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Agrofarm eG Lüssow: Auf dem Weg der kleinen Schritte

Blick auf das Betriebsgelände. Im Hintergrund die Ställe der Milchviehanlage.
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Trotz steigender Milchleistung sind die Bedingungen im Milchviehstall auf der Agrofarm eG Lüssow nicht mehr die Besten. Doch Sanierung oder Neubau sind abhängig von Kosten, gesetzlichem Rahmen und erfordern gute Planung.

Von Gerd Rinas

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Agrofarm eG Lüssow bei Rostock können sich über eine beachtliche Leistung freuen: Im gerade zu Ende gegangenen LKV-Jahr 2019/20 haben sie mit ihren 890 Milchkühen nach offiziellen Angaben des Milchkontroll- und Rinderzuchtverbandes Mecklenburg-Vorpommern 11.546 kg Milch pro Kuh produziert. Damit haben sie die Milchleistung aus dem Jahr zuvor von 11.091 kg pro Kuh deutlich überboten. Mehr noch: Von 2017/18 abgesehen, als sich widrige Witterung auf die Futterqualität und Personalwechsel in der Abteilung Milchproduktion negativ auswirkten, ist die Milchleistung im Mittel der vergangenen Jahre weiter angestiegen.

zusammenarbeit mit der rinderallianz

„Das ist vor allem das Verdienst der Abteilung Milchproduktion um Leiterin Karin Gehrt und die beiden Herdenmanagerinnen Lisa Straßburg und Jessica Pannenborg. Großen Anteil daran haben aber auch die Kollegen aus der Pflanzenproduktion um Tom Harnack, die bei Futteranbau und -ernte Qualität sichern“, betont Vorstand Lars-Peter Loeck. Weitere Ursachen für die gute Leistungsentwicklung sieht Karin Gehrt in der engen Zusammenarbeit mit der RinderAllianz und dem Einsatz von Sperma genomisch geprüfter Bullen sowie gut ausgebildeten und engagierten Mitarbeitern.

Herdenmanagerin Jessica Pannenborg ist Absolventin der Agrarfakultät der Rostocker Universität.
Herdenmanagerin Jessica Pannenborg ist Absolventin der Agrarfakultät der Rostocker Universität.

Für ihn und Vorstandskollegin Wencke Ladwig ist die Entwicklung umso bemerkenswerter, weil die Produktionsbedingungen für die Milch in Lüssow nicht mehr die besten sind: Die Kühe stehen in einer Milchviehanlage vom Typ 1.232, die 1975 in Betrieb genommen wurde. Der Tierbestand wurde nach der Wende von 1.232 auf mittlerweile 770 melkende Kühe heruntergefahren. Außerdem wurde die Anlage immer wieder umgebaut und nach Tierwohlkriterien modernisiert. 2013 erhielt sie ein neues Dach, die Zwischendecke wurde entfernt, der Stall an den Giebeln geöffnet, Spaltenboden und Liegeflächen sind erneuert. 2016 wurde der Melkstand technisch neu ausgestattet. Alles in allem flossen seit den 1990er-Jahren rund 2,2 Mio. € für Werterhaltung und Modernisierung. „Die Anlage hat uns all die Jahre gute Dienste geleistet. Aber ihre Zeit geht zu Ende“, sagt Loeck.

erlöse sind seit Jahren schlecht

Dem Vorstand sind die Vorteile eines modernen Boxenlaufstalls sehr bewusst. „Mehr Licht und Luft, mehr Kuhkomfort, größere Liegeflächen, breitere Laufwege, automatisch melken und füttern, das sind starke Argumente“, weiß Loeck. Mindestens ebenso wichtig: In dem neuen Stall würden sich auch die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter erheblich verbessern. Immer wieder haben Vorstand und Aufsichtsrat in der Vergangenheit über einen Neubau nachgedacht, sich aber bisher für die Sanierung und Modernisierung der Anlage entschieden, den „Weg der kleinen Schritte“.

Auch dafür gibt es gute Gründe. Einer der wichtigsten für die beiden Vorstände: Die Erlöse in der Milchproduktion sind seit Jahren schlecht. „Wir sind Referenzbetrieb der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern. Jedes Jahr wird der Betriebszweig ausgewertet. Nach den Berechnungen der Landesforschung bräuchten wir derzeit mindestens 37 Cent pro Kilogramm Milch, um mit Gewinn Milch zu produzieren. Tatsächlich zahlt die Molkerei uns um die 33 Cent, mit Zuschlägen. Nur in wenigen Jahren haben wir mit der Milch Geld verdient“, sagt Loeck. In den Jahren mit den geringeren Einnahmen aus der Milch haben die Lüssower ihre Milchproduktion mit Einnahmen vor allem aus der Marktfruchtproduktion gestützt. „Das wird trotz guter Erträge bei wachsenden Kosten für Betriebsmittel und vor allem stark steigenden Pachtforderungen aber immer schwieriger“, so Loeck nachdenklich.

Trockensteher haben Zugang zur Weide hinterm Stall.
Trockensteher haben Zugang zur Weide hinterm Stall.

Dennoch hat die Diskussion um einen neuen Milchviehstall in Lüssow in der vorigen Woche wieder Fahrt aufgenommen: Bei einem Planungsbüro in Neubrandenburg hatte man vor einiger Zeit eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Nun liegt der erste Teil der Studie vor. „Nicht zuletzt wegen der stark ansteigenden Pachtforderungen denken wir darüber nach, den Kuhbestand vor allem auf unser Eigentumsland auszurichten. Danach bräuchten wir ein Stallprojekt mit 500 bis 600 Plätzen“, erläutert Loeck. Mit dem neuen Stall soll die Rinderhaltung auf der Agrofarm in Lüssow zusammengeführt und die Jungrinderaufzucht im benachbarten Mistorf eingestellt werden.

Agrofarm Lüssow plant mit kosten von 8 Millionen Euro

Für den ursprünglichen Plan, den Milchviehbestand auf 1.000 Tiere aufzustocken, sieht Loeck nur noch geringe Chancen. „Wenn wir das Projekt starten, geht es ja nicht nur um die Größe des Stalls. Wenn wir für 1.000 Tiere neu bauen, brauchen wir ein größeres Güllebecken. Wir haben aber erst 2016 eins gebaut. Wir bräuchten zusätzliche Gülle-Ausbringeflächen – ein Teil unseres Ackers liegt aber im roten Gebiet. Überhaupt steht die Frage, ob die Stallerweiterung genehmigungsfähig wäre“, gibt Loeck zu bedenken.

Die Agrofarm wirtschaftet im Wasserschutz- sowie im Vogelschutzgebiet, nahe an einem FFHGebiet. „Unsere BImSchG-Genehmigung gilt für 1.300 GVE. Wenn wir die Jungrinder aus Mistorf nach Lüssow holen, wird es zusammen mit 1.000 Milchkühen eng“, so Loeck. Aus Sicht des Vorstands spricht vieles für den kleineren Stall. „Wir werden die Studie zusammen mit dem Aufsichtsrat sorgfältig prüfen und dann die beste Variante auswählen“, sagt Loeck. Voraussichtliche Kosten der Investition: acht Millionen Euro. Unter Zeitdruck sieht der Vorstand die Genossenschaft nicht. „Auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben werden wir die Entscheidung aber auch nicht“, so Loeck.