Mehr als nur der Zins

Vor dem Erfurter Rathaus (v. l.): AbL- ChefMichael Grolm mit OB Andreas Bausewein und AbL-Geschäftsführerin Anne Neuber. © Frank Hartmann
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Erfurt will für seine Agrarflächen Verpachtungsregeln aufstellen. Die Initiative dazu ging von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft aus. Mitgewirkt daran haben Bauern- und Gartenbauverband.

Von Frank Hartmann

Dass die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in Mitteldeutschland für ihren bundesweiten Aktionstag zur „Gemeinwohlverpachtung“ Erfurt als zentralen Ort ausgewählt hatte, besaß hohen Symbolwert. Eine städtische Arbeitsgruppe arbeitet hier seit mehreren Jahren an Kriterien zur Pachtvergabe, um die knapp 1.000 ha Agrarland in Zukunft nach klaren Regeln zu vergeben.

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Transparentes Vergabeverfahren für kommunales Pachtland gefordert

Die AbL fordert ein transparentes Vergabeverfahren für kommunales Pachtland und kritisiert die Vergabepraxis nach Höchstgebot und Gewohnheitsrecht.

Nach Ansicht der AbL haben kleine Betriebe immer größere Schwierigkeiten, die hohen Kauf- und Pachtpreise durch ihre Arbeit zu erwirtschaften. Insbesondere jungen Landwirten ohne geerbtes Land falle der Zugang zu Ackerflächen schwer. Kommunen könnten diesen Entwicklungen entgegensteuern, indem sie die Verpachtung ihrer Agrarflächen nach neuen Kriterien gestalten.

Weil der freie Pachtmarkt Grenzen aufzeigt, fordert die AbL seit langer Zeit schon öffentliche Verpächter zu einem Kurswechsel auf. Dies hatte bei der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) Erfolg. Der größte Landverpächter in Sachsen-Anhalt und Thüringen führte 2017 einen Kriterienkatalog für seine 80.000 ha ein, mit dem man den AbL-Forderungen entgegenkam. In Erfurt wurden neben der AbL auch der regionale Bauernverband und der Gartenbauverband mit einbezogen.

Verpachtungsregeln für Agrarflächen: Punktesystem für Pachtvergabe

Aktuell liegt hier ein Entwurf vor, der ein Punktesystem für die Pachtvergabe vorsieht. Dazu zählt die regionale Herkunft (Hauptbetriebssitz Erfurt, in angrenzenden Gemeinden, Thüringen).

Weitere Kriterien sind die Bewirtschaftungsform (ökologisch, konventionell), Soziale Aspekte (Existenzgründer, Existenzgefährdung durch Flächenverlust im Zuge von Infrastrukturbau oder A+E-Maßnahmen, Lehrausbildung, Inklusion, Direktvermarktung), Natur- und Artenschutz (Verzicht auf Totalherbizide, vielfältige Fruchtfolge, Sonderkulturen/Gartenbau, Teilnahme an biodiversitätsfördernden Programmen, Schlaggrößen) sowie die Tierhaltung zwischen 0,3 und 1,4 GV/ha.

Damit konnte sich die AbL freilich nicht mit allen Forderungen durchsetzen. Der Vorsitzende der AbL-Mitteldeutschland, Berufsimker Michael Grolm, hofft, dass der Katalog Anfang kommenden Jahres vom Stadtrat beschlossen wird. Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) gab bei der Aktion seiner Hoffnung Ausdruck, „dass wir in Erfurt als gutes Beispiel vorangehen und andere Kommunen dazu animieren können, diesen Weg auch einzuschlagen“.

Gewerbegebiet auf 50 ha bestem Boden: Streit um Ortsteil Urbich

Dass die Stadt Erfurt wie andere Kommunen an der Verknappung von Agrarland mitwirkt, nannte Bausewein einen notwendigen Kompromiss, um Wohnraum und Arbeitsplätze zu schaffen.

Seit Längerem gibt es etwa Streit im Ortsteil Urbich. Hier sollen 50 ha bester Boden einem Gewerbegebiet weichen. Erfurt, das für seinen Gemüsebau einst berühmt war, wies laut Agrarstatistik im Jahr 1991 noch 23.000 ha Nutzfläche auf. Trotz enormer Eingemeindungen umliegender Dörfer im Jahr 1994 sind heute gerade noch 13.700 ha landwirtschaftliche Nutzfläche vorhanden. Die Zahl der Betriebe blieb mit 84 über den langen Zeitraum stabil.

Thüringenweit haben die Pachtpreise in den letzten Jahren angezogen, sind aber noch immer von dem Niveau im Westen und Süden der Republik entfernt. Der Pachtflächenanteil bewegt sich im Mittel bei 70 %. Den letzten verfügbaren Zahlen von 2018 nach hatten knapp 50 % der Pachtverträge (rund 250.000 ha) Laufzeiten von unter sechs Jahren.

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