Neue Agrarministerin will Wettbewerbsfähigkeit stärken: Boos-Johns Ziele für die Landwirtschaft
Die Bauernzeitung fragte Wirtschafts- und Agrarministerin Colette Boos-John nach ihren Prioritäten und was Landwirte in Thüringen erwarten dürfen.
Frau Ministerin Colette Boos-John, Sie leiten jetzt das Wirtschaftsressort und sind zugleich Agrarministerin des Freistaates: Wie nah ist Ihnen die Landwirtschaft?
■ Mal abgesehen davon, dass ich selbst Konsumentin landwirtschaftlicher Produkte bin: Die Landwirtschaft ist wichtiger Teil der Wirtschaft, Arbeitgeber und Ausbilder, sie prägt unsere Gesellschaft und ist zudem auch ein ganz wichtiger Klima- und Umweltakteur.
Landwirtschaft ist nicht alles, aber ohne Landwirtschaft ist alles nichts. Vielleicht kenne ich mich in der Bauwirtschaft nach mehr als zwanzigjähriger Geschäftsführertätigkeit noch etwas besser aus. Aber seien Sie sicher – der großen ökonomischen, ökologischen und sozialen Bedeutung der Landwirtschaft bin ich mir vollauf bewusst.
Landwirtschaft und Wirtschaft Hand in Hand: Ministerin sieht großes Potenzial
Im Vergleich zu Industrie und Gewerbe erwirtschaftet die Landwirtschaft in Thüringen mit zuletzt rund 1,2 Mrd. Euro Bruttowertschöpfung nur einen Bruchteil. Wie treten Sie Befürchtungen entgegen, dass die Landwirtschaft in Ihrem Haus nur ein Anhängsel sein könnte?
■ Indem ich darauf verweise, dass man die Landwirtschaft nicht isoliert betrachten kann. Erstens ist die Landwirtschaft gerade im ländlichen Raum strukurbestimmend. Zweitens profitieren von ihr zahlreiche kleinere und mittlere Betriebe aus Handel, Handwerk und Gewerbe – durch Aufträge, Dienstleistungen oder Weiterverarbeitung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Die Agrarwirtschaft umfasst ja die gesamte Lebensmittelkette von der landwirtschaftlichen Urproduktion über das Ernährungsgewerbe bis hin zum Lebensmittelgroß- und -einzelhandel.
Und drittens halte ich ohnehin nicht viel davon, Wirtschaft und Landwirtschaft so grundsätzlich voneinander abzugrenzen. Das Handwerk oder den Handel betrachten wir auch nicht losgelöst. Nein, der Agrarsektor im weiteren Sinne ist, jenseits statistischer Erfassungsmuster, eine der umsatzstärksten Wirtschaftsbranchen überhaupt. Dementsprechend viel Aufmerksamkeit hat dieser Bereich verdient.
Und noch eine Gemeinsamkeit gibt es, die Landwirtschaft mit Industrie und Gewerbe eint: die Unzufriedenheit über die zu hohen Energiepreise, über enorme Bürokratielasten, fehlende Verlässlichkeit bei den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und generell schlechte Standortfaktoren in Deutschland, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gefährden. Das heißt, der Ansatzpunkt ist für Agrar- und Wirtschaftspolitik derselbe: Wir müssen wieder Rahmenbedingungen schaffen, die Innovation und Investitionen unterstützen und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verbessern – egal ob in der Industrie, im Handwerk oder in der Landwirtschaft.
Stärkung der Tierhaltung: Ministerin will moderne Ställe und Tierwohl fördern
Angesichts des landespolitisch überschaubaren Einflusses auf tiefgreifende agrarpolitische Weichenstellungen: Was hat Priorität für Sie, um die Rahmenbedingungen für die Agrarbranche im Freistaat zügig und spürbar zu verbessern?
■ Auf meiner persönlichen Prioritätenliste steht das Thema Bürokratieabbau ganz oben. Natürlich sind auf EU -, Bundes- und Landesebene in den letzten Monaten verschiedene Initiativen zum Bürokratieabbau im Agrarbereich gestartet worden. Das reicht aber nicht aus. Ich kann mir weitere Aktivitäten, auch zusammen mit anderen Ländern, vorstellen, um zum Beispiel zu einer größeren Harmonisierung im Dünge-, Pflanzenschutz- oder Gewässerrecht zu kommen.
Eine weitere Priorität wird sein, den tierhaltenden Betrieben verlässliche Rahmenbedingungen zu bieten und so die regionale Erzeugung zu stärken. Wir wollen daher verstärkt Stallneu- und -umbauten mit hohen Tierschutzstandards fördern. Und: Ich möchte die Akademie Ländlicher Raum als eine Art „Thinktank“ für die Entwicklung des ländlichen Raumes und der Landwirtschaft wieder aktivieren.
Und schließlich sage ich ganz selbstbewusst: Unterschätzen Sie nicht den Einfluss des Ministeriums auf die agrarpolitischen Weichenstellungen des Bundes und der EU. Die Rechtsvorschläge für die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2027 werden bereits Mitte 2025 erwartet. Ziel muss es sein, die zentralen Anliegen der GAP – zum Beispiel Erhaltung der Säulenstruktur, Entflechtung der komplexen Zielfunktionen und Fortsetzung der ländlichen Entwicklungspolitik Eler-Fonds – möglichst frühzeitig in diesen Prozess auf EU-Ebene einzubringen. Und natürlich müssen auch die Besonderheiten der ostdeutschen Länder dabei eine große Rolle spielen. Daran werden wir mit Hochdruck arbeiten.
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