Gesetz zur Agrarstruktur: „Boden ist keine Ware“

Ortsansässige Landwirte sollen sich Boden noch leisten und diesen erwerben können. © Sabine Rübensaat
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In Thüringen naht der Landtagswahlkampf und die Linken erhöhen den Druck für eine Regulierung des Bodenmarktes. Argumentationshilfe liefert ein in Erfurt vorgestelltes Gutachten. Per Landesrecht könnten demnach Bodenpreise gedeckelt und der Kauf ganzer Betriebe reglementiert werden. (aktualisiert am 5.10. um 15.07 Uhr)

Von Frank Hartmann

Die Links-Partei in Thüringen will noch in diesem Jahr ein Gesetz zur Regulierung der Agrarstruktur in den Landtag einbringen. Dies kündigte Fraktions- und Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow in Erfurt an. Ein von den Fraktionschefs der Linken in den Landtagen und im Bundestag beauftragtes Rechtsgutachten soll dafür Rückenwind bieten. Amira Mohamed Ali, Fraktionschefin der Partei im Bundestag, sagte bei der Vorstellung des Gutachtens im Erfurter Landtag, dass Boden als natürliche Lebensgrundlage keine Ware sein dürfe. Bodenspekulationen nähmen immer weiter zu. Die Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen seien in den vergangenen fünf Jahren um 140 % gestiegen. Reiche außerlandwirtschaftliche Investoren heizten die Preise an. In der Folge würden Landwirte von ihrem Land vertrieben, weil sie nicht mehr die Pacht zahlen könnten. Die Politikerin behauptete, dass in Thüringen aktuell 24 % der landwirtschaftlichen Flächen in der Hand landwirtschaftsfremder Investoren lägen, in Brandenburg 29 % und in Mecklenburg 34 %. Diesen Entwicklungen der Agrarstruktur müsse man Einhalt gebieten.

Viel Land in öffentliche Hand

Die Linken, so Amira Mohamed Ali, wollten eine regional verankerte Landwirtschaft, bei der viel Land in öffentlicher Hand liegt. Diejenigen sollten Zugang zu bezahlbarem Boden haben, die ihn auch bewirtschaften. Man brauche langfristige Pachtverträge für ortsansässige Landwirte sowie für kooperative, gemeinwohlorientierte Bewirtschaftungsmodelle wie Genossenschaften oder die Solidarische Landwirtschaft. Share Deals, also der Kauf von Gesellschaftsanteilen an Agrarunternehmen mitsamt dem Bodeneigentum, gehörten reglementiert.

Agrarstruktur: Bei 500 Hektar Eigentum ist Schluss

Rechtsanwalt Thomas Rüter (Kanzlei Hohage, May und Partner; Hamburg), der das Gutachten erstellt hat, erklärte, dass vorhandene rechtliche Instrumente wie das Grundstücksverkehrsgesetz eine gesunde Agrarstruktur fördern bzw. Gefahren für eine ungesunde Agrarstruktur abwenden könnten. Dennoch gebe es Flächenkonzentrationen, explodierende Bodenpreise und Anteilsverkäufe. Daneben hätten sich neue Formen von Bewirtschaftern wie die Solidarische Landwirtschaft entwickelt, die derzeit keinen Zugang zum Bodenmarkt genießen.


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In seinem Gutachten (PDF-Datei kann am Ende des Textes heruntergeladen werden) legt Rüter dar, dass beim ohnehin genehmigungspflichtigen Bodenkauf Flächenkonzentrationen in landwirtschaftlicher oder nichtlandwirtschaftlicher Hand als Versagungsgrund mit aufgenommen werden könnten. Als Beispiel nannte er in Erfurt 500 ha Eigentum in einem Bundesland als Grenze. Derartige Werte seien freilich politisch zu bestimmen. Dies gelte auch für überhöhte Kaufpreise: So ließe sich beispielhaft der Kauf versagen, wenn der Preis 30 % über dem für das Grundstück geltenden Bodenrichtwert liege. Personenvereinigungen oder Stiftungen, die den Boden nicht selbst bewirtschaften, aber langfristig an Bewirtschafter verpachten, die zur Verbesserung der regionalen Agrarstruktur beitrügen, könnten einem erwerbswilligen Landwirt gleichgestellt werden.

Mehr Kompetenz für Landgesellschaften

Ebenso sei es möglich, den Landgesellschaften erweiterte Kompetenzen zukommen zu lassen. Sei es wie in Baden-Württemberg, wo die Landgesellschaft heute schon ihr Vorkaufsrecht ausüben kann, selbst wenn es keinen kaufwilligen Landwirt gibt. In diesem Fall muss die Fläche spätestens nach zehn Jahren wieder einem kaufwilligen Landwirt angeboten werden. Rüter sieht zudem Möglichkeiten, bei der „regulären“ Ausübung des Vorkaufsrechtes die heute doppelt zu entrichtende Grunderwerbssteuer abzuwenden. Daneben könne eine Landgesellschaft als Verwalterin eines landeseigenen Bodenfonds tätig sein. Diese Flächen ließen sich aber nicht über das Vorkaufsrecht ansammeln. In diesem Fall agiere das gemeinnützige Siedlungsunternehmen wie jeder andere am Bodenmarkt.


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Gesetz zur Agrarstruktur könnte Share Deals unattraktiv machen

Für eine Regulierung der gerade im Osten besonders kontroverses diskutierten Share Deals hält Rüter ebenfalls landesrechtliche Reglementierungen für möglich. Diese begrenzten sich aber auf die Genehmigung bzw. Versagung. Einen möglichen vorkaufsrechtlichen Zugriff sieht er aber nicht. Rüter schlägt vor, die für eine Genehmigungspflicht infrage kommenden Unternehmen qualitativ einzugrenzen. Seinem Beispiel nach könne eine Genehmigungspflicht vorliegen, wenn mehr als 30 % der Gesellschaftsanteile erworben werden sollen und der Vermögenswert des Unternehmens zu mindestens 40 % auf Agrarland fußt. Börsennotierte Aktiengesellschaften fielen aus rechtlichen Gründen nicht unter eine Genehmigungspflicht. Gleiches gelte für Genossenschaften, die per Satzung eine Übertragung von Geschäftsguthaben ausschließen. Anderenfalls würden Genossenschaften und nicht börsennotierte AG den GbR, OHG, KG und GmbH gleichgestellt, die allesamt einzubeziehen wären. Zu versagen sei das Geschäft, wenn der Käufer beispielhaft mehr als 500 ha Eigentumsland (im Bundesland) besitzt. Einzubeziehen wären hier auch Flächen aus Beteiligungen an anderen Unternehmen, an denen der Käufer mehr als 30 % der Anteile hält.


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Preisdeckel und Vorkaufsrecht

„Wir brauchen drei Dinge: einen Preisdeckel, ein Vorkaufsrecht für echte Landwirte aus der Region und mehr Land in öffentlicher Hand“, fasste Hennig-Wellsow die Erwartungen an eine „sozial orientierte Bodenmarktpolitik“ zusammen. Für die möglichen neuen Aufgaben der Landgesellschaft in Thüringen halte sie einen finanziellen Grundstock zwischen 10 und 50 Mio. € für angebracht. In den Verhandlungen zum Landeshaushalt 2021 spielt das aber noch keine Rolle. Weil Rot-Rot-Grün im Thüringer Landtag keine Mehrheit besitzt, bestehen berechtigte Zweifel, dass die Koalition bis zu den Neuwahlen im Frühjahr 2021 ihre agrarstrukturellen Ideen in Gesetze wird gießen können.

Ministerium mit eigenen Ideen zur Agrarstruktur

Hennig-Wellsow erklärte, dass man die landwirtschaftlichen Verbände, die zum Teil konträre Auffassungen zum Thema hätten, in die Debatte einbinden wolle. Noch im Oktober, so erfuhr die Bauernzeitung, will das von den Linken geführte Thüringer Agrarministerium die Verbände im Land über seine Ideen zur Regulierung des Bodenmarktes informieren. Über die jetzt gestartete Initiative der Fraktion ist man im Haus von Minister Benjamin-Immanuel Hoff alles andere als erfreut.

Relativ wenig Bodeneigentum an investoren

Dass in Thüringen aktuell 24 % der Flächen in der Hand landwirtschaftsfremder Investoren liegen sollen (Brandenburg 29 %; Mecklenburg-Vorpommern 34 %), bedarf der Klärung. Die Links-Fraktion im Bundestag verwies auf Nachfrage auf den Thünen-Report aus dem Jahr 2017. Hierin finden sich die Zahlen aber nicht, zumal pro Bundesland nur zwei Landkreise untersucht wurden. Studienautor Andreas Tietz hatte schon vor einiger Zeit in der Bauernzeitung erklärt, dass die Ergebnisse nicht repräsentativ für ein ganzes Bundesland seien.



Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die genannten Angaben auf die von überregionalen Investoren (landwirtschaftliche, landwirtschaftsnahe, nichtlandwirtschaftliche) bewirtschaftete anteilige Nutzfläche in den untersuchten Landkreisen bezieht. Von 2007 bis 2017, heißt es im Thünen-Report, wechselten in Relation zur landwirtschaftlichen Gesamtfläche der Fallregionen 2,2 % der Fläche den Eigentümer per Share Deal. In den beiden brandenburgischen Kreisen lag dieser Anteil bei 3,9 %, in den Fallregionen in Mecklenburg-Vorpommern bei 2,9 %, in Thüringen und Sachsen bei jeweils 1,5 % und in Sachsen-Anhalt bei 0,5 %.