Kürbis-Meisterschaft in Thüringen: Fambach feiert den Koloss
Die Homepage des Great Pumpkin Commonwealth führt in diesen Septembertagen auf Anhieb direkt nach Thüringen. Auf der Seite des internationalen Riesenkürbiszüchter-Weltverbandes empfängt den Betrachter ein Bild mit jungen Leuten und einem orangefarbenen Koloss – aufgenommen am 13. September 2014 in Fambach. Die Südthüringer Werratalgemeinde hatte erneut zur offenen Thüringen-Meisterschaft im Kürbiswiegen eingeladen und einen satten Rekord erlebt. 753 Kilogramm wog das Riesenteil, das junge Gärtner und ihre Betreuer vom Förderwerk St. Elisabeth in Augsburg – einem Ausbildungsbetrieb für junge Leute mit Lernschwäche – eigens für diesen Wettbewerb mit nach Thüringen gebracht hatten.
Von Birgitt Schunk
Schmalkalden-Meiningen im Kürbisfieber
Das Dorf im Landkreis Schmalkalden-Meiningen ist im Kürbisfieber. Vor sechs Jahren hob der damalige Bürgermeister Ronny Römhild ein Fest rund um das Riesengemüse aus der Taufe. Feiern mit Biertischgarnitur, Bratwurst und Blasmusik gab es schließlich genug in der Region, war damals die Devise. Neue Wege wollte man gehen. Das Kürbisfest erlebte seine erste Auflage und hat inzwischen eine Eigendynamik angenommen. Mittlerweile bringen Züchter auch aus anderen Bundesländern ihre „dicken Dinger“ hierher, um aufs Podest zu kommen.
Der Thüringen-Meisterschaft hatten die Organisatoren schließlich einen offiziellen Anstrich verpasst. Der Wettbewerb erfolgt inzwischen nach den Regeln des internationalen Riesenkürbiszüchter-Weltverbandes, die Fambacher Termine stehen auf dessen Homepage – und das mittlerweile zwischen analogen Events in Japan, Alaska oder Italien. Die Thüringen-Meisterschaft im Kürbiswiegen war 2014 erstmals in der Hand der heimischen Züchter. Sie haben inzwischen aufgeholt, lernten seit dem ersten Kürbisfest immer mehr hinzu, nutzen bestes Ausgangsmaterial und kennen die Kniffe.
Mike Rohrdiek aus Fambachs Nachbarort Wahles darf sich mit einem Kürbis der Sorte Atlantic Giant, der es auf 256,8 Kilogramm brachte, erstmals Thüringen-Meister nennen. Der gelernte Werkzeugmacher ist vor fünf Jahren unter die Kürbiszüchter gegangen und hilft seitdem auch bei der Organisation des großen Festes in Fambach mit. Hatte er sich die ersten Kerne noch aus dem Baumarkt geholt, so ist er mittlerweile längst mit den eingefleischten Züchtern im Austausch. Erfahrungen werden hier gerne weitergegeben.
Rohrdiek hat in diesem Jahr zwei Pflanzen gedeihen und jeweils nur einen Kürbis wachsen lassen. Dabei hat auch er sich einiges von anderen abgeguckt. „Ja, ich bedecke die Blätter ebenfalls mit Erde, um zusätzlich Wurzeln zu ziehen“, sagt er. Das sei eine gute Voraussetzung fürs Wachsen und Gedeihen. „80 Quadratmeter waren so bei meinen beiden Kürbissen bewurzelt. 200 Liter Wasser gab es alle zwei Tage.“ So viele Kilo wie 2014 brachte sein Riesengemüse noch nie auf die Waage. Im Herbst wird er Kuhmist und Kompost in die Erde bringen. Dann kommt Roggen drauf, der später eingearbeitet wird. Im Frühjahr heißt es dann: Auf ein Neues!
Kürbisfest ist inzwischen eine Riesennummer
Weit über 2000 Besucher dürften es 2014 gewesen sein. „Ohne die Vereine wäre das allerdings nicht zu schaffen“, sagt der heutige Bürgermeister Jürgen Herrmann, der schließlich ehrenamtlich arbeitet und im 2 100-Seelen-Ort keine komplette Gemeindeverwaltung oder gar ein Tourismusamt hinter sich weiß. Über 60 Helfer, angefangen vom Wanderverein über die Karnevalisten bis zu den Kameraden der Feuerwehr, taten jeweils Samstag und Sonntag alles dafür, dass das Fest wieder ein voller Erfolg wurde. Nicht zu vergessen die fleißigen Hände, die am Vortag für 80 Kuchen und Torten sorgten.
Kürbissuppe gab es aus der gemeindeeigenen Schulküche, Kürbisse gestaltete die Junge Gemeinde der Kirche gemeinsam mit den Kindern. Eine Mitmachaktion bot der Kindergarten an. Am Sonntag wurden die Riesenexemplare „geschlachtet“ und zu Booten umfunktioniert. Da stieg als Promi sogar der einstige Weltklasse-Biathlet Sven Fischer ins Kürbis-Boot, um im Duell gegen Fambachs Bürgermeister über den Nüßleser Teich zu schippern.
Vereinsleben ist immenses Rückgrat im Ort
Fambach und sein Ortsteil Heßles verstehen es zu feiern. „Das Vereinsleben ist ein immenses Rückgrat im Ort“, weiß Herrmann. Für ihn und den Gemeinderat geht es dabei im Laufe eines Jahres um mehr als nur ums Anstoßen oder Tanzen. „Ein intaktes Dorfleben macht das Leben hier attraktiv.“ Zwanzig Vereine gibt es im Ort. Erst im Juli hatte die freiwillige Feuerwehr zu ihrem Jubiläum drei tolle Tage mit einem proppenvollen Programm auf die Beine gestellt – mit all ihren Mitgliedern, Familienangehörigen, Freunden und Verwandten. Fürs Ehrenamt wird Urlaub genommen. Ein Jahr zuvor waren es die heimischen Famberg-Musikanten, die zu ihrem 20. Geburtstag drei Tage und Nächte lang kellnerten, Brötchen belegten, saubermachten oder das Riesenzelt auf- und abbauten.
Nicht umsonst hat Fambach auch im Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ in diesem Sommer mitgemacht und das alles in die Waagschale geworfen. Die Ergebnisse stehen noch aus. Der Gemeinschaftssinn hat seine Spuren hinterlassen. Bei den wenigen Mietwohnungen gibt es eine Warteliste, viele Einheimische wollen bauen und bleiben. Die Grundstücke reichen nicht aus. 15 junge Familien haben in den letzten Jahren ein Eigenheim errichtet. Eine Grundschule, Metzger, Bäcker, Arzt, Zahnarzt, Läden für Schuhe, Schreibwaren, Blumen und Geschenke findet man ebenso wie drei Gaststätten, Tierarztpraxis, Friseur oder Physiotherapie. Das Handwerk ist stark, ein großer Galvanik-Betrieb bietet rund 380 Arbeitsplätze. Nichtsdestotrotz hat der Ort auch Federn gelassen. Die große Kaufhalle steht leer, einen kleinen Einkaufsmarkt gibt es noch. Der Gartenmarkt ist geschlossen.
Trotz der guten Bedingungen haben auch hier junge Leute auf der Suche nach einem lukrativen Job dem Dorf den Rücken gekehrt. Sind Feste im Dorf, kommen viele allerdings gerne wieder, um Freunde und Familie zu treffen. Ein Stück Heimatgefühl ist geblieben. „Daran müssen wir anknüpfen“, sagt Bürgermeister Jürgen Herrmann. 2015 wird es im September das nächste Kürbisfest geben.
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