agrafrisch in Brandenburg: Azubi-Besuch beim Praxispartner
Unser Praxispartner agrafrisch in Brandenburg unterstützt junge Landwirte und setzt innovative Lösungen in der Milchviehhaltung um. Die Firma trotzt dem demografischen Wandel. Wie hoch ist das Durchschnittsalter?
Und dann auch noch die Bauernzeitung! Ausgesprochen wird der Satz nicht, wir sind schließlich verabredet, aber manchmal kommt es eben wirklich dicke. Nicht nur, dass vergangenen Donnerstag (22.2.) bei den Milchkühen in Sachen Klauenpflege der Bestandsschnitt ansteht, jetzt ist auch noch Herdenmanagerin Jaqueline Brock krank geworden und eine Auszubildende hat verschlafen. Und wie kommt man ohne Auto und Führerschein die acht Kilometer von Fürstenwalde nach Buchholz? Genau, mit dem Fahrrad.
Wäre die Altersstruktur in Deutschland wie bei agrafrisch in der Milchviehhaltung, müssten wir uns um den demografischen Faktor nicht sorgen. Der Durchschnitt dürfte bei unter 30 Jahren liegen. Die drei jüngsten im Team wollen wir Ihnen in dieser ersten Ausgabe im Monat, die ja immer dem Jungen Land gewidmet ist, vorstellen.
Unsere Top-Themen
• Weihnachten im Schafstall
• Sortenversuche Sommerbraugerste
• Landmaschinen mit KI
• Märkte und Preise
agrafrisch in Brandenburg: Angehende Tierwirtin in Buchholz
Lisa-Sophie Musial ist gerade 18 geworden und hat schon einen zweijährigen Sohn. Geplant war das nicht, aber sie sei sehr glücklich mit ihrem Leben, erzählt die junge Frau. Die Ausbildung zur Tierwirtin in Buchholz hat sie im Sommer 2022 begonnen. In Kürze stehen die Zwischenprüfungen an. Aufgeregt ist sie nicht deshalb. Sie weiß, dass sie schon viel weiß, Kuhverstand besitzt und auch schon eine Menge Erfahrung in der Tierhaltung hat. Nicht nur, dass sie mit Pferden, Schafen, Esel und Schweinen groß geworden ist.
Gemeinsam mit ihrer Mama betreute Lisa- Sophie bis vor etwa anderthalb Jahren eine Mutterkuhherde, eine Mischung aus Limousin, Charolais und Fleckvieh. Damals habe sie bei agrafrisch ab und an mal Stroh geholt oder etwas Kolostrum für ihre Kälber, erzählt sie, da habe sie auch Betriebsleiter Benjamin Meise kennengelernt.
Die Geschichte mit den Mutterkühen hätte eine gute werden sollen, endete aber aus Gründen, die mit Besitz und Vertrauen zu tun haben, für Lisa und ihre Mutter mit dem Verlust der Tiere. Sie hätten einen Schlussstrich gezogen und schauen nach vorn, fasst Lisa diese schmerzliche Erfahrung zusammen. Ab September wird ihr Sohn in die Kita gehen. Bis dahin bekommt sie große Unterstützung von ihrer Mutter, die ihr den Rücken freihält, damit sie ihre Ausbildung machen kann.
Wenn Stress aufkommt, muss man Ruhe bewahren
An Tagen wie diesen, wenn aus oben genannten Gründen Stress aufkommt, schaffe sie es, die nötige Ruhe auszustrahlen, sagt Lisa. Die Kühe merken, wenn ihre Betreuer Aufregung verbreiten, würden aber dadurch nicht schneller: „Sie verstehen eben unsere Menschen-Sprache nicht, nur Körpersprache.“
Gemeinsam mit Tinke, die wir gleich noch kennenlernen, treibt sie heute die Kühe zum Gang, der an der Arbeitsstation der Klauenpfleger endet. Die arbeiten schnell und routiniert an vier Füßen zu-gleich, ein Tier in zwei Minuten. „150 wollen sie heute schaffen“, sagt Lisa. Die Klauenpfleger vom Familienbetrieb Bernd Golze aus Luckau erledigen zwei-, dreimal im Jahr im mitgebrachten Klauenpflegestand den Bestandsschnitt.
agrafrisch in Brandenburg: Tierwirtin werden als bewusste Entscheidung
Eine andere Kuhgruppe muss vom Vorwartehof in den Melkstand getrieben werden. Dort treffen wir Jolina Zeising bei den üblichen Handgriffen. Die letzten Kühe werden gemolken, heute mit fast einer Stunde Verspätung. „Normalerweise sind wir um 12 Uhr durch, bis 13 Uhr wird gekärchert“, erzählt die junge Frau. Aber da sie es war, die heute Morgen mit dem Fahrrad nachgerückt ist, macht sie einfach weiter, nimmt den Mistschieber und reinigt den Gang.
Auch sie bereitet sich gerade auf die Zwischenprüfungen vor, auch sie ist mit Tieren aufgewachsen: nicht mit Kühen, sondern Hasen, Hühnern und einem Pferd. Das sei vor acht Jahren gestorben und bis dahin ein treuer Begleiter gewesen, erzählt sie, noch immer käme es ihr wie Verrat vor, sich ein neues Pferd zu wünschen.
Jolina ist 26. Die Ausbildung zur Tierwirtin ist ihr dritter Anlauf. Verkäuferin und Einzelhandelskauffrau waren die ersten beiden, mit denen sie aber nicht glücklich geworden sei. Die Umstellung auf die Tierhaltung habe sie sehr gefordert, vor allem körperlich, dabei sei sie sportlich sehr aktiv.
Zwei, drei Wochen brauche es für den Muskelaufbau, egal wie viel Sport man vorher gemacht habe. Auch jetzt gerade, nach vier Wochen Urlaub und zwei Wochen Berufsschule, spüre sie wieder, wie die Arbeit im Melkstand und überhaupt mit den Tieren, sie körperlich fordert.
Was wohl am meisten Spaß macht?
Inzwischen versorgt Lisa-Sophie, unterstützt von Tinke ein neu geborenes Kälbchen. Gemeinsam heben sie das rund 40 Kilo schwere Tier in eine Karre, besprühen den Nabel mit einer Jodlösung, Lisa spritzt ihm Kälberbooster ins Mäulchen, zieht die Ohrmarken ein und karrt es hinüber zu seiner neuen Bleibe, ein Kälberiglu mit frischem Stroh ausgestreut.
Mit dem Saufen aus dem Kälbereimer will es noch nicht so recht klappen, das Tier muss sich erst noch an die Welt und seine Rolle darin gewöhnen. Melken, Treiben – alles ok, aber die Arbeit mit den Kälbern macht Lisa am meisten Spaß. Noch mehr: auf dem Traktor mitzufahren. Da wird keine Gelegenheit ausgelassen. Auch zur Demo nach Berlin habe sie mitgedurft …
Praktikum bei agrafrisch in Brandenburg
Tinke Peters ist wie die anderen zwei aus Fürstenwalde, hatte aber bis vor einem halben Jahr nicht viel mit Tieren zu tun, schon gar nicht mit so großen wie Milchkühen. Sie habe ihr Abi vergeigt und nutze die Möglichkeit, bei agrafrisch ein einjähriges „gelenktes Praktikum“ zu absolvieren, um auf dem Weg eine vollständige Fachhochschulreife zu bekommen.
„Komm einfach vorbei“, hatte Benjamin Meise gesagt, dessen Frau mit Tinkes Mutter bekannt ist. Aus dem Zufall wurde für Tinke eine echte Perspektive. Ihr macht die Arbeit Spaß, sie hat schon alles mitgemacht – außer füttern, das sei zu speziell, sagt sie. Eine Freundin von ihr arbeite im Krankenhaus. Sie hätten verglichen und festgestellt: Im Grunde machen sie das gleiche – die eine mit Menschen, die andere mit Milchkühen.
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