Frost-Schutz im Obstbau: Wie sich der Obsthof Müller wappnet
Der Frost im April 2024 hat in den Obstplantagen bittere Spuren hinterlassen. Wie sich Obstbauer Alexander Müller aus Querfurth gegen künftige Kälteeinbrüche wappnet und welche innovativen Frostschutzmaßnahmen er erwägt – Neues von unserem Praxispartner in Sachsen-Anhalt:
Auch wenn die Temperaturen zuletzt recht große Sprünge machten, bleibt Alexander Müller noch ruhig. Der Winter war bislang eher mild, die jüngsten Frostnächte und selbst die zwischenzeitliche kurze Erwärmung trieben ihm noch keine Sorgenfalten auf die Stirn, da für diese Woche wieder ein Temperaturrückgang vorhergesagt war. „Am liebsten wäre mir aber, wenn es noch acht Wochen kühler bliebe, tagsüber so bis maximal zehn Grad“, sagte der Obstbauer am 21. Februar mit Blick auf das Frühjahr 2024. Damals begünstigte der witterungsbedingte Entwicklungsvorsprung – die Obstbäume standen zweieinhalb Wochen früher in Vollblüte – die enormen Frostschäden.
Bildergalerie: Neues vom Obsthof Müller, unserem Praxispartner in Sachsen-Anhalt
Kritische Temperaturen: Lehren aus dem Frühjahr 2024
Auch beim Baumobst sei für den Start und das Fortschreiten der vegetativen und generativen Entwicklung die Temperatursumme entscheidend, weiß Müller: „Bis jetzt ist das alles unkritisch.“ Die kritischen Minimumwerte hat er aber im Hinterkopf: Bei noch geschlossenen Knospen sind es für Apfel, Birne, Pflaume, Pfirsich und Aprikose etwa -4,0 °C, die empfindlichere Kirsche verträgt in dem Stadium kaum unter -2 °C. In der Vollblüte sind es für fast alle Arten -2,3 °C. Noch gefährlicher wird es, wenn bereits junge Früchte ausgebildet sind. Dann darf das Thermometer maximal kurz auf -1 °C absinken – beim Apfel theoretisch bis -1,7 °C, bei der Aprikose dagegen nur bis -0,7 °C.
In der Nacht vom 22. zum 23. April 2024 waren die Temperaturen in der Obstplantage am Rande von Querfurt über Stunden bis auf etwa -6 °C gefallen. Der Frost schädigte die Apfel- und Kirschblüten in hohem Maße, die bohnengroßen Aprikosen erfroren allesamt.
Das damalige Szenario vor Augen, macht sich der Unternehmer Gedanken, wie er den Frostschutz im in seinen Obstbau-Anlagen in Zukunft organisiert. Im vergangenen April behalf er sich kurzerhand mit dem Zuziehen der Regenschutzfolien über den Kirschbäumen und der Hagelschutznetze über der Apfelplantage sowie dem Einsatz stationärer und traktorgezogener Gasheizgeräte, was ihm zumindest anteilige Ernten bei Süßkirschen und Äpfeln sichern half.

Aktiver Frostschutz im Obstbau: Überkronenberegnung und ihre Tücken
Effektivste Maßnahme zum aktiven Frostschutz im Obstbau wäre eine Überkronenberegnung. Hierbei wird die beim Gefrieren des Wassers freigesetzte Erstarrungswärme direkt an Blüten oder Früchte abgegeben. Deren Temperatur wird so – bei kontinuierlicher Wasserzufuhr – nahe 0 °C gehalten.
Dieses Verfahren hilft bei Frösten bis etwa -7 °C. „Knackpunkt ist der hohe Wasserbedarf“, gibt Müller zu bedenken. Fachleute rechnen mit 35 m3/ha/h, das macht in 20 Stunden (z. B. für drei Frostnächte) 700 m3/ha. Hält der Frost länger an, summiert sich die Menge. Und: Sein Hof hat rund 16 ha Baumobst.
Das Wasser müsste in Becken, ähnlich Löschwasserteichen, oder Schlauchbehältern bevorratet werden. Oder aus einer eigens dafür verlegten Leitung des regionalen Wasserversorgers kommen. „Das würde auch umfangreiche Genehmigungsverfahren bedeuten“, betont Müller.
Während sich die Überkronenberegnung vor allem beim Apfel bewährt, birgt sie beim Steinobst Gefahren: Unter der Eislast könnten Äste brechen oder später Befruchtungsprobleme durch Verkleben der Pollen in den Blüten auftreten. „Auch die Anfälligkeit für die von Pseudomonas-Bakterien verursachte Rindenkrankheit könnte sich dadurch erhöhen“, schiebt Müller nach. Besser geeignet für Kirsche, aber auch Birne, die in der Blüte empfindlicher sind, ist das Beregnen unterhalb der Baumkronen.
Alternative Frostschutz-Methoden: Unterkronenberegnung und Windmaschinen
Mit Unterkronenberegnung lassen sich leichte bis mittlere Spätfröste (bis -5 °C) abwehren. Sie benötigt mit ca. 28 m3/ha/h etwas weniger Wasser, ist aber auch weniger effizient. Die hierbei von dem am Boden gefrierenden Wasser nach oben aufsteigende Erstarrungswärme sorgt für eine bis zu zwei Grad höhere Umgebungstemperatur in den Baumkronen. Inzwischen gibt es beide Frostschutz-Verfahren im Obstbau auch mit wassersparender Technik (ca. 15 m3/ha/h), doch ist Überkronenberegnung dann windanfälliger.
Eine Alternative wären Windmaschinen. Die Propeller helfen indes nur bei Strahlungsfrost, wenn sie wärmere Luft oberhalb der Bäume mit der Kaltluft am Boden verwirbeln können und so für einen geringen Temperaturanstieg sorgen. Für stationäre Anlagen dieser Art bedarf es einer Baugenehmigung. In jedem Fall, ob feststehend oder mobil, ist ein geeigneter Antrieb (Elektro- oder Dieselmotor, Zapfwelle des Schleppers) nötig. Und: Die Windmaschinen machen Lärm wie ein Hubschrauber.
Wirtschaftlichkeit des Frostschutzes: Investitionen und Betriebskosten
Allen diesen Technologien gemein ist, dass sie zunächst hohe Investitionen erfordern und auch ihr Betrieb im Ernstfall recht kostenträchtig wäre, weiß der Betriebsleiter: „Und man legt sich damit langfristig fest.“ Aber auch andere Maßnahmen, wie der Einsatz von Frostschutzkerzen oder mit Holzpellets betriebenen Öfen, kosteten Geld und müssten bei Frostgefahr mit genügend Personal umgesetzt werden. „Am besten wäre kein Frost“, betont Müller.
Blütenknospenmanagement: Der schmale Grat zwischen Ertrag und Frostschäden
Er weiß auch, dass beim Stein- und Kernobst für einen Normalertrag nur gut 10 % der Blüten bis zur Fruchtreife gelangen müssen. Beim Apfel z. B. würden etwa 100–120 gut ausgebildete Früchte pro Baum angestrebt, was etwa 15 kg Ertrag entspreche. Mithin müsse beim derzeit laufenden Korrekturschnitt von Hand die Zahl der Blütenknospen, aus denen sich mehrere Einzelblüten entwickeln, deutlich reduziert werden. Rafft ein Spätfrost dann aber einen Großteil der am Baum verbliebenen Blüten hin und fällt obendrein die Befruchtungsrate deutlich geringer aus, könnte es kritisch werden.
Am liebsten würde Müller deshalb mit dem Ausdünnen der Blütenknospen noch abwarten, bis die Spätfrostgefahr vorbei ist. Dann aber müsste diese Arbeit im späten Frühjahr binnen kürzester Zeit erledigt werden, was personell kaum zu schaffen wäre.
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