Nachgefragt: Wie ergeht es Betrieben in der aktuellen Lage?
Seit Wochen explodieren die Kosten und Betriebsmittel sind nur schwer zu beschaffen. Wir haben fünf Betriebe im Osten nach ihrer wirtschaftlichen Lage gefragt und wie sie aktuell darauf reagieren können.
Von Gerd Rinas, Frank Hartmann, Heike Mildner, Detlef Finger und Karsten Bär
Die Coronapandemie mit all ihren Verwerfungen ist noch nicht durchgestanden, da erschüttert der Krieg Russlands gegen die Ukraine die Welt. Und das mit Folgen für die globalen Agrarmärkte. Anders als im globalen Süden droht in der EU zwar kein Hunger. Die Landwirtschaft steht jedoch unter Druck, nicht zuletzt aufgrund der Unsicherheit. Das zeigt sich im Folgenden in der Hähnchenmast und in der Ökomilchviehhaltung, beim Vermarkten von Getreide, Düngen und beim Tanken.
Mecklenburg-Vorpommern
Marion Dorn, Geschäftsführerin Hähnchenmast Zwiedorf GbR
Als Marion Dorn im vorigen Herbst nach der wirtschaftlichen Lage der Geflügelmäster gefragt wurde, machte sie auf immer mehr und strengere Auflagen aufmerksam. „Küken werden immer teurer, die Preise für Futter, Strom und Gas steigen, die Einnahmen wachsen nicht ansatzweise mit. Mittlerweile hat sich die Situation in einem Maß zugespitzt, das ich lange nicht für möglich hielt.“ Vor zwei Monaten kostete ein Kubikmeter Gas 36 Cent, nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine sind es über ein Euro. „Längerfristige Lieferverträge, etwa über sechs Monate, sind wie ein Sechser im Lotto. Ich hab leider keinen.“
Mastfutter habe 2020 im Mittel 32 €/dt gekostet, zum Jahresende 2021 rund 42 € und in der 9./10. Kalenderwoche 2022 etwa 48 €. „Die Erlöse stagnieren bei einem Euro pro Kilo Lebendgewicht, bleiben damit deutlich hinter den Aufwendungen zurück.“
Die Geflügelmäster hätten wegen der Coronapandemie schon vor dem Krieg in der Ukraine große Umsatz- und Gewinneinbrüche zu verkraften, weil Gastronomie und Hotellerie stark eingeschränkt, Märkte und Volksfeste abgesagt worden waren. „Jetzt fehlt es schon wieder an Niederschlag. Der März ist viel zu trocken. Eines ist aber wichtiger als alles andere: Dass in der Ukraine der Krieg aufhört. Dagegen sind unsere Probleme klein.“
Thüringen
Matthias Klippel, Agrarunternehmen „Wöllmisse“ Schlöben eG
Für den Vorstandschef der breit aufgestellten Genossenschaft gibt es mit Blick auf die neue Ernte noch sehr viele offene Fragen bzw. große Unsicherheiten. Denn so eine wirtschaftliche Lage habe man bisher nicht gekannt. An den aktuellen Höchstpreisen konnte der Betrieb immerhin zu einem kleinen Teil partizipieren, da glücklicherweise noch Weizen im Lager war: „Das meiste Getreide aber haben wir nach der Vorjahresernte verkauft, weil wir Liquidität für die Herbstbestellung brauchten.“
Vorkontrakte für die neue Ernte schloss der Betrieb nur in sehr geringem Umfang ab: „Es lässt sich für mich nicht abschätzen, wohin sich die Preise entwickeln. Das hängt ja nicht nur von der Lage in der Ukraine ab, sondern auch von der Ernte hierzulande.“ Denn wie viel Dünger schlussendlich in diesem Frühjahr tatsächlich zur Verfügung stand, sehe man erst, wenn Ertrag und Qualitäten bundesweit auf dem Tisch liegen. Insofern wartet Klippel ab, der zur Ernte mit einer hohen Nachfrage rechnet.
Vorsichtig will Klippel auch beim Raps agieren, der bekanntlich immer für Überraschungen sorgen kann. In gewissem Umfang presst man Öl selbst und vermarktet es regional, etwa über den Hofladen: „Nachfragen größerer Interessenten häuften sich bereits.“
Brandenburg
Sylvia Zeidler, Vorstand der Agrargenossenschaft „Spreetal“ eG, Neu Lübbenau
„Das größte Problem sind die Dieselpreise. Für uns als Biobetrieb ist Diesel ja im übertragenen Sinne das Spritzmittel: Die mechanische Unkrautbekämpfung wird bei den derzeitigen Preisen deutlich kostenintensiver“, so Zeidler. Eine Lösung hat sie für dieses Problem nicht. Seit gut einem Jahr produzieren die Spreewälder in Demeter-Qualität für die Molkerei im Ökodorf Brodowin. Ob das Milchgeld die steigenden Herstellungskosten auffangen wird, sei unklar, so Zeidler. Noch gebe es dafür keine positiven Signale vom Lebensmitteleinzelhandel an die Molkerei.
Was also tun? „Wir versuchen mit Fingerspitzengefühl die Eiweißfuttermittel zu reduzieren, ohne den Kühen zu schaden. Unsere Kühe wurden gezüchtet, um Milch zu geben, und reagieren sensibel auf Veränderungen des Futters“, so Zeidler. Bei derzeit 1.350 € für die Dezitonne Biosoja müssen wir aber sparen. Alternativen? „Erbsen und Ackerbohnen haben wir schon vorher nicht dazukaufen können, und sie selbst anzubauen, ist zu unsicher. Außerdem gibt es momentan kein Saatgut, und die Anbaupläne stehen“, sagt Sylvia Zeidler. Luzerne als Grundfutter und ein Erbsengemisch stehen dort sowieso schon drin. „Mehr als sparen können wir nicht, aber noch mehr sparen auch nicht,“ so Zeidler zur aktuellen wirtschaftlichen Lage.
Sachsen-Anhalt
Thomas Külz, Agrargenossenschaft Löberitz
Dass der Betrieb wie in jedem Jahr auch 2021 vor der Ernte 400 t Kalkammonsalpeter (KAS) zu noch relativ normalen Preisen gekauft habe, erweise sich jetzt als Glücksfall, sagt der Vorstandsvorsitzende. Aktuell sei deshalb kein Zukauf nötig gewesen. Der Düngerbedarf reduziere sich zudem durch die rund 750 ha Acker im roten Gebiet, wo 20 % unter Bedarf der Kulturen gedüngt werden müsse. Angesichts der derzeitigen Trockenheit würden die Gaben aber auch generell angepasst.
Das Unternehmen setze außerdem Gärrest aus seiner eigenen Biogasanlage sowie der Bitterfelder Anlage von Danpower ein, an die man Mais als Gärsubtrat liefere. An organischen Düngern kämen ferner Klärschlamm sowie Dung aus der betrieblichen Färsenaufzucht und Mutterkuhhaltung auf die Felder. An Organik sei allerdings nicht mehr Menge verfügbar als in anderen Jahren auch, gibt Külz zu bedenken. Und: Deren Ausbringung koste Geld, bei den jetzigen Dieselpreisen umso mehr.
Für 2023 hofft der Genossenschaftschef, dass sich die wirtschaftliche Lage etwas relativiert. Seines Erachtens sei derzeit auch viel Spekulation dabei. Külz findet es schlimm, dass der Staat den Bauern angesichts der extrem hohen Energiepreise nicht hilft und ihnen hier entgegenkommt, etwa mit Steuersenkungen.
Sachsen
Kerstin Pahlke, Vorstandsmitglied Agrargenossenschaft Bergland Clausnitz
Angesichts der drastisch gestiegenen Energie- und Betriebsmittelpreise erwartet Kerstin Pahlke eine Verteuerung der gesamten Produktion. Beim Kraftstoff kann der Betrieb im Erzgebirge dies indes zumindest etwas abfedern: Schon seit Jahren fährt ein Teil der Maschinen des Betriebes mit Rapsöl als Kraftstoff. Aktuell sind es sieben – fünf Schlepper, ein Häcksler und ein Mähaufbereiter.
Etwa 80.000 Liter Rapsöl benötigt der Betrieb pro Jahr als Kraftstoff. In der Regel kann diese Menge aus Rapssaat aus eigenem Anbau gedeckt werden. Seit 2005 betreibt der Betrieb eine eigene Presse und damit auch einen geschlossenen Kreislauf: Das Öl wird als Kraftstoff und der Rapskuchen als Eiweißfuttermittel in der Milchproduktion eingesetzt. „Aus der verpressten Menge Saat können rund 35 Prozent Öl gewonnen werden“, so das Vorstandsmitglied. „Der Wertansatz des Rapskuchens ist für die Wirtschaftlichkeit mitentscheidend.“
Kosten in Höhe von ca. 8.000 € je Maschine entstehen für die Umrüstung der Motoren. Ein Nachteil ist, dass sich das Intervall für den Motorölwechsel um die Hälfte verkürzt und die Motoren eine um etwa 20 % geringere Leistung erbringen. Dennoch lohne sich der Einsatz. Eine genaue Zahl, zu welchem Preis der Liter Öl in den Tank geht, sei jedoch schwer zu nennen, da dies auch von Jahr zu Jahr schwanke, so Kerstin Pahlke. Begünstigend kommt hinzu, dass aus dem Eigenverbrauch von Rapsöl als Kraftstoff eine Treibhausgasminderungsquote resultiert. Die kann der Betrieb an Inverkehrbringer von konventionellen Kraftstoffen verkaufen, die ihre Verpflichtung zum Einsatz von Biokraftstoffen nicht erfüllen. Andererseits können rückläufige Erträge und die Verteuerung der Kosten für Arbeitserledigung, Dünger und Pflanzenschutz die Wirtschaftlichkeit beeinträchtigen. Gleiches gilt für einen etwaigen Wegfall der Agrardieselentlastung, die derzeit noch die anfallende Energiesteuer auf Biokraftstoffe kompensiert.
Grundsätzlich übertragbar sei das Konzept im Prinzip auch auf andere Landwirtschaftsbetriebe. „Unsere Firmenphilosophie zur Stärkung regionaler Kreisläufe wird durch die aktuellen Entwicklungen bestätigt und bestärkt“, ist Kerstin Pahlke überzeugt.