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Agrofarm eG Lüssow: Die Wahrheit auf den zweiten Blick

Die Erträge bei Getreide und Raps lagen 2021 leicht unter dem dreijährigen Mittel. (c) Gerd Rinas
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Auch wenn es bei der Agrofarm eG Lüssow zum Jahresbeginn ruhig zugeht, wird noch intensiv am Jahresabschluss gearbeitet. Dieser sah für 2021 durchwachsen aus.

Von Gerd Rinas

In der ersten Januarwoche geht es auf der Agrofarm in Lüssow ruhig zu. In den Ställen werden die Kühe wie immer versorgt und in der Werkstatt werden Maschinen repariert. Feldarbeiten gibt es keine. Weil trotz jahreszeitlich bedingter Aufgaben wie Weidenkröpfen, Winterdienst und Stallreparaturen weniger Arbeit anfällt, haben sich sechs Mitarbeiter aus der Pflanzenproduktion im November bei der Arbeitsagentur gemeldet. „Die Kollegen haben die Garantie, dass sie zum Beginn der Feldsaison im Februar wieder eingestellt werden“, sagt Vorstand Lars-Peter Loeck. Andere Mitarbeiter sind noch im Urlaub oder bummeln Überstunden ab.

coronakrise hinterliess tiefe spuren

Anders Antje Zedler und Ines Hase. Die beiden Frauen in der Buchhaltung arbeiten intensiv am Jahresabschluss. Anfang Februar wird auf der Agrofarm eine Mitarbeiterin des Genossenschaftsverbandes erwartet. Sie wird zehn Tage lang Einnahme- und Ausgabebelege, Rechnungen, den gesamten Abschluss auf Herz und Nieren prüfen. „Wenn das Zahlenwerk bestätigt ist, wissen wir genau, was das Jahr gebracht hat“, so Loeck.

Auch wenn die Daten noch nicht vollständig ausgewertet sind, erwartet der Vorstand nur ein durchwachsenes Ergebnis. Die Coronakrise hinterließ im Betrieb tiefere Spuren als im Jahr zuvor, als zwei Kollegen in Quarantäne waren. Die Agrofarm musste Ausfälle von fünf infizierten Mitarbeitern verkraften. Weitere fünf waren in Quarantäne. „Noch sind die Auswirkungen der Pandemie auf den Betrieb moderat. Aber kein Mensch weiß, was noch kommt“, sagt Lars-Peter Loeck mit Blick auf die sich ausbreitende hochansteckende Omikron-Virusvariante.

Die Agrofarm investierte u. a. in vier Grundwassermessstellen.
Die Agrofarm investierte u. a. in vier Grundwassermessstellen. (c) Gerd Rinas

Die Hektarerträge erfüllten 2021 die Erwartungen nicht. Mit 80 dt Wintergerste (2020: 88,4), 81,1 dt Winterweizen (94,1), 39 dt Raps (40,1), 59 dt Triticale (72,4) und 35,1 dt Erbsen (51,3) blieben sie leicht unter dem dreijährigen Mittel. Dafür gingen die Getreidepreise zum Jahresende hoch. „Aber wer hat zu diesem Zeitpunkt sein Lager noch voll?“ fragt Lars-Peter Loeck leicht genervt.

zusätzliche kosten auf zweiten blick

Im LKV-Jahr 2020/21 haben die Rinder der Agrofarm 9,07 Mio. kg Milch gegeben. Mit einer Leistung von 11.259 kg pro Kuh (4,12 % Fett, 3,64 % Eiweiß) zählte der Betrieb in der Gruppe mit 500 – 999 Tieren damit erneut zu den leistungsstärksten im Gebiet der RinderAllianz in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Nordbrandenburg.

Mit dem Golden Vision Award 2021 bescheinigte der Rinderzuchtverband MV dem Team um Karin Gehrt, Lisa Straßburg und Jessica Pannenborg, dass ihre Rinderhaltung auf Langlebigkeit und Tierwohl ausgerichtet ist.

Der Auszahlungspreis erreichte im Jahresdurchschnitt 37,55 ct/kg Milch und übertraf damit das Niveau von 2020 (32,43 ct/kg) und 2019 (33,55 ct/kg). Im November stieg der Grundpreis erstmals auf 40 ct/kg. Mit den Zuschlägen für S-Klasse, Inhaltsstoffe und EZG-Bonus kamen die Lüssower sogar auf 43,78 ct/kg. „Darüber hätten wir uns in früheren Jahren gefreut“, gibt Loeck zu. 2021 reicht dieser Erlös aber wohl nicht, um mit der Milch Gewinn zu erwirtschaften. Ursache sind vor allem gestiegene Kosten. So erhöhte sich der Dieselpreis von 2020 auf 2021 von durchschnittlich 84,13 auf 108,42 €/100 l netto. Leistungsfutter verteuerten sich um 20 bis fast 40 %. Mehr Geld musste man für Besamung, Brunstkontrolle und andere Dienstleistungen in die Hand nehmen. Zusätzliche Kosten verursachte die Reparatur des Melkstandes. „Die ganze Wahrheit zeigt sich erst auf den zweiten Blick“, sagt Lars-Peter Loeck.

Die Milchleistung war 2021 wieder hoch und der Auszahlungspreis stieg an. Allerdings  wuchsen die Kosten schneller. Milchproduktion blieb 2021 ein schwieriges Geschäftsfeld.
Die Milchleistung war 2021 wieder hoch und der Auszahlungspreis stieg an. Allerdings wuchsen die Kosten schneller. Milchproduktion blieb 2021 ein schwieriges Geschäftsfeld. (c) Gerd Rinas

Kopfzerbrechen bereiten dem Vorstand die Kostensteigerungen auf allen Ebenen, auch bei Landmaschinen und Ersatzteilen. „Stickstoff ist viermal, Kali und Phosphor zweieinhalbmal so teuer wie im Vorjahr.“ Zudem gebe es Lieferengpässe bei Dünger und Pflanzenschutzmitteln. Für die bevorstehende Düngesaison ist der Bedarf noch nicht abgedeckt. „Ich kann nur hoffen, dass Putin bald den Hahn von Nordstream 2 aufdrehen darf, damit die Energiekrise ein Ende hat“, sagt Loeck.

anpassung des mindestlohns stellt vor neue herausforderungen

Wohl nur ein durchwachsenes Ergebnis:  Lars-Peter Loeck und Hauptbuchhalterin Antje  Zedler schauen auf die Zahlen.
Wohl nur ein durchwachsenes Ergebnis: Lars-Peter Loeck und Hauptbuchhalterin Antje Zedler schauen auf die Zahlen. (c) Gerd Rinas

An den geplanten Investitionen, die mit 1,5 Mio. Euro im vorigen Jahr höher ausfielen als sonst, mussten die Lüssower keine Abstriche machen. Die größten Posten waren die neue Getreidetrocknung, das sanierte Silosickersaftbecken, ein Futtermischwagen, ein Teleskoplader und elf Hektar Acker. Finanziert wurden die Investitionen direkt aus Einnahmen und mit Krediten zu Laufzeiten zwischen vier und 30 Jahren. Von „Luxusinvestitionen“ könne keine Rede sein. „Es handelt sich ausschließlich um Ersatzinvestitionen. Wenn die nicht mehr möglich sind, können wir den Betrieb gleich ganz zumachen“, argumentiert Loeck.

Für 2022 stehen unter anderem ein neuer Traktor, ein Dreiachs-Anhänger und eine Herberge für die Bullenkälber auf dem Plan, die nun laut jüngsten Vorgaben der Politik 28 Tage im Betrieb verbleiben müssen. Außerdem soll die Elektrik der Milchviehanlage überholt werden. „Das wird richtig Geld kosten“, ahnt Loeck.

Schweren Herzens hat er sich entschlossen, ab 1. Februar wieder einen Betriebselektriker einzustellen. Gerade hat er von seinem Elektro-Partner in Güstrow erfahren, dass nach einer neuen Norm die Notbeleuchtung in Milchviehställen angepasst werden muss. Im Havariefall dürfen nicht mehr als acht Minuten vergehen, bevor das Notstromaggregat anspringt. „So kommt eine neue Auflage nach der nächsten und jede kostet Geld“, so Loeck.

Als besondere Herausforderung sieht der Vorstand die Anpassung des Mindestlohns. Erst zu Jahresbeginn ist er auf 9,82 Euro gestiegen. Zum 1. Juli soll er auf 10,47 Euro angehoben werden. Bundesarbeitsminister Heil strebt bis Jahresende eine Erhöhung auf zwölf Euro an. „In der Folge müssen wir auch die darüberliegenden Löhne anpassen, um den Abstand zwischen den Lohngruppen zu wahren. Finanziell könnte das für viele Betriebe eine Herkulesaufgabe werden“, glaubt Loeck.



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