Zukunft Milcherzeugung: Luft, Sand und Pellets
Die Kühe der Agrargesellschaft Jüchsen sollen in ihrem neuen Stall gesund älter werden. Für die Zukunft der Milcherzeugung fasst der Betrieb noch Investitionen in den Altstall und in moderne Melktechnik ins Auge.
Von Birgitt Schunk
Die Milchkühe bezogen im Sommer den neuen Stall. Liegeboxen, Fressplätze, Tränken und die Laufwege – alles ist anders und moderner als in der alten Anlage. Außerdem gibt es mehr Platz. Sind die Tiere in ihren Boxen, haben sie nun am Kopfende reichlich Platz, was das Aufstehen erleichtert. Die Trennbügel zwischen den Plätzen schwingen und sind aus Holz. „Die Gefahr, dass sich die Kühe stoßen, geht gegen null“, sagt Florian Grünert, Geschäftsführer der Agrargesellschaft mbH Jüchsen.
Auf mehr Tierwohl ausgelegt
Die Liegeboxen haben ein Sandbett. „Ausgelegene, tiefe Kuhlen gibt es hier nicht, denn der Sand ist festgeklopft, trotzdem gibt er nach.“ Positiv sei zudem, dass das Material keimfrei ist. Im Sommer nimmt der Sand zudem die Körperwärme der Kühe auf und kühlt. Recht saugfähige Dinkelspelzen-Pellets sind als Einstreu auf dem Sand aufgebracht. Pur wollte man die Spelzen nicht einsetzen, denn dies bringt eine ziemliche Staubbelastung mit sich. „Der Vorteil ist auch, dass die Spelzen in der Gülle besser händelbar sind als das fasrige Stroh“, so Grünert.
Die Tiere sind heute deutlich sauberer, was natürlich auch zum „Wohlfühleffekt“ beiträgt. Kuhbürsten tun ihr Übriges. Der Laufboden ist aus Beton, in den Rillen gefräst wurden. Das mindert die Rutschgefahr. Etwaige Flüssigkeit kann sich absetzen, deshalb stehen die Tiere relativ trocken, was wiederum die Klauen freut.
Die neue Stallanlage ist für 259 Kühe ausgelegt, 236 Tiere sollen hier allerdings nur stehen. „Da gibt es keinen Stress, wenn sie nach einem freien Fress- oder Liegeplatz suchen“, weiß Grünert. Über automatisch steuerbare Jalousien regelt man das Stallklima mit. Die Tiere haben außerdem direkt am Stall Zugang zur Weide. „Kühe können so auch mal Regen, Wind oder Schnee spüren – solche Reize sind für sie sehr wohltuend.“
„Nichts von der Stange“ und Firmen aus der Region
Mit seinem Konzept konnte der Betrieb die Premiumförderung in Höhe von 40 % nutzen, die Thüringen für deutlich über den Standards liegende Haltungsbedingungen auf Antrag gewährt. Dennoch muss der Agrarbetrieb einen hohen Eigenanteil stemmen. Insgesamt wurden in die neue Anlage rund 1,7 Mio. Euro investiert. „Wichtig war, dass wir als Bauherr all unsere Ideen eins zu eins umsetzen konnten – wir wollten nichts von der Stange“, so Grünert.
Partner für die offene Hülle war ein Thüringer Stallbauspezialist aus Langewiesen – Firmen aus der Region wurden eingebunden. Die Übergänge im Stall sind großzügig ausgelegt. Offen – bzw. nur netzverspannt – ist auch das Giebeldreieck, sodass viel Licht einfällt.
„Wie die Frostsicherheit im Winter funktioniert, müssen wir sehen.“ Die Tränken sind durch eine Ringleitung, in der warmes Wasser zirkuliert, frostsicher. Die Entmistungsanlage kann auf Dauerbetrieb gestellt werden, was ein Einfrieren verhindert. „Wir wollten den Stall nicht passend für etwa zehn Tage im Jahr mit Extremfrost auslegen.“
Verbesserte CO2-Bilanz
Saniert werden soll auch der alte Stall und dann die hochtragenden Tiere aufnehmen. Das Melkkarussell könnte weiter seinen Dienst tun, doch es werde immer schwieriger, Ersatzteile zu beschaffen. „Hier müssen wir wohl über kurz oder lang auch noch investieren.“
Derzeit geben die Kühe im Mittel knapp 9.000 Liter Milch im Jahr. „Meist reagieren sie bei solch einer Umstellung und geben anfangs erst einmal weniger Milch. Doch diesen Einbruch hatten wir nicht“, ist Grünert froh. Für ihn und Herdenmanagerin Sabine Klee ein Beleg dafür, wie wichtig und richtig die Entscheidung zum Stallneubau war. Alleine durch die besseren Haltungsbedingungen werden noch ein paar Liter mehr erwartet.
Regional und praxisnah: Die Bauernzeitung versorgt Sie regelmäßig allen wichtigen Informationen rund um die Landwirtschaft in Thüringen. mehr
Dabei gehe es nicht um die Leistungssteigerung an sich, sondern um die Stabilisierung einer effektiven, nachhaltigen Milchproduktion über die besseren Haltungsbedingungen. „Die Kühe werden gesund älter und letztendlich entsteht aus den eingesetzten Futtermitteln mehr Milch.“
Auch die CO2-Bilanz verbessere sich dadurch. Das alles rechne sich aus Betriebssicht besser, als ständig die Herde erneuern zu müssen. Maximal könnte aufgestockt werden auf 350 Kühe. Mehr aber nicht. Denn diese Herdengröße passe vom Futteraufkommen zum Unternehmen und seiner Struktur. „Das Grünland wird mit der Milchviehhaltung erhalten und sinnvoll genutzt – die beste Art der Veredlung. Wir verzichten auf sämtliche Futterimporte.“ So habe man eine ausgewogene Produktion zwischen Betriebsfläche, Tierbestand und auch der Energieerzeugung über die Biogasanlage erreicht. Rund 1.300 ha Nutzfläche bewirtschaftet die Agrargesellschaft Jüchsen, bei der 20 Leute in Lohn und Brot stehen.