Neues Kulap: Ackerbauern verlieren
Grobe Züge der kommenden Ersten Säule und Pläne für das neue Kulap in Thüringen stellten die Landvolkbildung und das Agrarministerium auf einer gemeinsamen Veranstaltung vor.
Der Nebel lichtet sich nur langsam. Dennoch gaben die Landvolkbildung Thüringen als Veranstalterin und die auskunftsfreudigen Fachleute des Agrarministeriums in Erfurt erstmals einen Blick auf die neue Förderperiode frei. Fast 250 Interessierte, größtenteils Landwirte, verfolgten die agrarpolitische Bildungsveranstaltung sowohl digital als auch vor Ort im Schützenhaus Stadtroda.
Und um es gleich vorwegzunehmen: Es wird ab 2023 ein Kulap, Investitionsförderung, Unterstützung für den Wissenstransfer und für die Dörfer sowie die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete in Thüringen geben. Einiges ändert sich zum Teil grundsätzlich, anderes bleibt weitgehend erhalten. Unterm Strich erhalten Landwirte weniger Beihilfen.
Basisprämie unter 150 Euro
Dass die Zeit knapp ist und detaillierte Pläne noch nicht vorliegen, begründete Thomas Lettau, Referatsleiter im Agrarministerium, mit Verzögerungen in Brüssel und Berlin. So fehlten sowohl noch Erläuterungen zu wichtigen EU-Regeln der neuen GAP-Förderperiode als auch die finalen nationalen Bestimmungen. Ohne die klaren Bedingungen der Ersten Säule zu kennen, sei es kaum möglich, die landespezifischen Programme für die Zweite Säule exakt zu formulieren.
Lettau ordnete die neue Systematik der GAP und ihre Wirkung ein. Berechnungen des Landesamtes für Landwirtschaft (TLLLR) zeigen, dass es enorme Auswirkungen auf die Einkommen geben wird. Auf Grundlage von Stichproben in Buchführungsbetrieben kommen die Betriebswirtschafter in Jena zu dem Schluss, dass mit der kommenden Basisprämie (149 €/Jahr/ha), der Umverteilungsprämie auf die ersten Hektare und den geplanten Weidetierprämien alle Betriebsformen in Thüringen im Vergleich zu heute verlieren: Ackerbaubetriebe: -98 €/ha oder -7.764 €/AK (ordentliches Ergebnis zuzüglich Personalaufwand; aktuelle Förderperiode: 39.997 €/AK); Futterbaubetriebe: -95 €/ha oder -3.759 €/AK (35.112 €/AK); Verbundbetriebe: -101 €/ha oder -4.894 €/AK (34.206 €/ha).
Ökoregeln ohne Einkommenswirkung
Im Laufe der Veranstaltung sollte sich zeigen, dass Ackerbaubetriebe im nächsten KULAP zu den Verlierern zählen. Lettau stellte klar, dass die vom Bund vorgeschlagenen Honorare für die Ökoregeln der Ersten Säule keine einkommenswirksamen Zahlungen seien. Sie seien lediglich eine Gegenleistung für den Aufwand der Betriebe. Das Agrarministerium in Erfurt wolle mit dem KULAP Anreize schaffen, damit die Bauern im Land von den für Landwirte freiwilligen Ökoregeln rege Gebrauch machen. Denn tun sie es nicht, wandert das Geld zu Betrieben in anderen Bundesländern ab. Welche Ökoregeln die ökologisch wirtschaftenden Betriebe nutzen können, vermochte der Referatsleiter noch nicht zu sagen. Darüber grübelten noch die „Extensivierungs-Fachleute“ der Bundesländer.
Aus für die Winterfurche
Die Konditionalität, also jene Bedingungen in der Ersten Säule, die Landwirte erfüllen müssen, um die Basisprämie zu erhalten, ordnete Lettau als das „neue Greening“ ein. Diese seien also auch Cross-Compliance-relevant. Hier gibt es Anforderungen, etwa zu Feuchtgebieten, die in Thüringen kaum eine Rolle spielen. Andere wiederum sind nicht nur relevant, sondern „einschneidend“.
Dazu zählt Lettau die für Ackerland geforderte Mindestbodenbedeckung von Anfang Dezember bis Mitte Januar. Damit sei die Winterfurche Geschichte. Anbauer von Sommerkulturen wie der frühen Braugerste stehen damit vor einem Problem, zumal das Glyphosatverbot droht. Kulturen, die Herbstdämme verlangen oder erst spät geerntet werden, sind von dieser Auflage befreit.
Fruchtwechsel Wird Pflicht
Klar sein müssen sich Landwirte, die mehr als 10 ha Ackerland bewirtschaften, über den geforderten Fruchtwechsel: Danach muss jeder Hauptkultur eine andere folgen. Stoppelweizen etwa gehört damit der Vergangenheit an. Gleichwohl noch diskutiert werde, was die Hauptkultur alles sein kann, ging Lettau auf Nachfrage davon aus, dass auf Körnermais kein Silomais folgen darf. Für den Fruchtwechsel ab 2023, so die bisherige Interpretation, muss unter Umständen bereits mit dem Anbauplan im Herbst 2022 vorgesorgt werden. Unklar sei auch noch, welche Saaten neben den verwertbaren Kulturen von den geforderten 4 % Ackerbrache ausgeschlossen werden. Für Mutterkuh-, Schaf- und Ziegenhalter brachte Lettau eine frohe Kunde mit: Die bisherigen Tierkennzeichnungsstandards fallen ab 2023 aus Cross-Compliance heraus. Damit gibt es ab 2023 keine CC-Sanktionen mehr etwa aufgrund fehlender Ohrmarken.
Was im Einzelnen von den künftigen Kulap-Angeboten mit den Ökoregeln kombiniert werden kann, blieb auf der Infoveranstaltung vage. Geplant wird, gerade der Grünlandwirtschaft weitreichende Angebote zu machen. Seit zwei Jahren laufen die Planungen zu den kommenden Maßnahmen, die sich stark auf die Weidetierhalter und das Grünland konzentrieren. Darin finden sich Maßnahmen, die mehr als die vier Kennarten aus der neuen Ökoregel einschließen, Ganzjahresbeweidung und Offenlanderhaltung oder Streuobstpflege.
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Schlagteilung im Kulap
Daneben plant man in Erfurt erneut Maßnahmen für das Biotopgrünland (Mahd, Weide, Hüteschafhaltung), diesmal auch in Abhängigkeit von der Hanglage. Gesetzt ist die Umstellungs- und Beibehaltungsförderung für den Ökolandbau. Das Budget für die Ökoförderung verdoppelt man, weil mit einem Zuwachs bei der Umstellung gerechnet wird.
Die Ökoregel zum „Anbau vielfältiger Kulturen mit mindestens fünf Hauptfruchtarten“ samt Leguminosenanteil von mindestens zehn Prozent will das Agrarministerium dagegen nicht mit einer attraktiven Kulap-Maßnahme ergänzen. Dies fordert der Thüringer Bauernverband. Damit bliebe es bei jenen vom Bund vorgeschlagenen 30 €/ha in der Ersten Säule. Die bekannten Maßnahmen zum Erosionsschutz (in Kulissen) bleiben den Ackerbauern erhalten. Geplant sind zudem Angebote für Ackerrandstreifen, Rotmilan- und Hamsterschutz.
Als neue und zentrale Kulap-Maßnahme für den Ackerbau stellte Lettau die Schlagteilung vor. Danach soll auf einem Schlag eine Hauptfrucht zusammenhängend maximal 25 ha einnehmen. Im Wechsel mit anderen Kulturen des Schlages (etwa Weizen, Gerste, Weizen) kann sie aber wiederholt im Feld stehen. Davon verspricht man sich mehr Vielfalt auf dem Acker und eine Antwort auf den Vorwurf, Monokulturen zu kultivieren. Mit welcher Summe diese und die anderen Maßnahmen honoriert werden, blieb noch offen.
Abstriche im benachteiligten Gebiet
Einschnitte und Änderungen plant das Ministerium für die Ausgleichszulage in den benachteiligten Gebieten. Bis 2025 bleibt alles wie es ist. Danach müsse das Budget um 40 % gekürzt werden. Beibehalten werden die Kulisse slowie die Differenzierung nach Ertragsmesszahl und Anteil der Hauptfutterfläche. Ziel sei, die Zulage jenen Betrieben teilweise zu erhalten, die durch ihren Wegfall am stärksten betroffen wären. Somit beschränken sich ab 2026 die beihilfefähigen Flächen auf Grünland und Ackerfutter (einschließlich Mais). Ein Absenken des Niveaus der Beihilfesätze werde unumgänglich.
Förderung von InVestitionen und Innovation
Neben Lettau gaben dessen Kollegen Markus Kunnen, Steffen Groß und Dr. Manuela Kahl Ausblicke auf die neue Förderstruktur des ELER in Thüringen. So bleibt es etwa, mit geringerem Budget, bei der Agrarinvestitionsförderung (AFP). Diese wird beispielsweise um die Förderung von Technik für die mechanische Unkrautbekämpfung erweitert. Verdoppeln will man den Topf für die Innovationsförderung (Zusammenarbeit von Landwirtschaft, Verarbeitung und Wissenschaft). Die Dorfentwicklung mit Wegebau oder LEADER bleiben ein fester Bestandteil.
Für das neue Kulap in Thüringen wird bereits das kommende Jahr spannend. Mitte 2022 soll die Antragstellung beginnen. Bis dahin müssen die Landwirte wissen, welche Kulap-Maßnahmen sie mit den Ökoregeln der Ersten Säule kombinieren können und wollen. Das dürfte ein Balanceakt werden.