Schafe in Sachsen: Neue Böcke und alte Fragen
Das sächsische Versuchsgut Köllitsch hat vier neue Schaf-Böcke angeschafft. Der Betrieb erklärt das zukünftige Vorgehen, den Umgang mit dem Blauzungenvirus und mögliche neue Absatzwege.
Von Karsten Bär
Seit vorletzter Woche stehen sie in vier Gruppen aufgeteilt auf ihren Weiden. Der ihnen jeweils zugeteilte Bock kam Anfang voriger Woche (32. KW) zu seinen „Damen“: Für 201 Mutterschafe des Lehr- und Versuchsgutes (LVG) Köllitsch hat die Deckzeit begonnen.
Merino- und Schwarzkopf-Fleischschafe
Ausgewählt hatte sie vor wenigen Wochen Hanno Franke, der Zuchtleiter des Sächsischen Schaf- und Ziegenzuchtverbandes (SSZV), aus insgesamt 241 weiblichen Schafen des LVG, davon 197 Mutterschafe und 44 anderthalbjährige Zutreter. Vor allem der Zustand der Zähne und die Eutergesundheit waren dabei Kriterien – die Tiere sollen auf der Weide problemlos Futter aufnehmen und später ihre Lämmer gut säugen können.
101 Merinofleischschafe (MFS) und 100 Schwarzköpfige Fleischschafe (SKF), nach Rasse getrennt in Gruppen zwischen 49 und 52 Muttern, sind für die Weiterzucht vorgesehen. Die Selektionstiere gehen hingegen in die Vermarktung.
Asaisonaler Brunstszyklus
Besonderheit in diesem Jahr: Alle vier Böcke sind neu. „Wir hatten letztes Jahr keinen Bock gekauft und daher jetzt Nachholbedarf“, erzählt Birgit Kurze, Bereichsleiterin Schafe und Schweine im LVG. Bei der MFS-Elite in Kölsa kaufte das LVG zwei Böcke. Ein SKF-Bock ersteigerte der Betrieb auf der Eliteveranstaltung dieser Rasse in Bayreuth.
Einen weiteren SKF-Vererber kauften die Köllitscher in Niedersachsen direkt beim Züchter. Das Tier, das den Namen Zorro trägt, ist bereits gute zweieinhalb Jahre alt und war bereits im Deckeinsatz. Während sich Zorro bereits unter Beweis gestellt hat, wurde die Tauglichkeit der drei neu erstandenen jungen Böcke im LVG bei einer Testanpaarung mit jeweils drei MFS-Mutterschafen geprüft. „Die Merinos haben einen asaionalen Brunstszyklus“, erklärt die Bereichsleiterin. „Deshalb können wir mit ihnen bereits im Frühjahr überprüfen, ob die Böcke funktionieren.“
Drei Böcke vorerst zur Vorsorge behalten
Die noch bis zur letzten Deckzeit eingesetzten Böcke haben ausreichend für Nachkommen im Köllitscher Bestand gesorgt und mussten ausgetauscht werden. Einer der Böcke war bereits seit 2020 im Einsatz. Für alle vier soll es in
anderen Schäfereien weitergehen. Einer ist bereits verkauft. Die anderen drei bleiben vorerst noch vor Ort – als „Ersatzspieler“, wie es Schäfer Uwe Liebhold ausdrückt –, um einzuspringen, falls einer der Neuen ausfällt, und für die
zweite Deckrunde.
Die erste Runde dauert sechs Wochen, das entspricht zwei Zyklen des Mutterschafes. Damit soll sichergestellt werden, dass möglichst viele Schafe in dieser Zeit gedeckt werden und reinrassige Lämmer bekommen. Danach werden
die Gruppen aufgelöst. Nach zehn Tagen Pause kommt noch einmal ein frischer Bock bis zum Weideabtrieb für die „Nachlese“ in die Herde.
Blauzungenvirus mit Impfung bekämpfen
Besorgt schaut man im LVG auf das Voranschreiten der Blauzungenkrankheit, die mit Einzelfällen bereits bis in die Nachbarländer Sachsen-Anhalt und Brandenburg vorgedrungen ist. „Wir werden, wie andere Schafhalter auch, unsere Herde durch Impfung schützen“, sagt Birgit Kurze.
Als die Blauzungenkrankheit das letzte Mal in Deutschland aufgetreten war, habe man das ebenfalls gemacht. Damals handelte es sich noch um einen anderen Serotyp, der für Schafe als weniger gefährlich galt. Beim jetzigen ist das anders – die Mortalität ist bei Schafen recht hoch. Umso wichtiger sei der Impfschutz, den die Tiere vorige Woche erhielten. Anderweitig die Übertragung der Krankheit zu verhindern, die in erster Linie über Gnitzen erfolgt, sei nur bedingt möglich. Das Auftragen von Repellentien biete keinen sicheren Schutz.
Regionale Feinwolle vom Merino-Schaf?
Unter den gegebenen Umständen kommt den Beteiligten die leichte Verzögerung in einem aktuellen Projekt, das im LVG vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) und Schafzuchtverband durchgeführt werden soll, hingegen sogar etwas entgegen.
In Köllitsch soll geprüft werden, inwiefern mit spanischen Merinoschafen unter den hiesigen Bedingungen Feinwolle produziert werden kann. „Der Bedarf für diese Wolle, die zum Beispiel Hersteller von Outdoorbekleidung nutzen, ist groß und wächst“, sagt Birgit Kurze. „Wir wollen herausfinden, ob unter unseren Klima- und Fütterungsbedingungen dieselbe Qualität herauskommt wie in Spanien.“
Dazu kauft das Projekt zwölf weibliche Schafe und einige Jungböcke. Wegen aufwendiger veterinärrechtlicher Bestimmungen und auch, weil große Hitze gerade gegen den langen Tiertransport spricht, verzögert sich die Einfuhr allerdings. Gegen Ende des Jahres dürften die spanischen Merinos dann aber in Nordsachsen ankommen und hier nach 30 Tagen Quarantäne ein neues Zuhause finden. Wie indes die Wolle der vor Ort gehaltenen Schafe sinnvoll verwertet werden kann, ist nach wie vor ungeklärt.
Bauunternehmen an Wolle interessiert
Aktuell ist das Produkt nur ein Kostenfaktor. Entsorgen oder kostenlos abgeben wolle man die Fasern aber nicht, betont Birgit Kurze. „Aus Prinzip nicht. Wolle ist schließlich ein wertvolles nachhaltiges Produkt.“ Derzeit prüft ein sächsischer Naturfaserverarbeiter die Eignung mit einer Wollprobe aus Köllitsch.
Ein regionales Bauunternehmen hat ebenfalls etwas Wolle aus Köllitsch erbeten und will untersuchen, ob Schafwolle im Straßenbau oder als Dämmstoff verwendbar ist. Auch für die Herstellung von Düngerpellets ist der Rohstoff geeignet. Ob aus diesen Ansätzen etwas wird, steht in den Sternen. Die Wollverwertung bleibt eine offene Frage.
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