Thüringer Bauernverband: Diese Bürokratie kann weg
Auflagen, die Landwirten die Arbeit erschweren, gibt es im Überfluss. Der Thüringer Bauernverband (TBV) hat jetzt ein Liste erstellt, welche davon sofort gestrichen werden können, damit der oft versprochene Abbau der Bürokratie endlich beginnen kann.
Mit den Bauernprotesten kam die hohe Belastung der Landwirtschaftsbetriebe durch Bürokratie wieder auf die Tagesordnung. Ministerien auf Bundes- oder Landesebene sind nun gefragt, Ansätze für Vereinfachungen zusammenzutragen. Der Thüringer Bauernverband (TBV) hat jetzt konkrete Vorschläge für den Bürokratieabbau zusammengestellt. Diese noch vorläufige Liste soll in die Meldung des Erfurter Landwirtschaftsministerium an Bund einfließen und dazu beitragen, überflüssige Auflagen zu identifizieren.
Bürokratie pur: Bescheinigungen für sich selbst
Als Beispiele für teils skurrile Vorschriften nennt der Bauernverband das Prozedere um Nachhaltigkeitsnachweise, die bei der Lieferung von Einsatzstoffen für größere Biogasanlagen mitzuliefern sind. Dabei müssen Anlagenbetreiber quartalsweise Daten melden, die am Jahresende ohnehin von einem extra zu bezahlenden Gutachter für den Verteilernetzbetreiber zu erfassen sind. „Der Höhepunkt ist“, beschreibt der Verband, „dass man als Erzeuger und gleichzeitiger Verbraucher von Biomasse sich selbst eine Bescheinigung ausstellen muss, dass diese Biomasse nachhaltig ist!“
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Nachweise vereinfachen, Gutachten bündeln
Der Bauernverband schlägt nun vor, die Nachhaltigkeit wie bei den anderen Jahresnachweisen für Biomasseanlagen einmal jährlich zu bestätigen. Das damit verbundene zusätzliche Gutachten muss aus seiner Sicht wegfallen oder zumindest vereinfacht werden. Es könnte, so der Vorschlag, Teil des ohnehin zu erstellenden Umweltgutachtens sein. Gutachten zu bündeln, Bürokratie abbauen – so lautet die TBV-Forderung.
Im Bereich Ackerbau richtet der TBV den Fokus auf die angekündigte Stoffstrombilanz. „Sie bringt keine nennenswerten Vorteile in der Praxis sowie im Gewässerschutz“, schätzt der Verband ein. Die vorgenommenen Berechnungen seien häufig stark fehlerbehaftet, die Bilanz trage weder zum Bürokratieabbau noch zur Effizienzsteigerung bei. Mit dieser Einschätzung steht der TBV nicht allein da. Der Versuch mehrerer Bundesländer, die Verordnung im Bundesrat zu stoppen, war jedoch gescheitert.
Tierhalter müssen mehrere Datenbanken beschicken
Im Hinblick auf die Tierhaltung schlägt der Verband vor, angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Meldesysteme eine gemeinsame Datenbank für alle Bestands- und Bewegungsmeldungen über Nutztiere schaffen. Diese sollte dann auch von allen Verwaltungsstellen, die Daten benötigen, genutzt werden. Um auch Außenstehenden einen Überblick über das heute verbindliche Ausmaß an Bürokratie zu verschaffen, listet der Verband einige davon auf:
- halbjährliche VVVO-Bestandsmeldung (VVVO = Viehverkehrsverordnung)
- halbjährliche HIT-TAM-Bestandsmeldung (TAM = Tierarzneimittel)
- jährliche Stichtagsmeldung in HIT (HIT = Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere)
- tägliche Bewegungsmeldung in HIT
- jährliche Bestandsmeldung bei der Tierseuchenkasse
- betriebliche Bestandsregister.
Konkreter Anlass sind zwei neue Meldepflichten für Tierhalter, die noch mehr Bürokratie mit sich bringen werden. Zum einen erfordert die EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten den Aufbau einer neuen Datenbank. Darin muss ab dem 30.12.2024 jeder Rinderhalter, der Rindfleisch oder andere Erzeugnisse aus Rindern produziert, nachweisen, dass dieses Fleisch bzw. diese Erzeugnisse entwaldungsfrei produziert wurden. Gleiches gilt für Schweinehalter, die Sojaschrot verfüttern.
Zum anderen geht es um das neue Tierhaltungskennzeichnungsgesetz. Bis zum 1. August 2024 müssen Tierhalter melden, welche Haltungsform sie praktizieren. Allerdings steht bis jetzt weder fest, welche Behörde zuständig ist, noch wo die Daten zukünftig hinterlegt werden müssen. „Anstelle eines separaten elektronischen Registers wäre es gut, wenn auf vorhandene Datenbanken wie HIT zurückgegriffen wird“, schlägt der Verband vor.
Schon vor drei Jahren 620 Millionen Euro für Bürokratie
Der TBV erinnert daran, dass die Bundesregierung bereits im Jahr 2021 einen Untersuchungsbericht zum Thema „Hofarbeit statt Schreibtischzeit“ vorgelegt hat. Auf 620 Millionen Euro jährlich bezifferte dieser Bericht seinerzeit die bürokratischen Belastungen für die Landwirtschaft. Davon entfielen rund 220 Millionen Euro auf den Bereich Düngung und Pflanzenschutz, 217 Millionen Euro auf Tiergesundheit und Tierarzneimittel sowie 101 Millionen Euro auf Tierkennzeichnung und Tierbestände. „Dies hat sich in den letzten Jahren mit Sicherheit weiter erhöht“, meint der TBV.
Die Liste enthält nach Einschätzung des Verbandes die erst einmal dringendsten Anliegen zum Abbau unnötiger Bürokratie. „Sie kann aber gern ergänzt werden“, sagt TBV-Fachreferentin Anja Nußbaum, die weitere Anregungen entgegennimmt: anja.nussbaum@tbv-erfurt.de.
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