Was kommt nach der Kohle? – Austausch beim ZukunftsForum Landnutzung
Wenn der Tagebau Geschichte ist, winkt mit den Folgelandschaften eine neue Ressource. Beim ersten ZukunftsForum Landnutzung in der Lausitz tauschten sich mehr als 130 Akteure – auch Landwirte – über die neuen Möglichkeiten aus.
Von Heike Mildner
Es war eine Premiere. Das erste ZukunftsForum Landnutzung fand an zwei Tagen Ende September an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) statt. Veranstaltet vom Forschungsbündnis Land-Innovation-Lausitz (LIL, Kasten) ging es aber nicht nur um die Zukunft der Lausitz. Akteure aus Landwirtschaft, Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft besprachen Fragen zukunftsfähiger Landnutzung und Bioökonomie, die auch jenseits der Tagebaulandschaft von Belang sind. Denn: Ob Landwirtschaft, Energieerzeugung, Erholungsgebiet oder Naturschutz – die Nutzungsansprüche an zunehmend knapper werdende Flächen sind allerorten hoch und stetig steigend. Dementsprechend groß war die Bandbreite der diskutierten Inhalte beim ZukunftsForum Landnutzung. „Die Keynotes, Podiumsdiskussionen und Sessions spiegelten die immense Vielschichtigkeit des Themas Landnutzung wider“, resümiert Elke Thiele, Wissenschaftskommunikatorin des LIL.
Agroforst: Besuch beim Landwirt in Brandenburg
Eine Exkursion sorgte im Vorfeld des ersten Tages für die nötige Bodenhaftung. Stationen waren der Cottbusser Ostsee, ein Abstecher zu Landwirt Robert Häußler (Agroforstwirtschaft auf 10 ha) und zu Phillip Fumfahr, Geschäftsführer der Bäckerei Wahn, die ein nachhaltiges Energiekonzept verfolgt. Häußler ist Projektpartner der Deutschen Fachagentur Agroforstwirtschaft (DeFAF). Er betreibt auf rund 10 ha Agroforst: Pappelstreifen, aber auch Wertholz- und Obstbaumreihen dazwischen, abwechselnd Ackerbau und Legehennen in Mobilställen, informiert die DeFAF. „Die Hennen finden im Agroforst Schutz vor Witterung, Greifvögeln sowie Möglichkeiten zum Insekten picken und scharren.“
Mit der nötigen Bodenhaftung ging es nach der Exkursion beim ZukunftsForum Landnutzung in den Austausch. „Schnell wurde deutlich, dass Diskussionen um eine zukunftsorientierte Landnutzung in der Lausitz wesentlich mehr als ,nur‘ den Aspekt der Rekultivierung einschließen müssen.“ Es gelte, die Kulturlandschaft als Ganzes in den Blick zu nehmen und sowohl die Auswirkungen der Tagebaue als auch die der Agrar- und Forstwirtschaft einzubeziehen, so Thiele.
Lausitz: Wie werden Flächen künftig genutzt?
„Eine der zentralen Fragen ist, wie durch multifunktionale Flächennutzung – also beispielsweise durch Kombination von Energieerzeugung, Nahrungs- und Futtermittelproduktion – konkurrierende Nutzungsansprüche sinnvoll mit-einander verbunden werden können. Hilfreich können die Prinzi-pien einer nachhaltigen, zirkulären Bioökonomie sein, in der Stoffkreisläufe geschlossen und Rest- und Abfallstoffe sowie Nebenprodukte effizient genutzt werden. Die Frage, wie dies bestmöglich funk-tionieren kann, zog sich wie ein roter Faden durch die Debatten des Forums. Ein Teil der Antwort scheine darin zu liegen, zunehmend ganzheitliche und systemische Ansätze zu verfolgen: durch Berücksichtigung möglichst aller Informationen aus den beteiligten Wirtschaftszweigen, aller Flächennutzungsansprüche und den geltenden Rahmenbedingungen.
Kohle: Erfolgreiche Machbarkeitsstudie
Solche Lösungsansätze erfordern vor allem auch Vernetzung aller Beteiligten und deren Offenheit. So sollten relevante Probleme gemeinsam identifiziert und gelöst werden“, so Thiele. Ein besonders schwerwiegendes Hemmnis bei der (schrittweisen) Skalierung innovativer Lösungen nach einer erfolgreichen Machbarkeitsstudie oder der Erprobung im Labormaßstab, seien die Anschlussfinanzierungen.
Wissen weitergeben: Dialog mit Praktikern
Dass finanzielle Aspekte nicht nur im wissenschaftlichen Bereich, sondern auch beim Transfer in die Praxis eine große Rolle spielen, wurde besonders in der 90-minütige Session zum Thema „Landwirtschaft und Wissenschaft im Dialog – Wie können Wissenstransfer und Netzwerke aus Landwirtschaft und Wissenschaft die Agrarwirtschaft zukunftsfähig gestalten?“ deutlich. Julian Delbrügge von der Koordinierungsstelle am Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung e.V. (ILU) geht in seiner Pressemitteilung ins Detail und fasst die Ergebnisse dieser Teilveranstaltung innerhalb des Forums wie folgt zusammen: Der erfolgreiche Wandel in der Landwirtschaft gelinge nur, wenn Wissenschaft und Praxis miteinander reden und Wissen austauschen – der oft genannte Wissenstransfer.
Doch miteinander zu reden, sich zu erklären, Probleme und Ideen auszuformulieren, ist bisweilen anstrengend, zeitraubend oder – wie Philipp Fumfahr es in der Diskussionsrunde beschrieb: „Wissenstransfer macht Arbeit und bissweilen auch keinen Spaß“. Fumfahr ist Bäckermeister und übernahm im Jahr 2015 die Bäckerei Wahn in Vetschau im Spreewald. Er war als einer von drei Praxisvertretern zur Diskussionsrunde geladen.
Fumfahr setzt stark auf regional bezogene Rohstoffe und weiß: Das Bäckereipersonal muss den Kunden viel erklären, wie wertvoll und nachhaltig es ist, wenn das Getreide für das Brot vom Bauern nebenan stammt. Doch alle guten Gründe bedeuten eben nicht automatisch, dass der Kunde häufiger dieses Brot kauft oder sogar mehr dafür bezahlt. Wissenstransfer habe zunächst viel mit „Enthusiasmus“ und Investition in die Zukunft zu tun, so Fumfahr.
Ähnlich benannte es Christoph Schulz, Ackerbauer und Halter von Legehennen aus dem brandenburgischen Atterwasch, Landkreis Spree-Neiße: „Wissenstransfer ist für uns ein Ehrenamt.“ Während für Projektleiter aus der Wissenschaft der Wissensaustausch mit Landwirten und Landwirtinnen Teil ihres Jobs ist, müssen die Praxispartner das nebenher leisten. Zeit und Energie, die ihnen für die Arbeit im Betrieb fehlt. Konkret kann das bedeuten, dass der Wissenstransfer die Landwirte Geld kostet. „Die Kosten begrenzen so die Motivation an Projekten teilzunehmen“, erklärte Elisa Erpel, Pflanzenbauleiterin bei Oehnaland Agrar mit Sitz in Niedergörsdorf im Fläming, Brandenburg, die dritte Sprecherin für die Praxis auf der Forumsbühne.
Nach der Braunkohle in der Lausitz: Neue Ideen
Bei aller Kritik waren sich die Praxisvertreter einig: Wissenstransfer ist total wichtig. Er sorgt für den fachlichen Austausch zwischen Berufskollegen und Wissenschaft und bringt neue Ideen in Betriebe und Forschungsstationen. Zudem ermöglicht der Austausch wissenschaftliche Unterstützung dafür, welche Innovationen in der Praxis funktionieren können und wie.
Diese Projekte laufen
Es brauche eine gewisse Bereitschaft von Landwirten mitzuwirken, damit Projekte der Praxis auch etwas nützen, bestätigte Dr. Matthias Held (LIL). Er stellte das Lausitzer Agrar-Informationszentrum (LAIZ) vor. Es soll innerhalb von Land-Innovation-Lausitz (LIL) entstehen und Wissenstransfer und Beratung anbieten. Ziel ist es, die Menschen vor Ort zu unterstützen, die vom Braunkohletagebau geprägte Lausitz nach und nach in eine Bioökonomie-Region mit klimaangepasster Landnutzung zu überführen.
Austausch mit Landesbauernverband
Das Modell- und Demonstrationsvorhaben Integrierter Pflanzenbau (MuD) für die Region Brandenburg wurde im Forum von Laura Rheinfels vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) vertreten. Das Projekt möchte nachhaltige Ackerbaustrategien in Praxisbetrieben testen und mit den Praktikern diskutieren. Betreut werden die Betriebe vom Landesbauernverband Brandenburg (LBV) und vom ATB. Für beide ist der Austausch mit der Praxis somit eine feste Projektsäule.
AgroWert-Regio, ein Projekt vom DeFAF, wurde von Projektmitarbeiter Ruben Weber vorgestellt. Er skizzierte, wie Wertschöpfungsketten von Agroforstsystemen entwickelt und auch ökonomisch bewertet werden können.
Marketing für Landwirte
Zudem soll eine geplante Vermarktungsinitiative Agroforst-Landwirten Teile der Vermarktungsarbeit für ihre Produkte, sprich den Wissenstransfern mit den Kunden, abnehmen. Hier zeigte sich ein Ansatz, wie Wissenstransfer zwischen Forschung und Praxis gleichberechtigt gelingen kann. Denn während Projektleiter für den Fachaustausch bezahlt werden, ist es hilfreich, den Landwirten ihre Zeit quasi zu kaufen – sei es, indem Marketingarbeit übernommen wird, oder Landwirte und Landwirtinnen für ihren Einsatz bezahlt werden. Beispielsweise sehe das MuD-Projekt feste Stundensätze für die Projektarbeit der Praxispartner vor, so Laura Rheinfels. Ähnlich Wege gehen auch schon andere Projekte wie das vom Landwirtschaftsministerium Brandenburg finanzierte Projekt „Grabenstaue“, wie eine Zuhörerin aus dem Publikum erwähnte.
Workshop: Freude beim Transfer
Doch manchmal sei schon die Kontaktaufnahme eine Hürde, beschrieb Dr. agr. André Sradnick vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) mit Sitz in Großbeeren. Sradnick steht InnoWild und InnoWert vor, zwei Projekte, die der Idee nachgehen, die wertvollen Inhaltstoffe von Wildpflanzen zu nutzen und in der Lausitz anzubauen. Doch Landwirte für Projekt-Workshops zu gewinnen, gestaltete sich schwierig. Alles, was nicht „draußen“ stattfände, würde wenig angenommen, berichtete Sradnick. In Folge seien die Chancen des Wildpflanzenanbaus für die Landwirte schwer zu vermitteln.
Ähnliches berichtete Tobias Nowakowski von der BTU Cottbus. Er stellte das Projekt KliBioTo vor. Landnutzungstypen wie Heide, landwirtschaftliche Flächen und Agroforst wurden hierbei mit einer Drohne beflogen und erfasst, wie stark sie sich im Sommer erhitzen. Die Daten sollen unter anderem Regionen identifizieren, wo zukünftig hitzetolerante Kulturen angebaut werden sollten. So fasst Julian Delbrügge vom ILU in seiner Pressemitteilung die Session „Landwirtschaft und Wissenschaft im Dialog“ zusammen.
Reges Interesse an Diskussionen
Das Veranstaltungsformat habe sich als ausgesprochen gut geeignet für die Umsetzung des Forumsgedankens erwiesen, resümiert Thiele. Die Sessions und Podiumsdiskussionen stießen auf reges Interesse, die engagierten Diskussionen setzten sich auch in den Pausen fort. Die allseits spürbare offene und lebendige Atmosphäre beförderte Erfahrungsaustausch und Netzwerkbildung. Intensive Debatten seien auch über die Grenzen der verschiedenen Fachbereiche hinaus geführt worden. Jetzt gelte es, weiter im Gespräch zu bleiben.
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