Schäfer Knut Kucznik im Interview

Schutz vor dem Wolf, weil es um das Überleben geht

Knut Kucznik (c) Heike Mildner
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Wir sprachen mit Knut Kucznik, dem Vorsitzenden des Schafzuchtverbandes Brandenburg, über den Brandenburger Weg im Umgang mit dem Wolf, sein spontanes Filmprojekt und dessen Folgen.

Die Fragen stellte Heike Mildner

Bauernzeitung: Sie sind schon immer jemand, der polarisiert. Früher verliefen die Pole zwischen Schäferei und Schafzuchtverband hier und Land, Bund, EU da. Heute werfen Ihnen Schäfer in digitalen Netzwerken vor, dass Sie dem Wolfsschutz näher stehen als den Berufskollegen. Wie konnte es dazu kommen?
Kucznik: Als ich im Verband Verantwortung übernommen habe, gab es das Thema Wolf schon, aber nur im Hintergrund. Ich habe damals wie alle geredet, die die Linie des Schafzuchtverbandes Brandenburg heute kritisieren. Folglich kann ich jeden Kritiker meiner Person deutschlandweit zu hundert Prozent verstehen. Selbstverständlich wollte ich die Flinte! Und Gift und die totale Ausrottung der Wölfe! Dafür hat eine ganze Zeit mein Name gestanden. Und wir sind mit dem Kopf gegen die Wand gerannt, bis er blutig war. Wir haben erkannt: Wir schaffen es nicht, das Gesetz zu ändern. Wie denn auch? Soll ich so lange meine Schafe auffressen lassen, bis die Gesellschaft erkennt, dass das so ekelhaft ist, dass jetzt der Wolf geschossen werden muss? Wir sind Hirten, das kriegen wir nicht hin! Also brauchte es einen anderen Weg, einer, der auch auch bezahlt wird. Andreas Hauswald war der erste, der mit dem Herdenschutz angefangen hat. Und ich war wieder ganz vorne und hab gesagt: Was für ein Idiot! Hunde zu Schafen sperren – wie soll das gehen? Hunde fressen Schafe! Aber er hat im Wolfsgebiet seine Schafe gehütet und hatte keine Angst!

Was ist aus ihm geworden?
Er ist jetzt Rentner und hat den Betrieb seiner Tochter übergeben! Ist immer noch ein Zuchtbetrieb. Das heißt: In die Zukunft denken!

Ich dachte, Sie hätten mit den Hunden angefangen …
Die Wölfe sind mehr geworden, und wir haben dann über Lottomittel vom Land Herdenschutzhunde in der Schweiz gekauft. Aber wir hatten Probleme, weil wir nicht verstanden, wie das Ganze funktioniert. Da hat uns die Landesregierung aus Lottomitteln Biologinnen zur Seite gestellt. Zwei Anläufe, beide Male eine Pleite. Und dann hat das Ministerium uns gefragt, ob wir Schäfer das nicht selbst regeln können: Da haben wir den Verein Herdenschutzhunde gegründet. Grundlage war: Wir haben haben uns wirklich dafür interessiert, zusammengesetzt und überlegt: Was wollen wir haben, wie können wir es erreichen, und wer erreicht das jetzt gerade? Und wir haben uns auf Französische Pyrenäenberghunde und Maremmano Abruzzese geeinigt.

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Auszüge aus dem Gespräch mit Knut Kucznik – mit Corona-Sicherheitsabstand an der frischen Luft. Video (c) Heike Mildner

Hatten Sie die von Anfang an?
Ich hatte Šarplaninac, jugoslawische Herdenschutzhunde, weil ich dachte, nur ein ganz böser Kämpfer kann gegen den Wolf bestehen. Dann gab es einen Unfall, der mich zum Nachdenken gebracht hat. Vor allem wegen der Frau, die dabei verletzt wurde. Außerdem hatte meine Betriebshaftpflicht mir gekündigt wegen der Hundeschäden. Ich war bei 5.000 Euro Selbstbeteiligung, nur damit ich eine bekomme. Und die Kollegen haben gesagt, du musst jetzt mal langsam überlegen, was du tust… Und ich hab überlegt, und hab mich geändert. Brandenburg ist mittlerweile führend beim Wolfsschutz, auch was das Geld angeht, das dafür ausgegeben wird.

Haben wir eine Neiddiskussion?
Als wir Hilfe brauchten, haben sie woanders gelacht. Wir wurden nicht ernst genommen, und werden es jetzt, wo wir eine Lösung gefunden haben, auch nicht. Wir haben nur eine Lösung gefunden, weil unsere Landesregierung gesagt hat: Wir geben Brandenburger Geld nicht an irgendwelche Typen mit weißen Hunden! Wenn ihr Geld von uns haben wollt, dann beweist uns, dass die Hunde auch wirksam sind. Also brauchten wir ein Zuchtprogramm, eine Prüfungsordnung, eine Haltungsempfehlung vom Land. Die AG Herdenschutzhunde darf die Herdenschutzhundhalter schulen, ist für die Organisation der Zucht und für die Prüfung der Hunde zuständig. Das ist anspruchsvoll, denn wir mussten auch garantieren, dass es funktioniert!

Wenn ein Bock humpelt, sorgt der Schäfer schnell für Klärung. (c) Heike Mildner

Und jetzt sind Sie „der NabuSchäfer“ …
Als noch keiner den Herdenschutz bezahlen wollte, konnten wir nicht wählerisch sein. 30.000 bis 50.000 Euro im Jahr kostet der Herdenschutz pro Betrieb. Das Geld hat kein Schäfer über. Also bin ich zum Nabu gegangen und hab gesagt: Ihr wollt doch den Wolf! Machen wir mal ne Spendenaktion unter denen, die den Wolf romantisch finden… Wir haben Schäfereien vorgestellt, ich hatte sogar ne Kamera im Stall. Was kam zusammen? 860 Euro. So viel war es ihnen wert. Aber es war ein Versuch. Dem Nabu war es auch peinlich. Er hat von dem Geld Schutzzäune für den Notfall gekauft, es ist nie an die Schäfer gegangen.

Und jetzt kommt alles anders?
Ende letzten Jahres wurde der GAK-Rahmenplan geändert. Darin steht jetzt, dass Herdenschutz bezahlt werden kann. Jeder Kilometer wolfssicherer Zaun im Unterhalt 1.200 Euro, jeder Herdenschutzhund im Unterhalt 1.920 Euro. Und wir Brandenburger haben mit Axel Vogel jemanden, der die Politik seines Vogängers an dieser Stelle weiterführt. Das Ministerium hat sofort angefangen, eine Verordnung zu schreiben, damit dieses Geld die Schäfer bekommen. Wenn die EU sie notifiziert hat, kann das Geld endlich ausgezahlt werden. Der Weg war so lang! Und dann sagen Kollegen in anderem Bundesländern: Was haben wir davon? Unsere Politik hilft uns nicht. Sie möchten, dass der Wolf geschossen wird, weil es das einzige ist, was sie sich vorstellen können, das hilft.

Waren die Handyfilme, die Sie gepostet haben, ein Versuch, sie vom Gegenteil zu überzeugen?
Sie waren vor allem ein riesiger Fehler. An diesem Tag hatte ich wieder mal so viele ekelhafte Bilder zugeschickt bekommen, wie der Herdenschutz versagt. Und nach dem Film mit dem Ziegenbock, der beim Laufen auf seine Eingeweide tritt und nicht erlöst, sondern mehrere Minuten gefilmt wird, hab‘ ich mein Smartphone genommen, bin zu meinen Herden, habe gefilmt und gesagt: Hier hängen keine Eingeweide aus den Bäuchen! Das ist für einen Vorsitzenden eines Verbandes keine gute Idee. Weil ich damit sämtlichen Leuten, die keinen Herdenschutz können, direkt ins Gesicht geschlagen habe. Ich wollte sagen: Schutz ist möglich! Nur hab‘ ich nicht gesagt, dass er Geld kostet, dass Hunde nicht bei jedem helfen, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie Herdenschutz im Gebirge oder in Küstenregionen funktioniert – aber in Brandenburg funktioniert er! Die Art und Weise war mies und hat die Kollegen bundesweit verrückt gemacht.

In Brandenburg ist noch kein Wolf geschossen worden. Gehört das nicht auch dazu?
Der Abschuss ist geregelt. Wenn wir einen entsprechenden Fall haben, wird Brandenburg sehen, wie der gesamte Schafzuchtverband aufsteht und hinter dem Wolf her sein wird! Oder hinter den Leuten, die dafür verantwortlich sind, dass er geschossen wird. Aber vorher müssen wir unsere Schafe schützen!