Wendorff führt LBV auf „neuen Brandenburger Weg“
Brandenburgs Bauernpräsident Henrik Wendorff geht mit einer überwältigenden Mehrheit von 99,2 Prozent in seine zweite Amtszeit. Der „neue Brandenburger Weg“ wurde als Positionspapier und Strategie des LBV bis 2030 angenommen.
Die 156 Delegierten des Landesbauernverbandes Brandenburg wählten in diesem Jahr erstmals in der Geschichte des Verbandes ihren Vorstand per Briefwahl. An der Spitze des Verbandes steht für weitere vier Jahre der 55-jährige Biolandwirt Henrik Wendorff aus dem Landkreis Märkisch-Oderland. 99,2 Prozent der stimmberechtigten Mitglieder gaben ihm das Votum für eine zweite Amtszeit. „Die Herausforderungen, denen wir uns als Berufsstand stellen müssen, sind enorm“, so Wendorff. „Als Präsident der Brandenburger Bauern möchte ich gemeinsam mit dem Vorstand intensiv dafür streiten, dass die geforderten Leistungen der Landwirte für die Gesellschaft klar definiert und angemessen honoriert werden.“
Ebenfalls mit großer Mehrheit bestätigt wurden die beiden Vizepräsidenten Sven Deter (45 Jahre), Mutterkuhhalter aus Ostprignitz-Ruppin und der Spreewälder Heiko Terno (48 Jahre). Auch der 31-jährige Havelländer Lars Schmidt wurde als Vorstandsmitglied wiedergewählt. Jutta Quoos (63 Jahre), Vorsitzende des Brandenburger Landfrauenverbandes, verbleibt als gesetztes Mitglied im Vorstand des LBV.
Neue Gesichter in Vorstand und geschäftsführung
Neu in den Vorstand rücken Caroline Bartsch aus Oder-Spree und Bernd Starick aus Spree-Neiße nach. Caroline Bartsch (34 Jahre) ist Agrarwissenschaftlerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Glienicker Agrargesellschaft. „Ich möchte mit dazu beitragen, die Junglandwirtearbeit auf Landesebene zu intensivieren. Wer die jungen Bäuerinnen und Bauern wieder enger an den Verband binden möchte, muss Identität und Gemeinsinn stiften. Dafür möchte ich mich einsetzen“, so Bartsch.
Bernd Starick (54 Jahre) ist Agraringenieur und Vorstand der Bauern AG Neißetal. „In unserem Betrieb sind wir Dank verschiedener Innovationen Vorreiter bei der alternativen Verwertung von Ackerkulturen. Neue Wege zu gehen und dabei die Bauern einerseits und die Öffentlichkeit andererseits mitzunehmen, daran möchte ich auf Landesebene mitwirken“, erklärt Starick.
Ehrennadel für Wolfgang Scherfke
Wolfgang Scherfke wurde nach 20 Jahren als Hauptgeschäftsführer des LBV mit der Ehrennadel des Verbandes ausgezeichnet. Wendorff lobte die Beständigkeit, Ehrlichkeit und die volle Verbundenheit Scherfkes mit der heimischen Landwirtschaft. Die zugeschalteten Kreisbauernverbände, deren Delegierte in den Kreisen zusammengekommen waren, applaudierten via Internet. Als neuer Geschäftsführer wird ab 1. Dezember Denny Tumlirsch, bisher Justitiar des LBV, die Geschäftsstelle leiten. Der Geschäftsführer wird nach einer Satzungsänderung durch die Delegierten künftig nicht mehr Vorstandsmitglied sein. 66 Prozent der Delegierten hatten zuvor im nicht öffentlichen Teil der Versammlung einer Beitrags- und Strukturanpassung zugestimmt.
93 Prozent Zustimmung für den neuen Brandenburger Weg
Ebenfalls im internen Teil der Versammlung stimmten 93 Prozent der Delegierten dem Entwurf des Positionspapieres „Der neue Brandenburger Weg – Zukunftsperspektiven für die Landwirtschaft 2030“ zu. Es beschreibt, wie in der Metropolregion Berlin und Brandenburg ein Kreislaufwirtschaftssystem entstehen kann, das gesellschaftlichen Erwartungen gerecht wird und Landwirten die Existenz sichert. 93 Prozent der Delegierten stimmten somit für die Aussicht auf eine Modellregion Berlin-Brandenburg, die ihre Bürger mehr und mehr mit nachhaltig produzierten Lebensmitteln aus der Region versorgt.
Damit habe man ein Signal gesetzt, das man aufnehmen könne, wenn man Veränderungen will, und die Veränderungsbereitschaft der Landwirte in diesem Land unterstützen möchte, warb Henrik Wendorff im öffentlichen Teil der Bauernversammlung für den neuen Ansatz des Landesbauernverbandes. „Was Tesla für die Autobranche ist in diesem Land ist, ist vielleicht der Brandenburger Weg für die Landwirtschaft. Oder er kann es zumindest werden“, formulierte Wendorff mit einem Hauch Ironie im Hinblick auf die Baugenehmigungspraxis beim Autokonzern im Vergleich zu der im Bereich Tierhaltung.
„Wir brauchen einen Qualitätssprung“
Allerdings gehe es der Landwirtschaft schlecht, macht Wendorff deutlich und nennt existenzgefährdende Erzeugerpreise, stark rückläufige Tierzahlen in Brandenburg im Schweine- vor allem aber im Milchviehbereich, Absatzprobleme im Ökolandbau, drohende Verluste im Zuge der neuen GAP, ein nebulöses agrarstrukturelles Leitbild. Bei dessen Erarbeitung fühlt sich der LBV als Verband, der alle Rechtsformen und Betriebsgrößen vertritt, nicht angemessen einbezogen.
Unbefriedigend sei, dass man noch nicht wisse, wie sich die Ausweisung der Roten Gebiete gestaltet und wie mit den sogenannten Phosphatkulissen umgegangen wird. „Das macht das Arbeiten nicht einfacher. Hier brauchen wir einen Qualitätssprung, der uns bei unseren Entscheidungen einen Vorsprung gibt“, mahnte Wendorff an. „Wir brauchen endlich verlässliche Antworten und nicht die politisch korrekten, nichtssagenden Auskünfte, wir brauchen Antworten, die uns in die Lage versetzen, auf dem Berliner Markt ernstgenommen zu werden und dazu beitragen, im nationalen und internationalen Wettbewerb zu bestehen“, wendet sich Wendorff an sein Fachministerium.
Ganze Landesregierung steht hinter gewachsener Agrarstruktur
Einige der aufgeworfenen Fragen, konnte Agrarminister Axel Vogel, der sich vom Ministerium aus zugeschaltet hatte, in seiner Wortmeldung klären. Brandenburg werde keine Phosphatkulisse ausweisen und habe die rechtlich mögliche Alternativvariante gewählt: Gewässerrandstreifen von fünf bis 2o Metern Breite, auf denen keine Düngemittel eingesetzt werden dürfen. Die Nitratkulisse werde neu ausgewiesen: Neu seien 23.319 Hektar, also 1,8 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Brandenburgs ausgewiesen. Bisher waren es 2,3 Prozent. „Wir glauben, dass das ein gutes Ergebnis ist“, so Vogel. Der Agrarminister kündigte an, dass trotz Corona alle Voraussetzungen geschaffen wurden, um Basis- und Greeningprämie vor dem 21. Dezember auszuzahlen, Ausgleichszulage und Blühflächenförderung sollen am 10. Dezember überwiesen werden.
Technischen Problemen war geschuldet, dass die digitale Grußbotschaft Ministerpräsident Woidkes ihre Adressaten nicht erreichte. Agrarminister Vogel nahm darauf Bezug und machte zum Auftakt seines Beitrags deutlich: „Die ganze Landesregierung steht dafür, die gewachsene Agrarstruktur in Brandenburg zu verteidigen und weiterzuentwickeln.“ Und: Die konventionell produzierenden Betriebe „sind mir genau so wichtig und liegen mir genau so am Herzen wie die ökologisch wirtschaftenden Betriebe“, so Vogel, denn nur gemeinsam könne man den Anforderungen der Zukunft (Umwelt, Insektenschutz) gerecht werden.
Vom LBV Kritisiertes Leitbild „noch nicht die Endfassung“
In der Diskussion wurde deutlich, dass das nicht überall im Land so wahrgenommen wird. Zuletzt hatte es vonseiten des LBV deutliche Worte zum Entwurf des agrarstrukturellen Leitbildes gegeben. Vogel verwies auf ein Gespräch mit dem LBV zu diesem Thema, das für den 2. Dezember vorgesehen ist. Der Entwurf solle keine Missinterpretationen zulassen, das vorliegende Papier sei noch nicht die die Endfassung, die dem Landtag vorgelegt werde, so Vogel.
„Ostdeutsche Agrarminister agieren gemeinsam“
Was die künftige Gemeinsame Agrarpolitik Europas (GAP) betrifft, machte Vogel deutlich: „Die ostdeutschen Agrarminister agieren gemeinsam. Es wird eine gemeinsame Vorbereitung auf die deutschlandinterne Umsetzung der GAP geben.“ Denn wer da alleine antrete, habe schon verloren. Bei der Diskussion um den Eler-Verteilungsschlüssel habe man das erst kürzlich erfahren, als sich die westdeutschen Agrarminister unabhängig von der Parteizugehörigkeit am Vortag auf ein Papier einigten, in dem sie sinngemäß deutlich machten: „Der Osten hat lange genug profitiert, jetzt sind wir mal dran.“ So etwas hätte er 30 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht für möglich gehalten, so Vogel.
Der Minister gratulierte Henrik Wendorff zur Wiederwahl und allen Delegierten zur Verabschiedung des Neuen Brandenburger Weges für die Landwirtschaft. „Da stecken sehr viele kluge Ideen dahinter, die wir auch gemeinsam vorantreiben sollten“, so Vogel. Er regte an, sich sobald es Corona zulässt zu einer Präsenzveranstaltung zu treffen. Dann sollten sich LBV- Präsidium und Ministeriumsmitarbeiter darüber austauschen, „wie wir gemeinsam Ziele umsetzen können, und auch über die Frage, wie es mit der GAP weitergehen soll.“ Bis dahin halte er die regelmäßigen Telefonkonferenzen mit den Landnutzerverbänden für ausbaufähig. „Alles was offen ist, können wir vertiefen!“, so der Agrarminister.
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