskäufen gelten dieselben Kriterien wie beim Grundstückskauf, indem Landwirtinnen und Landwirten im Interesse einer bäuerlich geprägten Agrarstruktur Kaufvorrang erhalten.
Hand aufs Herz: Rechnen Sie mit einem zügigen parlamentarischen Verfahren?
Der Verlauf des parlamentarischen Verfahrens liegt in der Hand der Abgeordneten des Thüringer Landtags. Ich hoffe, dass die Mehrheit der Abgeordneten des Landtags mit uns übereinstimmt, dass wir dringend Regelungen brauchen, um die Vielfalt der Thüringer Agrarstruktur zu erhalten. Insofern freue ich mich auf die Diskussion im Landtag.
Wann legt das Agrarministerium einen zweiten Agrarstrukturbericht vor?
Das Ministerium veröffentlicht pro Legislaturperiode einen Bericht zur Agrarstruktur in Thüringen. Das ist im Jahr 2021 erfolgt. Der Agrarstrukturbericht ist wichtig, um die agrarstrukturelle Lage in Thüringen zu beurteilen und ergänzt das Agrar- und Forstflächenstrukturgesetz. Rechtlich verbindlich ist am Ende das vom Thüringer Landtag beschlossene Gesetz. Unbenommen hiervon werden wir natürlich auch in der kommenden Legislaturperiode einen Agrarstrukturbericht vorlegen.