Wie die Coronakrise die Landwirte trifft
Die Landwirte kämpfen mit den Auswirkungen der Coronakrise – das zeigt auch eine Befragung des Thüringer Bauernverbandes unter über 100 Betrieben. Die Hauptprobleme aktuell: Mitarbeiter, Viehhandel und Ersatzteile.
Seit drei Wochen herrscht die Coronakrise. Mit jedem weiteren Tag wachsen die Sorgen in der Landwirtschaft. In einer ohnehin angespannten Arbeitskräftesituation fallen Mitarbeiter aus. Die Angst, dass sich das fortsetzen könnte, sitzt tief. Wie in der gesamten Wirtschaft, beginnen Lieferketten brüchig zu werden – Landwirte warten auf Ersatzteile, der eine oder andere Dienstleister kann nicht mehr wie gewohnt seinen Service bieten. Viehhaltende Betriebe sorgen sich, wie lange die Milch und das Schlachtvieh noch vom Hof abgeholt werden. Männliche Holstein-Kälber erfahren bereits einen deutlichen Preisverfall.
Gleichwohl es immer betriebsindividuelle Herausforderungen gibt, sind die Arbeitskräftesituation, Ersatzteillieferungen und der Viehhandel für die Betriebe wesentliche Knackpunkte in der Coronakrise. Dies zeigen Ergebnisse einer fortlaufenden Umfrage des Thüringer Bauernverbandes (TBV), an der sich seit Beginn regelmäßig über 100 Betriebe beteiligen.
So berichtet knapp die Hälfte der Betriebe, dass Mitarbeiter ausgefallen sind. In gut 80 % dieser Fälle mussten Kolleginnen und Kollegen daheim ihre Kinder betreuen. Die strengen Regeln für die Notbetreuung im Kindergarten und in der Grundschule ließen ihnen keine Wahl, obwohl die Landwirtschaft auch in Thüringen zur „kritischen Infrastruktur“ zählt.
Coronakrise: Landwirte zeigen sich flexibel
Etliche Betriebe suchten nach eigenen Lösungen und richteten Kinderbetreuungen ein, was in zwei Beispielen Ausfälle von drei bzw. vier weiteren Mitarbeitern verhinderte. Andere etablierten verkürzte Schichten, damit die Eltern Arbeit und Kinderbetreuung unter einen Hut bringen können.
Die Zahlen zeigen aber auch, dass mit dem Fortschreiten des Coronavirus immer mehr Betrieben Angestellte aufgrund von Quarantänemaßnahmen und Reisebeschränkungen (Osteuropa) fehlen.
Da ordnet etwa ein Gesundheitsamt für vier Mitarbeiter, die mit einer infizierten Person Kontakt hatten, Quarantäne an. In einem anderen Fall interveniert der Betriebsleiter über den Kreisbauernverband beim Landrat, damit der Mitarbeiter, der Kontakt mit einer infizierten Person hatte, zunächst getestet wird – der Ausgang ist noch offen. Ein anderer Betrieb berichtet, dass man Feldbetten gekauft und Zimmer zur Übernachtung vorbereitet hat, für den Fall, dass ein Team von Quarantäne betroffen ist.
Milchviehbetriebe, die polnische, bulgarische oder rumänische Leiharbeiter als Melker beschäftigen, sind in Sorge. Diese Kollegen wechseln im wöchentlichen oder zweiwöchentlichen Rhythmus. Auf sie kommt bei der Heimreise Quarantäne zu oder sie können nicht mehr nach Deutschland einreisen. Dann droht, so stellt es ein Betriebsleiter klar, der Notstand.
Jeder Fünfte Betrieb mit Ersatzteilproblemen
Waren zu Beginn der Einschränkungen das Beschaffen von Betriebsmitteln sowie das Anfordern von Dienstleistungen der Servicepartner unproblematisch, änderte sich dies im Laufe der vergangenen zwei Wochen. Zuletzt berichtete jeder fünfte Betrieb von Ersatzteilproblemen.
Ähnlich verhält es sich bei den Servicepartnern. Da dauern Lieferungen mitunter bis zu vier Tage. Zwei Schlepper standen in einem Fall auf dem Hof, weil in Deutschland kein Ersatzteil vorrätig war bzw. die Beschaffung viel Zeit in Anspruch nahm.
Schlepper nicht ausgeliefert
Ein Betrieb berichtet, dass der Radlader im Stall einen Motorschaden hat und man weder an Ersatzteile noch einen Motor herankommt. Mehrere Landwirte erleben, dass dringend benötigte neue Landtechnik – darunter auch Schlepper – nicht ausgeliefert wird.
Ein anderer Milchviehbetrieb konnte keine neuen Milchfilter nachbestellen; zum Glück hat er noch genug. Und das sind keine Einzelfälle: Logistische Probleme beim Bezug von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln zählen etliche Landwirte auf.
Andere begannen längst vorzubeugen und bevorraten Betriebsmittel aller Art, was jedoch Liquidität und Lagerkapazität kostet. Ein Biogasanlagenbetreiber wartete vergebens auf Servicemonteure. Es kommt vor, dass der landtechnische Service nur eingeschränkt arbeitet, weil man hier, wie in der Landwirtschaft, mit Kohortenbildung und zeitversetztem Arbeiten das Quarantänerisiko zu verringern versucht.
Ein Rinderhalter vermisst seinen Klauenpfleger, der nicht mehr anreisen darf. Es gibt einzelne Meldungen, wonach Getreidepartien von Mühlen erst mit zweiwöchiger Verspätung oder etwa Braugetreide gar nicht mehr abgeholt wird, weil der Export eingebrochen ist.
Viehhandel: Die Nachfrage sinkt
Obwohl mehr als die Hälfte der tierhaltenden Betriebe bislang noch keine Einschränkungen beim Tierhandel feststellen muss, spürten zur Befragung Anfang April bereits 40 % einen Nachfragemangel. Es mehren sich die Anzeichen, dass sich die Situation verschärft.
Bei männlichen Holstein-Kälbern fielen die Preise auf 30 bis 50 €. Beim Zuchtviehexport kommt es mittlerweile zu Verzögerungen von bis zu drei Wochen. Teilnehmer an speziellen Qualitätsfleischprogrammen (Rind) melden akute Absatzprobleme, weil die Gastronomie europaweit faktisch zum Erliegen gekommen ist.
Spürbare Einschnitte gibt es bei allen Landwirtschaftsbetrieben mit Direktvermarktung. Zuletzt galt es, mit großem Aufwand die Schutz- und Hygieneauflagen in den Verkaufsstellen umzusetzen. Kantinen mussten geschlossen werden, die Versorgung von Schulen und Kindergärten mit Mittagessen ist eingestellt worden, was enorme Umsatzeinbußen bedeutet.
Coronakrise: Umsatzrückgang im Hofladen
Einige Landwirte berichten, dass auch der Umsatz in den Hofläden zurückgeht. Hingegen sind Versuche mit Bestell- und Auslieferungsangeboten vielversprechend. Bei Zulieferern für die Direktvermarktung deuten sich zum Teil ernsthafte Schwierigkeiten an.
Ungeachtet der Herausforderungen, vor die Landwirte in der Coronakrise gestellt werden, urteilen knapp Dreiviertel der Betriebe, dass es bislang keine Einschränkungen in den Betriebsabläufen gibt bzw. diese noch stabil sind. Bei spezialisierten Betriebszweigen, die den Einsatz von Saisonkräften verlangen, kann das in Kürze schon anders aussehen. Offen bleibt zudem, wie stark die globale Coronakrise die Märkte beeinflussen wird. Denn nach zwei Dürrejahren in Folge ist es für die meisten Landwirtschaftsbetriebe allerhöchste Zeit, wieder einmal Luft holen zu können.