Wie weit ist Thüringens Agrarstrukturgesetz?
Susanna Karawanskij, Thüringer Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft, im Interview: Wir stellten Fragen zum neuen Agrarstrukturgesetz.
Frau Ministerin, Thüringen zählt zu den Ländern, die ein Agrarstrukturgesetz auf den Weg bringen wollen. Wie weit sind Sie damit?
Wir haben noch keinen Referentenentwurf, beginnen aber diese Woche mit den Verbänden, das Eckpunktepapier zu diskutieren.
Sowohl der Agrarstrukturbericht Ihres Ministeriums als auch die Daten der jüngsten Landwirtschaftszählung zeigen eine anhaltend stabile Struktur der Betriebe in Thüringen an. Warum braucht das Land ein Agrarstrukturgesetz?
Wir wollen und müssen zu deutlich mehr Transparenz auf dem Pacht- und Bodenmarkt kommen. Ziel ist es, die Pacht- und Bodenpreise nicht weiter ins Unermessliche steigen zu lassen, denn dadurch werden die Flächen für heimische Landwirte unerschwinglich.
Diese Entwicklung gefährdet unsere Agrarstruktur mit regional verankerten Betrieben, breiter Eigentumsstreuung und regionaler Wertschöpfung. Wir wollen, dass Landwirtschaftsbetriebe vor Ort die Entscheidungen treffen und nicht allein auf Maximalgewinn orientierte Investoren aus der Ferne bestimmen, wie gewirtschaftet wird. Mit Blick auf den Generationswechsel in der Landwirtschaft sehen wir zudem die Gefahr, dass es sich Junglandwirte oder landwirtschaftliche Neu- und Quereinsteiger kaum noch leisten können, Agrarflächen zu kaufen oder zu pachten.
Wissen Sie denn, wie sich die Eigentümerstruktur in Thüringen verändert hat?
Von einigen Ausnahmen abgesehen, wissen wir das nicht im Detail, da uns wegen bestehender Regelungslücken keine systematisch erfassten Informationen vorliegen. Hier brauchen wir mehr Transparenz über die Geschäfte am Bodenmarkt. Bereits die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Bodenmarkt hat in ihrem Bericht festgestellt, dass der Einstieg von nicht-landwirtschaftlichen Investoren insbesondere in den ostdeutschen Ländern zunimmt.
Wir gehen im Moment davon aus, dass in allen Landesteilen landwirtschaftliche und außerlandwirtschaftliche Investoren sowohl aus Thüringen als auch von außerhalb aktiv sind und Anteile an Betrieben erworben haben. Hier einen besseren Überblick zu bekommen, ist eines der Hauptziele unseres angestrebten Agrarstrukturgesetzes. Das wollen wir erreichen, indem alle Rechtsgeschäfte mit Einfluss auf landwirtschaftliche Grundstücke ab einer gewissen Größe anzeige- und genehmigungspflichtig werden, auch Anteilskäufe und Pacht.
Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten kann privates Kapital im Einzelfall die Rettung eines Betriebes bedeuten: Will dies das Agrarstrukturgesetz verhindern?
Nein, ganz und gar nicht. Weder wollen noch können wir privates Kapital ausschließen. Unser Ansatz verfolgt das Ziel, eine marktbeherrschende oder missbräuchliche wettbewerbsrechtliche Stellung zu verhindern, damit die Agrarstruktur keinen Schaden nimmt. Wir orientieren uns dabei ausdrücklich am Kartellrecht.
Schon mit der Vorlage des Agrarstrukturberichtes vermissten viele einen Hinweis darauf, wo die Grenze der Marktbeherrschung gezogen wird, an der gegebenenfalls eine Genehmigung zum Anteilskauf verwehrt bliebe. Können Sie das heute konkretisieren?
So weit sind wir noch nicht. Klar sind wir uns darüber, dass wir nicht Landkreise oder Gemarkungen im Blick haben werden, sondern ganz Thüringen. Intern diskutieren wir etwa über Referenzwerte oder darüber, welche Betriebe wir womöglich nicht einbeziehen. Mit den Nebenerwerbsbetrieben erreichen wir in Thüringen eine Durchschnittsgröße von knapp 200 Hektar, ohne sie sind es etwa 450 Hektar. Bestehende Betriebe und Betriebsgrößen werden jedoch Bestandsschutz haben.
Neben dem sogenannten vagabundierenden Kapital, das den Weg in den Bodenmarkt sucht, war und ist die Eigentümernachfolge bei juristischen Personen und Personengesellschaften bzw. die Hofnachfolge im Haupterwerb ein entscheidender Grund für Verkäufe an Betriebsfremde. Gibt das geplante Agrarstrukturgesetz darauf Antworten?
Ein Agrarstrukturgesetz kann nicht alle Probleme in Thüringen lösen, wozu auch die Eigentümernachfolge zählt. Mit einer Preisdämpfung am Pacht- und Bodenmarkt kann es aber indirekt helfen, dass sich junge Landwirtinnen und Landwirte zu einer Betriebsübernahme entscheiden, selbst bei den unter Druck stehenden Tierhaltungsbetrieben.
Steigen die Preise am Bodenmarkt weiter, entkoppeln sie sich immer weiter von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Betriebe. Welcher regionale Junglandwirt wird dann noch in die Übernahme eines Betriebes investieren, wenn er diese Kosten nicht aus eigener Leistung wieder erwirtschaften kann? Mit den von uns angestrebten Konzentrations- und Preisschwellen können Landwirtschaftsbetriebe auch Wege finden, die Nachfolge so zu lösen, dass die Agrarstruktur keinen Schaden nimmt. Ich möchte betonen, dass wir keinem Landwirt das ihm zustehende Vermögen oder seine Rente streitig machen.
Regional und praxisnah: Die Bauernzeitung versorgt Sie regelmäßig allen wichtigen Informationen rund um die Landwirtschaft in Thüringen. mehr
Wann rechnen Sie damit, den Entwurf eines Thüringer Agrarstrukturgesetzes vorlegen zu können?
Wir beginnen jetzt die Diskussion mit den Verbänden. Angesichts der Mehrheiten im Landtag brauchen die Regierungsfraktionen die Zustimmung anderer Parteien. Also wird es im Parlament auch eine Fachdiskussion geben. Eine Gesetzesvorlage steht ganz am Ende und kann dann zügig erarbeitet werden.