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„Wenn der Krieg endet, können wir zur Arbeit kommen“

Festmist kommt in diesem Frühjahr auf 270 Hektar zu Mais. (c) Gerd Rinas
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Den Start in die Frühjahrsbestellung der Agrofarm Lüssow hat das Pandemievirus nicht verzögert. Seit gut zwei Wochen sind die Männer um Tom Harnack, Leiter Pflanzenproduktion, auf dem Acker. Derweil sind die Gedanken unseres Praxispartners in MV auch beim Geschehen in der Ukraine.

Von Gerd Rinas

Das Verwaltungsgebäude der Agrofarm in Lüssow bei Rostock ist fast menschenleer. „Das Coronavirus hat uns voll erwischt“, stöhnt Vorstand Lars-Peter Loeck. Vier Mitarbeiterinnen sind entweder erkrankt oder in Quarantäne. Ines Haase und Lars-Peter Loeck halten an diesem Donnerstagmorgen die Stellung. Auch die beiden blieben von dem Virus nicht verschont. „In der ersten Februarwoche zeigten sich Symptome, trotz Boosterimpfung“, erinnert sich Loeck. Glücklicherweise war der Verlauf auch bei Ines Haase milde.

Mist: Nicht mehr ausbringen, als pflanzen verwerten

Auf Flächen, auf denen im April Mais gelegt werden soll, wird heute im Rahmen der Frühjahrsbestellung der Agrofarm Lüssow Mist ausgebracht. „Der Festmist aus den Ställen für Trockensteher, Jungrinder und Kälber reicht etwa für 270 Hektar. Parallel dazu fahren wir Gülle in Raps- und Weizenbestände“, erläutert Lars-Peter Loeck. Den Pflanzennährstoff haben die Lüssower vorher bei der Lufa der LMS in Rostock auf seine Inhaltsstoffe untersuchen lassen, um nicht mehr auszubringen, als die Pflanzen verwerten können. „Außerdem müssen wir die Düngeeinschränkungen auf 1.300 Hektar roten Gebieten beachten“, sagt Loeck, dem anzumerken ist, dass er mit dieser Festlegung immer noch hadert. Insgesamt können etwa 14.000 m3 Gülle verwertet werden.

Neben dem eigenen Festmiststreuer kommt ein ebenfalls betriebseigenes Güllefass mit 21 m3 Fassungsvermögen zum Einsatz. Bis Mittwoch voriger Woche brachten zwei Zubringer eines Lohnunternehmers Gülle aus den vier Behältern auf dem Betriebshof zum Ausbringefahrzeug. „Das hat sehr gut funktioniert. Leider endete die Zubringerkette vorzeitig – beide Fahrer haben sich mit Corona angesteckt“, bedauert der Vorstand. Jetzt werden erst einmal die Flächen bedient, die an den Betriebssitz grenzen und ohne Zubringer auskommen. „Wir hoffen, dass die Jungs schnell wieder fit sind“, gibt sich Loeck optimistisch. Wohlwissend, dass die Frühjahrsbestellung der Agrofarm Lüssow in diesem Jahr unter einem ganz besonderen Stern stehen.

Fahrer Oliver Möller bedient Radlader und Schlepper.
Fahrer Oliver Möller bedient Radlader und Schlepper. (c) Gerd Rinas

Explodierende Preise beim Dünger und Treibstoff

Normalerweise geben die Lüssower für Stickstoffdünger (Harnstoff, NPK, Kalkammonsalpeter und Kali) im Jahr so um die 380.000 Euro aus. „Dieses Mal kostet uns der Dünger 1,1 Millionen Euro. Das zeigt das ganze Ausmaß der Preissteigerungen“, so Loeck. Dabei können die Landwirte noch froh sein, ihren Bedarf überhaupt decken zu können. „Wegen des Kriegs in der Ukraine lässt sich zurzeit nur ganz schwer einschätzen, ob Harnstoff aus Russland im Rostocker Seehafen noch angelandet werden darf“, erklärt Loeck. Die Landwirte beziehen den Pflanzennährstoff in diesem Frühjahr per Lkw von einem Lieferanten aus Polen.

Wie beim Dünger explodierten in den vergangenen Monaten die Treibstoffkosten. „Wir verbrauchen etwa 350.000 Liter Diesel im Jahr. Sonst kostet uns der Diesel etwa 90 Cent netto pro Liter. Vor 14 Tagen kauften wir 30.000 Liter a 2,02 Euro. Gestern haben wir 30.000 Liter für 1,75 Euro pro Liter nachbestellt. Wir wollen auf Nummer sichergehen, die Schlepper müssen laufen“, argumentiert Loeck. „Die Zeiten sind unruhig, kein Mensch weiß, wo es noch hingeht. Politiker denken darüber nach, wegen des Überfalls auf die Ukraine Erdöl und Gas aus Russland zu stoppen. Bei solchen Entwicklungen könnten Lieferengpässe beim Diesel drohen. Davon wäre die Landwirtschaft stark betroffen“, so der Vorstand.

Die Möglichkeiten für den Betrieb, bei den extrem gestiegenen Kosten gegenzusteuern, sind begrenzt. 236 Hektar Erbsenacker sollen nicht gepflügt, sondern nur geeggt werden, um Kraftstoff zu sparen. „Die Bodenbearbeitung zu minimieren, ist bei den Erbsen okay, bei anderen Kulturen aber schwierig“, sagt Loeck. Beim Düngen denkt man über mehrere Teilgaben nach, um den teuren Mineraldünger nach den aktuellen Wettervorhersagen zeitnah so wirkungsvoll wie möglich zu platzieren. Nach der Witterung in diesen Tagen wäre das aber wahrscheinlich keine effektive Maßnahme, denn für den März ist es schon wieder viel zu trocken. „Wir brauchen Regen, damit die Pflanzen den Nährstoff optimal aufnehmen können“, so der Vorstand.

Ukraine-Krieg: Mit den Gedanken bei Olga und Yuri

Die Betriebswohnung, in der 2020 die ukrainischen Melker Olga und Yuri wohnten, hat die Agrofarm Kriegsflüchtlingen zur Verfügung gestellt, berichtet Vorstand Loeck. (c) Gerd Rinas
Die Betriebswohnung, in der 2020 die ukrainischen Melker Olga und Yuri wohnten, hat die Agrofarm Kriegsflüchtlingen zur Verfügung gestellt, berichtet Vorstand Loeck. (c) Gerd Rinas

Die hohen Sojapreise führten zu der Überlegung, die Erbsen in die Milchviehration zu integrieren. „Unser Fütterungsberater Joachim Scholz rechnet gerade aus, wie viel Erbsen wir einsetzen sollten. Dabei ist zu bedenken, dass die Hülsenfrucht nur etwa halb so viel Rohprotein enthält wie Soja“, erläutert Loeck.

In diesem Moment erreicht den Vorstand eine WhatsApp aus dem Gebiet Poltawa in der Ukraine. Yuri und seine Ehefrau Olga melden sich. Die beiden haben 2020 auf der Agrofarm gemolken. „Guten Morgen, bei uns ist heute alles ruhig, Raketen flogen schon in unsere Richtung, aber sie werden in die Luft geschossen und sie erreichen uns nicht. Ich arbeite jetzt als Krankenschwester“, berichtet Olga. „Wenn dieser Krieg endet, können wir zur Arbeit kommen, wenn Sie Arbeiter brauchen“, schreibt sie. Loeck hält den Kontakt zu den beiden. „Ich bin in Gedanken bei ihnen und glaube fest daran, dass wir uns in Lüssow wiedersehen“, sagt der Vorstand, der den ehemaligen Mitarbeitern immer wieder Mut zuspricht. Die betriebseigene Wohnung, in der Olga und Yuri in Lüssow wohnten, hat die Agrofram jetzt ukrainischen Kriegsflüchtlingen zur Verfügung gestellt.



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