Transportverbote in Drittstaaten mehren sich
Nach Nordrhein-Westfalen verbietet nun auch Niedersachsen Tiertransporte in Nicht-EU-Länder. In Brandenburg steht bislang nur Russland auf der „schwarzen Liste“. Sachsen-Anhalt sieht dagegen keine Rechtsgrundlage für ein generelles Verbot. (aktualisiert)
Das Landwirtschaftsministerium in Hannover untersagte am Freitag mit sofortiger Wirkung und „bis auf Weiteres“, Langstreckentransporten von Nutztieren in Drittländer abzufertigen. So lange bei den zuständigen Veterinärämtern zu wenig sichere Informationen vorlägen, dass die Tierschutzanforderungen auf der gesamten Strecke eingehalten werden könnten, so lange sei keiner Abfertigung zuzustimmen, hieß es dazu aus der Behörde. Unter den derzeitigen Witterungsbedingungen und wegen der Corona-Pandemie müsse man davon ausgehen, dass Transporte nicht bis zum Bestimmungsort in Drittstaaten tierschutz- und rechtskonform durchgeführt werden könnten.
Ostroute schon länger im Blick
Außerdem habe man Langstreckentransporte bereits seit längerem im Blick, informierte das Ministerium. Es verweist auf die im September vorigen Jahres festgelegten Tierschutzanforderungen für lange Transporte. Sie zielten vor allem auf die Ost-Route und auf die Maghreb-Staaten in Nordafrika ab. Die Behörde hatte die eigenverantwortlich handelnden Veterinärämter der Landkreise aufgefordert, die Anforderungen zu beachten, wenn sie über die Abfertigung von Rindertransporten entscheiden.
Nordrhein-Westfalen hatte am Mittwoch voriger Woche bestimmte Langstrecken-Tiertransporte „bis auf Weiteres“ verboten. Dies betrifft den Transport von Rindern in Drittstaaten und lange Transporte von nicht abgesetzten Kälbern. Aktueller Anlass war vermutlich eine Fernsehdokumentation, die die ARD zwei Tage zuvor ausgestrahlt hatte. Darin wurden zum einen Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben beim Transport gezeigt. Zum anderen belegten die SWR-Recherchen, dass nicht alle Rinder tatsächlich wie ausgewiesen als Zuchtvieh verwendet, sondern „zeitnah“ Schlachthöfen zugeführt wurden.
Nach Russland schon seit März verboten
Das Land Brandenburg sprach bereits Ende April ein Abfertigungsverbot für Tiertransporte nach und durch Russland aus. Mitte März hatte das Verbraucherschutzministerium einen Erlass zur „Plausibilitätsprüfung im Zusammenhang mit der Abfertigung von langen, grenzüberschreitenden Beförderungen“ an die Landkreise und kreisfreien Städte versendet und mit einem Rundschreiben über grenzüberschreitende Transporte während der Corona-Pandemie informiert. Danach warf der Deutsche Tierschutzbund den Veterinärbehörden in Brandenburg vor, sie würden Transporte laxer genehmigen als beispielsweise Bayern und Hessen. Kurz darauf sprach das Verbraucherschutzministerium das teilweise Abfertigungsverbot aus.
Betroffen sind davon jedoch nicht nur Langstreckenfahrten durch Zentralrussland, sondern auch die vergleichsweise kurzen Transporte in die Region Kaliningrad. Die russische Exklave an der nordostpolnischen Grenze ist rund 750 km von Potsdam entfernt; eine Fahrt zum östlichsten EU-Mitglied Estland dauert doppelt so lange.
Magdeburg: Länder zu Verboten nicht berechtigt
Das Land Sachsen-Anhalt hingegen sieht sich nicht in der juristischen Lage, eine „generelle Verbotsregelung für Tiertransporte“ zu schaffen. Das liege außerhalb des Kompetenzbereiches der Landesregierung, hieß es aus dem zuständigen Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie (MULE) auf Anfrage der Bauernzeitung. Dafür räume das bestehende EU- und Bundesrecht keine entsprechende Befugnis ein. Welche Voraussetzungen vorliegen müssten, damit ein Transport genehmigt werden könne, seien im Mai 2019 in einem Runderlass an die Vetereninärbehörden klrgestellt worden.
Unmittelbar nach Bekanntwerden von Tierschutzproblemen durch coronabedingte Grenzschließungen habe das MULE das Landesverwaltungsamt als Fachaufsichtsbehörde darauf hingewiesen, dass die rechtlichen Anforderungen an den Schutz von Tieren beim Transport auch während des aktuellen Pandemiegeschehens einzuhalten sind. Sei das nicht möglich, sei die Beförderung lebender Tiere einzustellen. Entsprechende Mitteilungen des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, das für Tierschutz zuständige Bundesministerium sowie die Bundesländer mit Grenzübergängen wurden und werden den unteren Veterinärbehörden unverzüglich zur Kenntnis und Beachtung übergeben, teilte uns das Ministerium in Magdeburg mit.
Kein generelles Verbot auch in Sachsen und Thüringen
In Sachsen hat das zuständige Sozialministerium am Mittwoch per Erlass die Genehmigungsanforderungen für Transporte in Drittländer verschärft. Amtstierärzte hätten nun eine bessere Handhabe um nachzuprüfen, ob die Angaben zur Einhaltung der EU-Bestimmungen plausibel seien. Eine Nachfrage der Bauernzeitung, was das konkret bedeutet, blieb bis zum späten Donnerstagnachmittag unbeantwortet. Wie unsere Anfrage in Erfurt ergab, sieht Thüringen aktuell noch keinen Anlass für weitere Verschärfungen.
Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2015 sind die tierschutzrechtlichen Vorgaben der Europäischen Union zum Tiertransport bis zum Bestimmungsort einzuhalten sind, auch wenn dieser in einem Drittland liegt. red